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Freitag, 26. Mai 2023

Erinnerung an Erzählungen der Eltern an Kriegszeiten und Familienzusammenhänge

Um meine eigenen Erinnerungen an die Erzählungen meiner Eltern noch zu ergänzen, habe ich mit meiner (anderthalb Jahre) älteren Schwester darüber geredet und meine Erinnerungen aufgefrischt

 Da ich sechs Jahre nach dem Krieg geboren bin, waren die Erinnerungen an die Kriegszeiten meiner Eltern noch sehr frisch.

Meine Mutter war eine lange Zeit geprägt von einer Angst, dass es einen neuen Krieg geben könnte. Diese Angst hat zunächst auch uns ältere Kinder  geprägt.

Sie erzählte, dass sie am Anfang des Krieges gar keine Angst gehabt hätte. Sie wäre sogar bei Fliegeralarm oft extra zu einen Aussichtspunkt gegangen, von wo man die Flugzeuge ankommen sehen konnte, welche wohl zurerst Leuchtfackeln abwarfen, um das Ziel der Bomben zu markieren. 

Erst, nachdem das eigene Elternhaus (in Kiel)  getroffen wurde, wurde die Angst so stark, dass sie fortan beim ersten Alarmton losgerannt wäre in die Schutzbunker. 

Meine Mutter war 12 Jahre alt, bei Kriegsbeginn. Sie erzählte, dass sie auch gerne in den BDM gegangen wäre. Aber sie wurde abgelehnt, weil zu jung. Von dem ganzen Geschehen hat sie das Ausmaß der Bedeutung nicht wirklich begriffen. Auch die Verfolgung der Juden hat sie nicht begriffen. Warum diese mit einem Judenstern markiert wurden, der im Dunkeln leuchtete, darüber haben sie sogar manchmal gespottet, dass wenn jemand etwas dickere Figur hätte, er zwei Sterne tragen musste, so dass es einen Zusammenstoß gäbe, wenn man mitten durch diese zwei Markierungen durch gehen will. 

Mutter hat auch Hunger kennen gelernt. Sie sagte, dass es für die Essensmarken morgens nur eine dünne Scheibe Brot gab, so dass sie meistens hungrig war. Als sie mal mit der KLV (Kinder-Landverschickung) auf einem Bauernhof viel zu essen hatte, und dort Pfannkuchenreste der Katze bringen sollte, hätte sie noch unterwegs so viele wie möglich selbst gegessen, weil sie die für die Katze viel zu schade fand. 

Die Mutter meiner Mutter ... meine Großmutter, hat 9 KInder geboren. Zwei davon starben schon im Kindesalter. Eine hat sie mit einer Lungenentzündung zwei Stunden weit in eine Klinik getragen - um sie dann tot wieder zwei Stunden zurück tragen musste. 

Sie selbst hatte 12 Geschwister. Die Mutter mochte keine Mädchen und schickte ihre Tochter schon mit 14 Jahre "anschaffen". 

Auf diese Weise lernte sie ihren Mann kennen ... meinen Großvater. Mit 17 Jahren wurde meine Großmutter schwanger, musste heiraten, und bekam das erste Kind. Das letzte Kind bekam sie mit 36 Jahren. 

Ein Sohn (Bruder meiner Mutter) ist im Krieg auf dem Schiff "Bismarck" gefallen. Das Schiff ist auf See gesunken ... bekanntlich durch eigenes Bewirken. Ein anderer Sohn ist im Eis eingebrochen und ertrunken, weil er nicht auf das Verbot seiner Eltern gehört hatte. Meine Mutter hat die Geschichte immer als Warnung erzählt, für Strafe (von Gott?), wenn man ungehorsam ist.

Mein Vater ist in Memel geboren und aufgewachsen ... bis zum Krieg. Der Ort hieß damals so, wie der Fluss. Heute heißt er "Klaipeda". 

Dass er als Soldat eingezogen wurde, war wohl eher ein Versehen. Er erzählte, dass er gerne jeden Tag zum Flugplatz in der Nähe der Wohnung ging und zugeschaut hat, was da lief, an Reparaturen und Beladungen . Eines Tages hätte ihn ein Mann gefragt, ob er gerne mal dort mitarbeiten würde. Er hat begeistert "ja" gesagt. Und ein paar Tage drauf stand jemand vor der Türe und teilte ihm mit, dass er sich ja gemeldet hätte und jetzt also Soldat wäre. 

Er sagte, er wäre dankbar, dass er in der ganzen Zeit als Soldat nie Menschen töten musste. Dafür hätte er am Anfang seiner Zeit als Soldat gebetet. Ein einziges Mal wäre er in einer Truppe gewesen, die direkt an die Front musste. Zu dem Zeitpunkt wäre er aber gerade krank gewesen und auf der Krankenstation.

Seine Familie musste dann im Verlauf des Krieges in den Westen fliehen. Sie sind mit einer Tochter und einem Sohn dann auf einem Flüchtlingsschiff in Kiel gelandet.  Zuerst war wohl ein anderes Schiff eingeplant, welches sie aber auf irgendeine Weise verpasst haben. Dieses Schiff ist dann untergegangen - keiner hat überlebt. Also sahen sie auch das als Bewahrung von Gott. Die Tochter haben sie auf dem Schiff wohl mit Mehl im Gesicht so aussehen lassen, als wenn sie sehr krank wäre. Das machten sie wohl, um das Mädel vor einer Vergewaltigung zu schützen. Auf diese Weise sind sie dann heil auf der anderen Seite der Ostsee angekommen. 

Die Famile meines Vaters gehörten zu den "Baptisten". In Kiel wurde mein Großvater dann bekannt als derjenige, der das Kreuz im Gemeindehaus gezimmert hatte. Er war Zimmermann von Beruf. Es bestand früher mal ein Foto, auf dem er mit einem großen Kreuz im Gemeindesaal nach vorne ging. 

Bei den Baptisten haben meine Eltern sich dann auch kennen gelernt und 1948 geheiratet. Noch ein Jahr wohnten sie in Kiel, in der Wohnung der Eltern meiner Mutter. Dort wurde auch meine ältere Schwester geboren. Zwei Monate vor meiner Geburt bekam mein Vater ein Arbeitsplatz-Angebot in NRW, wohin sie dann umzogen und mein Vater dann bis zu seiner Rente in diesem Betrieb gearbeitet hat.