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Dienstag, 21. Februar 2023

Erinnerungen 012 - Anfang Ehe bis Geburt des 1. Kindes

 Am Anfang meiner Zeit in diesem neuen Ort fühlte ich mich oft alleine. Vieles hatte sich, quasi über Nacht, geändert. Meine Freunde und meine Verwandtschaft wohnten weit weg. Und die Gruppe für junge Erwachsene war von da an auch tabu – denn jetzt waren wir ein Ehepaar. Es gab eine ganze Menge Verwandtschaft meines Mannes dort. Davon kamen einige auch am Anfang mal rein um zu schauen, wie wir denn so wohnten. In der Gemeinde kam es mir so vor, je größer die Gemeinschaft gerade war, desto mehr alleine war ich. Ich erinnere mich noch an einen Sonntag, wo nach dem Gottesdienst noch ein Treffen aller Gemeindemitglieder in einem Raum war. Ich stand mit einer Kaffeetasse in der Hand, mitten drin im Gedränge. Links und rechts redeten die Leute miteinander … und ich stand mittendrin alleine da. Man sagte mir hinterher, dass ich einfach die Leute ansprechen müsste, wenn ich beachtet werden will. Das war aber nicht so mein Ding … zumindest damals noch nicht.


Nach etwa einem Jahr, als wir beide gerade auf einem Wochenend-Trip in Braunschweig waren, machte ich meinen ersten Schwangerschaftstest … der war positiv. In dem Moment änderte sich alles für mich. Ich träumte von der Zeit, wann das Baby da ist, und das war schön.


Partnerschaftsmäßig war es oft weniger schön. Meine rosa Brille ist ziemlich schnell verloren gegangen. Höhepunkt war ein Morgen, wo ich mit meiner Schwägerin telefonierte, und darüber aufgeklärt wurde, dass mein Mann mir über ganz viele wichtige Einzelheiten seines Lebens einfach Dinge vorgelogen hatte. Schon zuvor hatte ich erkannt, dass er es mit der Wahrheit nicht so genau nahm. Aber an dem Morgen stürzte mein gesamtes Kartenhaus zusammen. Ich habe mich echt gefragt, wen ich da geheiratet habe. Und natürlich kamen auch Gedanken über Trennung bei mir auf. Aber ich dachte, ich müsse da jetzt durch, weil man sich als Christ nicht scheiden lassen darf. Und außerdem wusste ich nicht wirklich, was ich denn machen sollte, wenn ich wieder alleine wäre. Ich müsste wieder etwas ganz Neues anfangen. Bei christlichen Missionsgesellschaften würde ich als Geschiedene sicher auch nicht mehr angestellt. Also – alles, was ich zuvor gehabt habe, habe ich mit der Eheschließung aufgegeben.


Also blieb ich dabei. Stellte ihn zwar zur Rede. Aber inzwischen hatte ich ohnehin schon die Erfahrung gemacht, dass ich mit ihm nicht wirklich reden konnte. Entweder redeten wir aneinander vorbei. Oder er nahm ein Stichwort auf, und gab damit dem Gespräch eine ganz andere Richtung. Ich habe sehr sehr lange gebraucht, bis ich in Etwa herausgefunden hatte, wie es dazu kam, dass am Ende ich immer die Böse war, die etwas von ihm fordert … obwohl es meistens umgekehrt war. Außerdem konnte er ganz unauffällig von null auf hundert ausrasten – ohne dass ich merkte, wie es dazu gekommen war.


Eine sehr eindrückliche Erinnerung gilt einem ganz normalen Abend. Er saß im Wohnzimmer vor dem Fernseher, und ich war in der Küche und räumte alles wieder auf, nach dem Abendessen. Ich hatte dazu eine CD in den Player eingelegt, mit christlichen Liedern. Zwischendurch ging ich dann mal zu ihm ins Wohnzimmer, weil ich etwas fragen oder sagen wollte … und ganz unerwartet kam sofort ein aggressiver Ausraster von ihm. Er brüllte mal wieder los, ohne dass ich wusste, warum. 

Weinend ging ich dann wieder in die Küche und betete: Herr, ich weiß nicht, wie lange ich das noch so aushalte. Hilf mir doch bitte und zeige mir, was ich tun soll.


In der Küche hörte ich dann, dass der CD_Player gerade ein neues Lied abspielte.
Der Text (von Peter Strauch) lautete: (1.Strophe)

„Ich lasse dich nicht fallen, ich verlasse dich nicht,
sei mutig, sei mutig und stark.
Bläst dir der Wind entgegen, und schlägt dir ins Gesicht,
sei mutig, sei mutig und stark.
Der Gott der dich geschaffen hat und dir das Leben gab 
der kennt dich gut und gibt dir Mut, an jedem neuen Tag.
Er fängt dich auf, wenn du versagst, du fällst in seine Hand.
Sei mutig, sei mutig und stark.“


Wie eine Verdurstende, hörte ich mir die weiteren Strophen des Liedes andächtig an, meine Tränen liefen nur so …. und ich fühlte mich plötzlich eingehüllt und umarmt…. Und gestärkt.


Ich war 33 Jahre alt, als mein erstes Kind, eine Tochter geboren wurde – und fühlte mich reich beschenkt.

An die erste halbe Stunde nach der Geburt erinnere ich mich noch sehr gut. Man hatte mir meine Tochter in die Arme gelegt und mich für eine Weile alleine mit ihr gelassen, weil es noch irgendwo anders einen Notfall gab. Ich schaute staunend auf das winzige Lebewesen in meinem Arm. Sie hatte die Augen auf, war ganz still, und schaute mich ganz lange einfach nur an. So als wenn sie genauso staunen würde wie ich.


Als meine Tochter drei Monate alt war, brauchte sie eine kleine OP, welche in einer Kinderklinik in Hamburg durchgeführt werden sollte. Dafür sollte sie ungefähr drei Tage dort bleiben. Wir fuhren mit dem Auto dorthin und natürlich blieb ich bei ihr. Am nächsten Tag wurde sie dann zur OP abgeholt, und ich gönnte mir erst einmal ein Frühstück. Danach ging ich wieder zur Station, aber sie war noch nicht fertig. Und mir wurde gesagt, ich könne noch ein bisschen spazieren gehen. 

Als ich dann wieder zur Station kam, war sie immer noch nicht da. Und das schien auch nicht so normal zu sein, wie ich der Reaktion der Krankenschwester entnahm. 

Ich fing an, mir Sorgen zu machen. Ging nochmal raus und betete ununterbrochen: „Bitte Herr, erhalte mir mein Kind … nimm es mir bitte nicht wieder weg“. Die OP sollte eigentlich nur eine viertel Stunde dauern, und danach noch einige Zeit im Aufwachraum. 

Es dauerte etwa zwei Stunden, bis sich endlich der Arzt meldete. Die Krankenschwester kam mit ihm zu mir und sagte zu dem Arzt: „das können sie der Mutter jetzt mal selbst sagen“. Er erklärte dann, dass die OP ganz normal gelaufen war, aber meine Tochter nicht mehr selbstständig geatmet hat danach. Sie mussten sie eine längere Zeit beatmen, bis alles wieder in Ordnung war. Aber jetzt sei alles wieder okay. Wahrscheinlich wäre sie gegen das Narkosemittel allergisch. 

Das war eine riesige Erleichterung, als ich meine Tochter endlich wieder in die Arme nehmen konnte.


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