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Dienstag, 31. Oktober 2023

Erinnerungen zu Zeitabschnitt 003 - ein halbes Jahr in Kiel

 

Als ich 13 Jahre alt war, habe ich ca. ein halbes Jahr bei meiner Oma in Kiel gewohnt und bin dort auch in die Schule gegangen. Es war die Hardenberg-Schule in der Hardenbergstraße. Das war nur etwa 500 m von der Wohnung meiner Oma (und meiner Tante) entfernt.

In dieser Schule wurde ich ein bisschen wie eine eine Exotin behandelt. Und das habe ich auch ein bisschen genossen. Bin dort selbstbewusster aufgetreten als in meiner Heimatstadt.


Mein Klassenlehrer (Herr Rasmus) dort war der Musik sehr zugetan. Im Klassenzimmer stand ein Klavier, und wenn es dem Lehrer gerade danach war, dann setzte er sich mal eben ans Klavier und mischte die Stimmung merkbar damit auf. Das war für mein Empfinden ganz einzigartig und toll.

In der Musikstunde wurden dann auch die einzelnen Stimmen angehört, mit dem Lied „Die Gedanken sind frei“

Auch ich wurde ausgewählt, um das Lied vorzusingen. Und der Lehrer sagte, ich hätte eine schöne Stimme, woraus man etwas machen könnte.


Ich hatte dort zwei Freundinnen. Eine wohnte im gleichen Haus wie wir, ein Stockwerk unter uns. Sie hieß „Petra“. Ihr Vater war Polizist. Die andere war eine Klassenkollegin und hieß „Erika“. Auch ihr Vater war Polizist.


Erika gehörte in der Klasse eher zu denen, die am Rand stehen. Ich habe mich selbstbewusst zu ihr gestellt. Wir haben in den Pausen noch Spiele gespielt, während die anderen Mädels eher in Gruppen zusammenstanden und auf uns herabschauten. Damals war es an der Zeit, dass Mädels ab einem bestimmten Alter „Perlonstrümpfe“ tragen durften. Wann sie das durften, wurde von den Eltern bestimmt. Erika und ich gehörten zu denen, die noch Söckchen trugen im Sommer und im Winter Wollstrumpfhosen.

Ich erinnere mich an einen Tag, wo wir Schwimmunterricht im Hallenbad hatten. Wir standen noch in eine Reihe von Mitschülern und warteten, dass unser Lehrer uns unseren Spind zuordnete, als irgendwelche Schüler am Anfang der Reihe plötzlich anfingen, Erika zu verspotten, weil sie Söckchen trug. Ich überlegte einen Moment und lief dann auch nach vorne und rief: ich trage auch Söckchen – und jetzt könnt ihr mich auch auslachen. Und da war es plötzlich still. Keiner sagte mehr was. Ich war dann irgendwie stolz, dass ich es gewagt hatte.


Petra war zwei Jahre jünger als ich. Wir wohnten in einem Block in einer Blocksiedlung, die um einen Innenhof aufgebaut waren, in dem noch ein paar Blocks standen. In den Gängen des Innenhofs konnte man gut Verstecken spielen. Mit ein paar weiteren Kindern aus dieser Siedlung waren wir eine richtige Rasselbande. Wir haben zusammen oft „Räuber und Gendarm“ gespielt. Wobei wir dann durch die Gänge tobten, was so manchen Erwachsenen Anwohnern zwar nicht gefallen hat. Aber das hat uns nicht gestört. Neben dem Grundstück war noch eine halb verfallene Ruine. Dort durften wir zwar nicht spielen, weil es zu gefährlich sein sollte. Aber wir haben es trotzdem manchmal getan.


Ich hatte für das Hallenbad, das mehr als 4 km von unserer Wohnung entfernt war, eine Dauerkarte, so dass ich immer wenn ich Lust hatte, auch alleine ins Hallenbad gehen konnte. In der Zeit habe ich schwimmen gelernt. Das war überhaupt der Grund, warum ich nach Kiel geschickt wurde. Weil der Orthopäde festgestellt hatte, dass ich eine sehr schwache Wirbelsäule hatte - weil schwimmen als Stärkung der Wirbelsäule galt. Ich hatte auch zur Stütze ein Korsett, das ich täglich tragen sollte. Einmal, als wir Schwimmunterricht von der Schule aus hatten, hatte ich vergessen, das Korsett an diesem Tag zu Hause zu lassen. Es war mir zu peinlich vor den anderen Kindern, mich umzuziehen. Deshalb sagte ich der Lehrerin, dass ich diesmal nicht mitmachen könnte. Sie meinte dann, ich könnte das Korsett ausziehen, während sie dabei wäre. Und so wurde es nicht peinlich, weil es von der Lehrerin unterstützt wurde. Es war nur wieder einer der Punkte, der mich zu einer Exotin abstempelte. Aber das habe ich dann auch nicht negativ empfunden.


In meiner Erinnerung war diese Zeit bei meiner Oma für mich ein Ort, an dem ich mich besonders geborgen gefühlt habe. Ansonsten war der Begriff „Geborgenheit“ für mich eher so etwas wie ein Märchenland oder ein Paradies, von dem man vielleicht träumen kann – aber es nie wirklich erreicht. Warum das so war – keine Ahnung. War einfach ein Gefühl, an das ich mich in dem Zusammenhang erinnere.