Copyright

© Copyright von allen Texten und Grafiken liegt bei mir!
Verantwortung für externe Links liegt bei dem Betreiber der verlinkten Seite!
Kontaktaufnahme über PN-Fenster - s.u.

Samstag, 25. Februar 2023

Erinnerungen 014 - Eheende, Umzug BaWü

 Nach zwanzig Jahren Ehe, mit dauerndem Auf und Ab der Aggressionen, habe ich dann unsere Trennung beschlossen und die Scheidung beantragt. Bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Scheidung waren wir dreiundzwanzig Jahre verheiratet.


Zunächst bin ich drin geblieben, weil ich nicht wusste, wie es danach weitergehen könnte…. als alleinerziehende Mutter. Als meine Kinder älter wurden, fragte ich sie in solchen Fällen, wenn wieder einmal Ausraster eskaliert sind, wo sie wohnen wollten, wenn ich ausziehen würde. Eine längere Zeit sagten zumindest die Jungs, dass sie gerne da wohnen bleiben würden. Darum blieb ich dann auch erst einmal da. Zwischendurch, als ich mal wieder mit Trennungsgedanken spielte, bekam ich einen Hinweis, den ich als Botschaft von Gott verstand, dass es noch nicht so weit wäre … ich also noch aushalten solle. Und dann, als unser Jüngster dreizehn Jahre alt war, schien es mir, dass jetzt der Moment sei, dass ich gehen könne. Dazu gehörte auch wieder ein Gespräch mit meinen Kindern, wobei meine Tochter sagte: „dann tue es doch endlich auch mal“.


Es war für mich eine abenteuerliche Zeit, in der ich manchmal dachte, die Anforderungen wachsen mir über den Kopf. Aber gerade in diesen Zeiten habe ich so stark Gottes Unterstützung gespürt, wie nie zuvor. Tausend kleine und größere Zeichen und für mich auch Wunder könnte ich aus dieser Zeit erzählen. Vielleicht erzähle ich darüber später auch noch hier, aber erst einmal weiter mit dem groben Überblick. Jedenfalls war es, kurz nach der offiziellen Scheidung, dann plötzlich so weit, dass ich mich entschied, jetzt meinen Traum, wieder einmal in den Schwarzwald umzuziehen, umzusetzen. Ich beschloss, nach einem Angebot von Internetbekanntschaft mit einem Ehepaar, eine Zeitlang bei ihnen zu Gast zu sein – in der Nähe von Ulm – um eine Wohnung und vielleicht sogar einen Job zu suchen und finden.


Kurz davor traf in in der Freien Ev. Gemeinde (FEG), bei der ich noch Mitglied war und wo ich gerade einen „ein-Euro-Job“ machte, beim „Kirchenkaffee“ auf eine junge Frau, die vorher auch im Schwarzwald gewohnt hat. Während ich an dem Stehtisch einigen Leuten erzählte, dass ich demnächst mal meine Fühler in Richtung Schwarzwald ausstrecken wollte, sprach mich diese Frau an. Sie sagte, sie hätte noch immer Kontakt zu ihrer früheren Vermieterin dort. Und soviel ihr bekannt wäre, sein die Wohnung, welche sie dort bewohnt hatte, immer noch frei. Sie bot mir an, dort mal nachzufragen, ob ich vielleicht diese Wohnung bekommen könne. Und so passierte es, dass ich diese Wohnung schon klar machen konnte, bevor ich überhaupt dort gesucht hatte. Es war eine kleine Dachgeschosswohnung, etwa 40 qm groß, mit einer Küche, einem Wohnzimmer, einem Schlafzimmer und einen Abstellraum. Alle Räume hatten ein Fenster nach draußen. Die Wohnung war in Schömberg bei Neuenbürg, auf ca. 800 m Höhe, direkt neben dem Wald.


Meine Tochter wohnte zu dem Zeitpunkt nicht mehr zu Hause. Sie hatte eine schulische Ausbildung in Schleswig begonnen. Meine Söhne wollten weiter in dem Haus wohnen, das ihrem Vater gehörte. Und nach einer Erfahrung, wo ich den jüngeren Sohn davon abhalten wollte, mit seinem Bruder und einigen Cousin‘s auf dem Jahrmarkt Alkohol zu konsumieren – die dann von der „Clique“ vereitelt wurde, indem sie ihn zurückhielten und versprachen auf ihn aufzupassen, hatte ich den Eindruck, dass ich ohnehin keinen Einfluss mehr auf sie hatte. Und so zog ich zunächst alleine in den Schwarzwald um. War sicher nicht die beste Entscheidung meines Lebens. Aber auch hier hat Gott Gutes daraus entstehen lassen.


Sechs Wochen, nachdem ich im Schwarzwald wohnte, waren meine beiden Söhne gezwungen, zu mir umzuziehen. Weil der Vater sich nicht um sie kümmerte und seine Konten gesperrt waren, weil er die drei Jahre nach der Trennung keine Steuerklärung mehr gemacht hatte … und beide Söhne keinen Job hatten. Sie hatten geplant, sich beim Arbeitsamt zu melden, um HartzIV zu bekommen. Aber kurz zuvor wurde ein neues Gesetz gültig, wobei Kinder, wenn sie kein eigenes Einkommen haben, bis zum 27. Lebensjahr bei ihren Eltern leben mussten – zumindest von ihnen unterstützt würden. Nun war es von Vorteil, dass in meiner kleinen Wohnung tatsächlich für jeden von uns ein Zimmer vohanden war. Die Vermieterin hatte nichts dagegen, dass meine Söhne dazu ziehen. 

Meine Tochter kam dann ein Jahr später auch in den Schwarzwald, weil wir ihr zu weit weg wohnten und sie gerne einen anderen Job haben wollte. Sie zog dann in einen Nachbarort, der 10 km von unserem entfernt war… und so waren wir als (fast vollständige) Familie wieder vereint.

Einer meiner Söhne sagte nach dieser Zeit, dass er dies mehr als Familie empfunden habe, als die Zeit zuvor.


Donnerstag, 23. Februar 2023

Erinnerungen 013 - Kinder

 

16 Monate nach der Geburt meines ersten Kindes wurde unser zweites Kind geboren – ein Sohn. Dieses Baby war total pflegeleicht – im Gegensatz zu dem ersten. Ich wusste jetzt, wie es geht und war nicht mehr unsicher, ob er denn genug zu essen bekam. Ihn habe ich voll gestillt bis er ein viertel Jahr alt war. Wenn er weinte, kam er an die Quelle. Auch nachts lag er einfach neben mir und wenn er unruhig wurde, kam er an die Brust … wir schliefen beide wieder ein. Und wenn er wieder aufwachte, wurde einfach die Seite gewechselt und weitergeschlafen. Bald fand ich dann auch heraus, dass ich ihn auch unterwegs stillen konnte, wenn ich ihn in einer Bauchtrage trug. Ich hatte immer weite lange Oberteile an, so dass ich nun ganz entspannt auch längere Zeit mit ihm unterwegs sein konnte. Wenn er unruhig wurde, kam er an die Milchquelle, verdeckt von der Jacke, die ich trug – und das war alles, was er brauchte. Später bekam er natürlich noch richtiges Essen dazu. Aber er durfte immer, wenn er wollte, bis er anderthalb Jahre alt war, an der Brust trinken. Bessere Beruhigung gab es nicht. Als ich ihn dann entwöhnen wollte, konnte er sich schlecht davon trennen. Aber irgendwann hat es geklappt … mit Geduld und ein bisschen List.

Einmal, als er zwei Jahre alt war, hatte er starken Durchfall und Erbrechen. Er behielt nichts bei sich und wurde einen Tag nach Beginn immer schwächer, fast schon apathisch. Ich rief die Kinderärztin an, die uns aufforderte, sofort zu ihr zu kommen. Das waren die Zeiten, wo ich froh war, dass mein Mann ein Auto hatte und uns hinfahren konnte. Die Ärztin stellte fest, dass mein Sohn schon dehydriert war und bestellte einen Krankenwagen, der uns mit Blaulicht in das Krankenhaus im Nachbarort fuhr. ER war dann 10 Tage dort … ich blieb die ganze Zeit bei ihm und war froh, dass er hier gut versorgt wurde.


Kurz vor seinem vierten Geburtstag passierte es, dass er plötzlich schwach und hinfällig wurde. Da es schon in der Familie Fälle von Diabetes im Kindesalter gab, machten wir einen Test, den wir aus der Apotheke holten. Der zeigte dann an, dass es hier wohl tatsächlich auch um Diabetes ging. Den Test machten wir am späten Nachmittag. Darum dachte ich dann, dass wir am nächsten Morgen zur Ärztin gehen sollten. Aber mein Mann erzählte es seiner Schwester, die auch ein Kind mit Diabetes hat. Diese erzählte es der Ärztin, weil sie gerade ohnehin mit ihr telefonieren musste. Diese gab dann Anweisung, sofort zu ihr zu kommen. … und kamen so noch am späten Abend in die Arztpraxis. Und wieder war der Test bei der Ärztin an der Grenze, so dass sie uns aufforderte, mit ihm sofort ins Krankenhaus zu fahren. Zuvor brachten wir unsere Tochter zur Schwägerin, und fuhren dann ins Krankenhaus … wo wir (mein Sohn und ich) dann zwei Wochen blieben, damit ich die Spritztechniken lerne und anwenden konnte.


Zu diesem Zeitpunkt war ich erneut schwanger – im vierten Monat. Fünf Monate später kam dann unser drittes Kind auf die Welt – unser zweiter Sohn.

Dieses Kind wurde dann von Anfang an in die Familie integriert. Er wurde auch gestillt. Bekam aber auch ab und zu Flaschennahrung gefüttert. So war er und ich nicht mehr so abhängig voneinander. Die Art zu stillen habe ich aber genauso gehandhabt, wie bei dem vorigen Kind. Wenn wir miteinander unterwegs waren, kam er in die Bauchtrage und konnte trinken, wenn ihm danach war. So auch Nachts, wenn er neben mir im Bett war. Wir hatten eine längere Zeit ein riesiges Familienbett (mit Anbau), in dem letztendlich oft die ganze Familie miteinander übernachtet hat. Auch wenn so etwas oft verurteilt wird von anderen Müttern, mit unendlichen düsteren Vorhersagen, habe ich den Eindruck gewonnen, dass diese Art, miteinander als Familie zu leben, den Kindern gut getan hat…. oder ihnen wenigstens nicht geschadet hat.

Die beiden Brüder hingen, von Anfang an, sehr aneinander. Schon als Baby himmelte der Kleine den Großen an, wenn dieser redete. Das hat sich durch die ganzen Phasen ihres bisherigen Lebens nicht geändert. Sie wohnen wieder zusammen. Jeder hat seinen eigenen Beruf und eigene Freizeitaktivitäten. Aber sie machen auch vieles gemeinsam. 

Meine Kinder verstehe ich als das Beste, was mir geschehen konnte in meinem Leben,. Und ich bin dankbar, dass alle Drei erwachsen wurden und jeder seinen eigenen Weg gefunden hat. 


Dienstag, 21. Februar 2023

Erinnerungen 012 - Anfang Ehe bis Geburt des 1. Kindes

 Am Anfang meiner Zeit in diesem neuen Ort fühlte ich mich oft alleine. Vieles hatte sich, quasi über Nacht, geändert. Meine Freunde und meine Verwandtschaft wohnten weit weg. Und die Gruppe für junge Erwachsene war von da an auch tabu – denn jetzt waren wir ein Ehepaar. Es gab eine ganze Menge Verwandtschaft meines Mannes dort. Davon kamen einige auch am Anfang mal rein um zu schauen, wie wir denn so wohnten. In der Gemeinde kam es mir so vor, je größer die Gemeinschaft gerade war, desto mehr alleine war ich. Ich erinnere mich noch an einen Sonntag, wo nach dem Gottesdienst noch ein Treffen aller Gemeindemitglieder in einem Raum war. Ich stand mit einer Kaffeetasse in der Hand, mitten drin im Gedränge. Links und rechts redeten die Leute miteinander … und ich stand mittendrin alleine da. Man sagte mir hinterher, dass ich einfach die Leute ansprechen müsste, wenn ich beachtet werden will. Das war aber nicht so mein Ding … zumindest damals noch nicht.


Nach etwa einem Jahr, als wir beide gerade auf einem Wochenend-Trip in Braunschweig waren, machte ich meinen ersten Schwangerschaftstest … der war positiv. In dem Moment änderte sich alles für mich. Ich träumte von der Zeit, wann das Baby da ist, und das war schön.


Partnerschaftsmäßig war es oft weniger schön. Meine rosa Brille ist ziemlich schnell verloren gegangen. Höhepunkt war ein Morgen, wo ich mit meiner Schwägerin telefonierte, und darüber aufgeklärt wurde, dass mein Mann mir über ganz viele wichtige Einzelheiten seines Lebens einfach Dinge vorgelogen hatte. Schon zuvor hatte ich erkannt, dass er es mit der Wahrheit nicht so genau nahm. Aber an dem Morgen stürzte mein gesamtes Kartenhaus zusammen. Ich habe mich echt gefragt, wen ich da geheiratet habe. Und natürlich kamen auch Gedanken über Trennung bei mir auf. Aber ich dachte, ich müsse da jetzt durch, weil man sich als Christ nicht scheiden lassen darf. Und außerdem wusste ich nicht wirklich, was ich denn machen sollte, wenn ich wieder alleine wäre. Ich müsste wieder etwas ganz Neues anfangen. Bei christlichen Missionsgesellschaften würde ich als Geschiedene sicher auch nicht mehr angestellt. Also – alles, was ich zuvor gehabt habe, habe ich mit der Eheschließung aufgegeben.


Also blieb ich dabei. Stellte ihn zwar zur Rede. Aber inzwischen hatte ich ohnehin schon die Erfahrung gemacht, dass ich mit ihm nicht wirklich reden konnte. Entweder redeten wir aneinander vorbei. Oder er nahm ein Stichwort auf, und gab damit dem Gespräch eine ganz andere Richtung. Ich habe sehr sehr lange gebraucht, bis ich in Etwa herausgefunden hatte, wie es dazu kam, dass am Ende ich immer die Böse war, die etwas von ihm fordert … obwohl es meistens umgekehrt war. Außerdem konnte er ganz unauffällig von null auf hundert ausrasten – ohne dass ich merkte, wie es dazu gekommen war.


Eine sehr eindrückliche Erinnerung gilt einem ganz normalen Abend. Er saß im Wohnzimmer vor dem Fernseher, und ich war in der Küche und räumte alles wieder auf, nach dem Abendessen. Ich hatte dazu eine CD in den Player eingelegt, mit christlichen Liedern. Zwischendurch ging ich dann mal zu ihm ins Wohnzimmer, weil ich etwas fragen oder sagen wollte … und ganz unerwartet kam sofort ein aggressiver Ausraster von ihm. Er brüllte mal wieder los, ohne dass ich wusste, warum. 

Weinend ging ich dann wieder in die Küche und betete: Herr, ich weiß nicht, wie lange ich das noch so aushalte. Hilf mir doch bitte und zeige mir, was ich tun soll.


In der Küche hörte ich dann, dass der CD_Player gerade ein neues Lied abspielte.
Der Text (von Peter Strauch) lautete: (1.Strophe)

„Ich lasse dich nicht fallen, ich verlasse dich nicht,
sei mutig, sei mutig und stark.
Bläst dir der Wind entgegen, und schlägt dir ins Gesicht,
sei mutig, sei mutig und stark.
Der Gott der dich geschaffen hat und dir das Leben gab 
der kennt dich gut und gibt dir Mut, an jedem neuen Tag.
Er fängt dich auf, wenn du versagst, du fällst in seine Hand.
Sei mutig, sei mutig und stark.“


Wie eine Verdurstende, hörte ich mir die weiteren Strophen des Liedes andächtig an, meine Tränen liefen nur so …. und ich fühlte mich plötzlich eingehüllt und umarmt…. Und gestärkt.


Ich war 33 Jahre alt, als mein erstes Kind, eine Tochter geboren wurde – und fühlte mich reich beschenkt.

An die erste halbe Stunde nach der Geburt erinnere ich mich noch sehr gut. Man hatte mir meine Tochter in die Arme gelegt und mich für eine Weile alleine mit ihr gelassen, weil es noch irgendwo anders einen Notfall gab. Ich schaute staunend auf das winzige Lebewesen in meinem Arm. Sie hatte die Augen auf, war ganz still, und schaute mich ganz lange einfach nur an. So als wenn sie genauso staunen würde wie ich.


Als meine Tochter drei Monate alt war, brauchte sie eine kleine OP, welche in einer Kinderklinik in Hamburg durchgeführt werden sollte. Dafür sollte sie ungefähr drei Tage dort bleiben. Wir fuhren mit dem Auto dorthin und natürlich blieb ich bei ihr. Am nächsten Tag wurde sie dann zur OP abgeholt, und ich gönnte mir erst einmal ein Frühstück. Danach ging ich wieder zur Station, aber sie war noch nicht fertig. Und mir wurde gesagt, ich könne noch ein bisschen spazieren gehen. 

Als ich dann wieder zur Station kam, war sie immer noch nicht da. Und das schien auch nicht so normal zu sein, wie ich der Reaktion der Krankenschwester entnahm. 

Ich fing an, mir Sorgen zu machen. Ging nochmal raus und betete ununterbrochen: „Bitte Herr, erhalte mir mein Kind … nimm es mir bitte nicht wieder weg“. Die OP sollte eigentlich nur eine viertel Stunde dauern, und danach noch einige Zeit im Aufwachraum. 

Es dauerte etwa zwei Stunden, bis sich endlich der Arzt meldete. Die Krankenschwester kam mit ihm zu mir und sagte zu dem Arzt: „das können sie der Mutter jetzt mal selbst sagen“. Er erklärte dann, dass die OP ganz normal gelaufen war, aber meine Tochter nicht mehr selbstständig geatmet hat danach. Sie mussten sie eine längere Zeit beatmen, bis alles wieder in Ordnung war. Aber jetzt sei alles wieder okay. Wahrscheinlich wäre sie gegen das Narkosemittel allergisch. 

Das war eine riesige Erleichterung, als ich meine Tochter endlich wieder in die Arme nehmen konnte.


Sonntag, 19. Februar 2023

Erinnerungen 011 - Beginn der Ehe

 

Mein neuer Briefkontakt wohnte im Hamburger Umland...also etwa 500 km entfernt von meinem Wohnort. Da er ein Auto hatte, kam er erst einmal ein Wochenende zu mir. Es schien so, dass wir uns verstehen, darum kam er noch ein paarmal zu mir, und wir beschlossen, es miteinander zu versuchen…

Als ich zwischendurch mal den Eindruck hatte, dass er es mit dem Glauben nicht so genau nahm, wollte ich mich von ihm wieder trennen. Dann rief aber seine Schwester bei mir an (ich kannte sie bis dahin noch nicht) und sagte, dass er weinend zu ihr gekommen wäre, um ihr von der Trennung zu erzählen. Nach einem Gespräch mit ihr, über eine halbe Stunde, beschloss ich dann aber, uns noch eine Chance zu geben.


Zunächst schien es, dass er nicht wollte, dass ich ihn besuche. Als wir uns dann aber an meinem 30. Geburtstag verloben wollten, feierten wir die Verlobung erst mit meiner Familie in NRW, und dann fuhren wir zu seiner Familie, um mich auch dort vorzustellen.


Von da an trafen wir uns in einem Rhythmus von zwei Wochen, immer an den Wochenenden. Ein Wochenende kam er zu mir, das nächste fuhr ich (mit dem Zug) zu ihm. Zwischendurch schrieben wir Briefe und telefonierten miteinander. Neun Monate später heirateten wir dann in meiner Heimatgemeinde in NRW.


Bei meinen Besuchen bei ihm merkte ich, dass das Verhältnis von Sohn und Mutter nicht besonders gut war. Sie schrien sich manchmal an, dass es mir Angst und bange wurde. Ich sagte ihm deshalb, dass ich auf keinen Fall bei ihr einziehen würde. Er wohnte bis dahin im Obergeschoss des Hauses, und zunächst war angedacht, dass wir erst einmal zusammen dort einziehen würden.

Fast hätte ich dann aber, etwa einen Monat vor der Hochzeit, doch wieder Schluss gemacht. Als er mir dann erzählte, dass er mit seiner Schwester und mit der Mutter Möbel eingekauft hätten für die ganze Wohnung, in einem anderen Haus, das der Familie gehörte, in die wir beziehen wollten. Eigentlich hatten wir vorher abgemacht, dass wir einfach klein anfangen … und uns unsere Möbel dann nach und nach anschaffen. Natürlich war ich enttäuscht, dass ich jetzt vor vollendete Tatsachen gestellt wurde. Klar, wir bekamen die Möbel von der Mutter geschenkt. Aber ich hätte schon auch gerne mit entschieden, womit unsere gemeinsame Wohnung möbliert wird. Aber da die Hochzeit schon fest gelegt war und auch die Einladungen schon raus waren, habe ich mich einfach den Gegebenheiten gefügt.


Für unsere „Hochzeitsreise“ hatte ich mein Konto für „vermögenswirksame Leistungen“ aufgelöst. Mit dem Geld konnten wir dann zwei Wochen in den Schwarzwald (Bad Säckingen) fahren. Dort haben wir dann einige Städte besucht – auch den alten Erinnerungsort: Lörrach.


Weil in dem Wohnhaus, das damals noch meiner Schwiegermutter gehörte, noch etwas gearbeitet werden musste, wohnten wir dann noch zwei Wochen im Gästezimmer bei meiner Schwiegermutter. … bis wir dann offiziell in unsere Wohnung einzogen und von nun an dort wohnten...



Freitag, 17. Februar 2023

Erinnerungen 010 - EBM

 
Bevor ich nach Bad Homburg umgezogen bin, musste ich erst einmal eine kleine Wohnung dort finden. Mein neuer Arbeitgeber schlug vor, dass ich auf seine Kosten erst einmal in eine Pension ziehe, bis ich etwas Passendes gefunden habe. In der Pension war ich nur ein paar Tage. Ein Mitarbeiter hat eine Anzeige in der Zeitung geschaltet. Es kam ein Angebot von einem Zimmer im zweiten Stock, möbliert und mit Waschbecken. Toilette wäre in der Nachbarwohnung. Das war mein erstes eigenes Reich ohne Mitbewohner.



Zunächst war das Büro im Stadtzentrum. Aber ein halbes Jahr später zogen wir um, in ein ganz neues Bürohaus, am anderen Ende der Stadt. Von meiner Wohnung konnte ich mit dem Bus fahren, der etwa 300 m weiter abfuhr und ca. 500 m vom Büro entfernt Endstation hatte. Der Bus fuhr aber relativ lange, erst durch die Stadt. Darum bin ich manchmal auch den ganzen Weg zu Fuß gelaufen, wofür ich fast eine Stunde brauchte. Damals machte es mir nichts aus, weit zu laufen. Das war ich von zu Hause gewohnt, da wir kein Auto in der Familie hatten.


Etwa ein halbes Jahr später zog eine meiner jüngeren Schwestern auch nach Bad Homburg, weil sie eine Ausbildung in dem Krankenhaus begonnen hat, das direkt gegenüber von meiner Wohnung lag. Dort wohnte sie im Schwesternwohnheim und kam mich öfter auch besuchen. Das war zwar nicht immer einfach, weil sie schwierig war und oft auch aggressiv agiert und reagiert hat. Aber es war eben Familie, und ich war nicht wirklich alleine mehr dort.


In dem Zimmer habe ich fast zwei Jahre gewohnt. Dann bin ich umgezogen in eine kleine Dachgeschoss-Wohnung eines Hauses, in dem noch ein Stock tiefer Studenten wohnten. Die Wohnung lag auch wieder an einem ganz anderen Ende der Stadt – von der vorigen Wohnung aus gesehen, aber auch vom Büro aus. Zwischen dem Büro und der neuen Wohnung lag ein Wald, durch den ein Weg direkt zum Büro führte. Mit dem Fahrrad war ich dann nur eine halbe Stunde unterwegs. Mit dem Bus brauchte ich länger. Darum bin ich öfter mit dem Fahrrad gefahren. Dann kam ich zwar meistens verschwitzt im Büro an. Aber das hat mich nicht gestört.


Meine Schwester hatte inzwischen ihre Ausbildung wieder abgebrochen und hatte geheiratet und wohnte mit ihrem Mann in Frankfurt. Aber etwa ein halbes Jahr, nachdem ich in meine neue Wohnung gezogen war, zog die jüngste Schwester mit zu mir in diese Wohnung. Sie hatte ihre Ausbildung – auch als Krankenschwester – in Düsseldorf unterbrochen … und konnte diese nun in Frankfurt fortsetzen. Weil sie erst kurz zuvor einen Führerschein gemacht hat, und ein Auto besaß, konnten wir damit auch öfter mal zusammen irgendwo hin fahren. So hatten wir beide etwas davon… sie konnte bei mir wohnen und ich konnte mit ihrem Auto mitfahren wo ich ohne Auto nicht so leicht hin käme.


Die neue Wohnung war auch nahe bei einer U-Bahn-Station, in Richtung Frankfurt. Bei einer Fahrt nach Frankfurt hatte ich dann entdeckt, dass auf der Strecke eine Haltestelle war, die sich direkt gegenüber einer Baptistengemeinde befand – in Frankfurt-Eschersheim. Ich beschloss, einfach mal dort reinzuschauen - und es gefiel mir auf Anhieb … viel besser, als die Gemeinde in Bad Homburg. So hatte ich dann ohnehin schon die Gemeinde gewechselt, und meine Schwester ist mit mir dorthin gekommen. Und weil sie eben ein Auto hatte, konnten wir auch die Jugend– und Jungen-Erwachsenen-Gruppe in Ffm-Höchst besuchen. Die beiden Gemeinden gehörten irgendwie zusammen.


Nicht viel später meldete dann unser Vermieter Eigenbedarf an, und wir mussten eine neue Wohnung suchen. Die fanden wir dann in Oberursel. Die Straße, in der wir wohnten, hieß: „Im Rosengärtchen“. Nicht weit davon war eine riesige amerikanische Militäranlage. Und nur ein paar hundert Meter in die andere Richtung lag ein unendlicher Wald .. der Taunus.


Ich hatte Glück – auch hier gab es, einen fünf Minuten Fußweg entfernt von der Wohnung, eine U-Bahn-Station. Damit konnte ich zum Bahnhof fahren, von dort aus nach Bad Homburg zum Bahnhof und dann mit dem Bus ins Büro…. ein Arbeitsweg von etwa einer Stunde. Alternativ konnte ich aber auch mit der Bahn eine Station weiterfahren, und eine halbe Stunde durch die Felder zum Büro laufen. Die Zeit war die gleiche. Ich habe öfter den Weg durch die Felder genommen, weil er mir besser gefiel, als die ganze Zeit im Bus oder Bahn zu sitzen.


Meine Schwester, die mit mir zusammenwohnte hat ab und zu angemerkt, dass sie nicht immer mit mir zusammen wohnen wolle. Im Blick auf das Ende ihrer Ausbildung kam die Frage auf, wie es danach weiter gehen sollte. Das hieße, dass ich vielleicht in absehbarer Zeit wieder alleine wäre.
Außerdem dachte ich daran, dass ich nun bald dreißig Jahre alt werde, und immer noch Single war. Zwischendurch hatte ich ab und zu schon mal auf Anzeigen in einem christlichen Magazin „Neues Leben“ geantwortet, unter der Rubrik: „Briefkontakte“. Aber irgendwie kam es nie zu viel mehr, als Briefe schreiben.
In einer Bibelstunde kam dann mal das Thema zu der Geschichte von Jakob, dessen Diener ihm seine Frau „Rebekka“ suchte. Jemand sagte: es ist egal, auf welche Weise man den Partner sucht. Wichtig ist nur, dass man ihn mit Gott zusammen sucht, nach seinem Willen fragt (so ähnlich). Und dann beschloss ich, einfach mal selbst eine Anzeige aufzugeben, so als letzten Versuch auf diese Weise. Ich bekam 21 Antworten darauf.


Manche Antworten habe ich gleich aussortiert. Aber ein paar habe ich dann doch auch beantwortet. Einer davon meldete sich am schnellsten. Seine Briefe klangen ganz gut, und ich schrieb ihm zurück – schickte ein Foto von mir und er schickte ein Foto von sich. Später kamen dann noch ein paar andere Antworten von Männern, die auch ganz passabel klangen, so dass ich zurück schrieb. Aber dann wurde es mir doch zu viel, da nach und nach die „Anwärter“ abzuklappern. Zwischen dem Ersten waren nun schon ein paar Briefe hin und her gereist. Und so beschloss ich, alle anderen abzusagen und mich auf diesen Einen zu konzentrieren.....


Donnerstag, 16. Februar 2023

Erinnerungen 009 - DMG

 In Sinsheim auf dem Buchenauerhof, bei der DMG, wohnte ich letztendlich nur vier Monate. Ich kannte den Ort ja schon von zwei Praktikums-Einsätzen (jeweils zwei Monate) die von der Bibelschule ausgingen. Die Praktika's habe ich im Büro gemacht. Als Kandidatin musste ich „überall“ im Haus mitarbeiten, wo ich gebraucht wurde.


Das war für mich eigentlich auch kein Problem. Ich habe schon oft geputzt und sonstige Hausarbeiten verrichtet. Zu Hause mussten wir auch überall mit anpacken und waren arbeiten gewohnt. Aber eines Tages, als ich gerade dabei war, den Flur vor dem Büro zu wischen, kam die „Hausmutter“ vorbei, und sagte (mitleidig klingend) so was ähnliches wie: „mach dir nichts draus, da mussten wir alle mal durch“…

… und plötzlich schien es mir, als wenn meine Arbeit eine negative Last sein musste. Alles war anders als vorher. Es ist erschreckend, wie solche Bewertungen einem plötzlich die Freude an manchem Tun nehmen kann. Für mich war, von diesem Zeitpunkt an, Putzen eine Arbeit, die negativ empfunden wurde.


Ansonsten bekam ich wieder meine Spezialaufgabe: Kinderstunden geben. Da die meisten Kinder Missionarskinder in Heimaturlaub oder in der Vorbereitung waren, waren sie die Art von Kinderstunden (Lieder singen und Bibelgeschichten hören) gewohnt. Man konnte mit denen richtig etwas anfangen. Wir haben sogar bei einer Aussendungsfeier ein paar Lieder zweistimmig gesungen, so dass die Leute begeistert waren, dass wir so etwas in kurzer Zeit geschafft hatten, einzuzüben. Dreimal musste ich auch für ein paar Tage „Ersatzmutter“ für Missionarskinder „spielen“, während die Eltern zu Missionsvorträgen in Gemeinden unterwegs waren.


So hatte sich auch hier festgesetzt, dass ich unbedingt mit Kindern arbeiten müsse. Irgendwann kam die Frage auf, dass ich vielleicht in einem Kindergarten oder Kinderheim in Spanien arbeiten könne, wo gerade jemand zur Unterstützung gesucht wurde. In Japan hatte die DMG zu dem Zeitpunkt noch keine Missionare. Wenn ich mich also auf Japan festlegen wollte, müsste ich möglicherweise eine andere Missionsgesellschaft suchen … die evtl. dann auch mit der DMG zusammen arbeiten würde.


Das alles hat mich in dem Moment ziemlich verunsichert. Vor allem aber auch, dass ich allein war. Man versuchte zwar, alleinstehende Frauen zu zweit auf‘s „Missionsfeld“ zu schicken. Aber manchmal wurde man auch nur einer Familie zugeordnet, mit denen zusammen zu arbeiten. Single‘s als Missionar bedeutete, die ganze Vorbereitung (Sprache lernen, Unterstützer suchen mit Missionsvorträgen, Vorbereitungskurse...etc) alleine in Angriff zu nehmen und Entscheidungen zu treffen. Nachdem ich eine Weile drüber nachgedacht habe, beschloss ich, einen Versuch zu machen, irgendetwas mit Mission in Deutschland zu machen … vielleicht wieder im Büro. Ich schrieb einen Brief an den Pastor in der Baptistengemeinde meines Heimatortes. Ihn fragte ich, ob er irgendeinen Tipp hätte, wo ich in Deutschland in einem Missionsbüro arbeiten könne.


Und so fand ich einen Job als Buchhalterin bei der Europäisch-Baptistischen-Mission „EBM“. Das Büro dieser Mission ist im Bürohaus des Bundes Evangelisch-freikirchlicher-Gemeinden „BefG“ in Bad Homburg vdH … nahe bei Frankfurt. 

Bei der DMG war ich also, einschl. Praktikumszeiten, insgesamt ungefähr acht Monate Mitarbeiterin.


Erinnerungen 008 - GAP und Heidkate

 

Garmisch-Partenkirchen, am Fuß der „Zugspitze“ war mein nächster Wohnort. Dort gab es ein 300 Jahre altes Haus in der Zugspitzstraße, das der DIM gehörte. Das Ziel der Standorte der DIM war Gemeindegründung. So gab es in GAP eine Teestube, in der man sich in verschiedenen Gruppen traf, und im ersten Stock ein paar Schlafzimmer und eine Küche, für Freizeiten, die ab und zu dort stattfanden.


Am häufigsten waren Seniorentreffen. Die trafen sich zu Kaffee und Kuchen, und einer Andacht. Es gab eine Kartei über Besucher, die irgendwann mal dort waren. Und ich hatte u.a. die Aufgabe, Leute zu besuchen, die schon länger nicht zu den Treffen gekommen sind. Die ersten Male ging ich mit meiner Schwester zusammen, später alleine. Ich sollte einerseits missionieren – und gleichzeitig zu den Treffen einladen. Lief bei mir erst etwas holprig und schwierig. Aber dann gefiel es mir sogar, weil ich „den Bogen raus hatte“, wie man den Einstieg formulieren kann, um ins Gespräch zu kommen. Es gab auch ein paar Leute, die weiter weg wohnten, aber schon bei den Treffen dabei waren – die wir dann mit dem Auto meiner Schwester gemeinsam besuchten.


Ansonsten gab es einiges im Haushalt zu tun: Kuchen backen für die Senioren-Nachmittage und Snacks und Tee für die Teestuben-Abende, mit der jüngeren Generation. Außerdem auch Vorbereitung und Aufräumen für die Freizeiten und sonstige Gäste, die über Nacht blieben. Es kamen auch gerne mal ein paar Leute über das Wochenende, zB aus Siegen, dem Sitz der DIM – wo meine Schwester am Anfang auch stationiert war.

Alles in Allem war es eine interessante Zeit, die etwas lockerer lief, weil alle Beteiligten eher locker drauf waren.


Zu Ostern gab es dann ein Mitarbeiter-Treffen am Schönberger Strand, wohin ich dann mitgenommen wurde, zu meinem nächsten Einsatz.

Der war dann überwiegend in der Küche und bei der Hausarbeit und Bedienung für die Gäste. Es gab dort noch ein paar andere Mädels, die etwas jünger als ich waren, und so etwas wie ein „Soziales Jahr“ machten … oder wie es hier genannt wurde: „Ein Jahr für Gott“. Wir wohnten die meiste Zeit zu viert in einem kleinen Raum, mit zwei Doppelstock-Betten. Es gab in diesem Gästehaus aber ohnehin nur Mehr-Personen-Zimmer, weil meistens nur kleinere Gruppen dort Freizeiten veranstalteten.


Meine Aufgaben als Praktikantin für Mission waren dann auch etwas erweitert, gegenüber denen, die ein soziales Jahr machten. Mir wurden die Kinderstunden zugeordnet, und bescheinigt, dass ich es „gut“ mache. Der Pastor einer Familienfreizeit behauptete, er würde noch nicht einmal seine Konfirmanden dazu bewegen, so viele (Lied-)Texte auswendig zu lernen, wie ich es mit den Kindern machte.


Es gibt etliche Eindrücke aus dieser Zeit, an die ich mich heute noch erinnere. Besonders aber auch, dass es einen Koch dort in der Küche gab, in den ich mich verguckt hatte. Und so wie es schien, auch er in mich. Wir haben aber ständig miteinander nur „durch die Blume“ miteinander geblödelt, nie Klartext geredet. Dabei schien es allen, die mit uns dort arbeiteten, so klar, dass sie sich öfter mal einmischten, uns versuchten zu provozieren, dass wir doch mal „Nägel mit Köpfen“ machen sollten. Aber am Ende der Zeit ging ich wieder – und es blieben schöne Erinnerungen.


Einmal hat eine Familienfreizeit-Gruppe uns alle zu einer Tagestour nach Helgoland eingeladen. Das war noch zu einer Zeit, als es direkt nach Helgoland keinen Anleger gab. Unser Schiff warf den Anker ein paar hundert Meter vor der Insel, und wir wurden in Motorboote verfrachtet, die uns dann an Land fuhren. Das war ein Tag, an dem ziemlich hoher Seegang war, auf der Hinfahrt. Die meisten Passagiere waren seekrank und hingen spuckend (kotzend) über der Reeling. Ich habe die ganze Zeit drauf gewartet, dass es mir auch schlecht geht – aber ich habe gar nichts gespürt … war also seefest.

Einmal sind wir in der längeren Mittagspause mit dem Koch in seinem Schlauchboot ein wenig weiter raus auf die Ostsee gefahren. Ich konnte zwar schwimmen, aber fühlte mich in tiefem Wasser nicht so wirklich sicher. In der Mitte auf See alberten die anderen so toll herum, dass ich Angst hatte, ins Wasser zu fallen. Als es dann so doll wurde, bin ich dann einfach selbstständig über Bord gegangen, um zurück zum Strand zu schwimmen. Vom Ausgangspunkt kam es mir gar nicht so weit vor. Aber als ich dann unterwegs war, schien der Weg unendlich zu sein. Ich habe mir immer wieder selbst zugeredet, langsam und ruhig zu atmen und mich zu bewegen … und habe es dann tatsächlich geschafft… bin schnaufend in den Sand gefallen und mich erst einmal erholt. Aber danach habe ich solch eine Bootstour nicht wieder gemacht.


Meine letzten zwei Wochen dort wurde ich als „Aufsicht“ alleine mit den Mädels im leeren Gästehaus gelassen. Ich weiß nicht mehr, was genau wir in der Zeit gemacht haben. Ich habe jedenfalls für uns gekocht und ein bisschen organisiert. Eines Tages kam ein Mann an die Tür, der sagte, er käme aus der Nachbargemeinde und kennt die Mitarbeiter der Mission. Wir haben ihn reingelassen, weil er anfangs ganz manierlich zu sein schien. Aber im Laufe der Gespräche wurde er immer komischer, redete so, als wenn er Jesus sei, und steigerte sich so sehr, dass wir tatsächlich Angst bekamen. Wir haben dann einen Mitarbeiter angerufen und gefragt, was wir machen sollten. Der hat dann einen anderen Mann aus der Nachbargemeinde (Baptisten) dorthin bestellt, der diesen Mann kannte. Der sagte, dass dieser Mensch, als er ihn zuletzt getroffen hat, noch ganz normal gewesen sei. Jetzt schien er immer mehr auszuticken. Der Helfer ist dann über Nacht im Gästehaus geblieben, mit dem Randalierer, und hat am Morgen, als es so schlimm wurde, dass eine Scheibe dabei zu Bruch ging, dafür gesorgt, dass der Mann in die Psychiatrie abgeholt wurde.


Noch ein paar ruhige Tage folgten … und dann ging mein Weg erst einmal wieder zu meinen Eltern nach NRW … bis ich dann als „Missionskandidatin“ zunächst für eine Probezeit, nach Sinsheim (BUchenauerhof) zur Deutschen Missionsgemeinschaft „DMG“ umzog.


Mittwoch, 15. Februar 2023

Erinnerungen 007 - Bibelschule

 Zwei Jahre wohnte ich nun an einen wunderschönen Ort in der Schweiz, im Berner Oberland, auf ca. 1100 m Höhe, direkt über dem Thuner See – und gegenüber die Sicht auf die Berg-Geschwister: „Eiger, Mönch und Jungfrau“.


Ich hatte mich für die Bibelschule entschieden, in welcher zuvor meine Schwester war. Zwischendurch hatte ich sie dort auch mal besucht, und war fasziniert von der Aussicht, der Bergwelt. Wenn man „oben“ war, dann war „das da unten“ ganz weit weg, und schien überhaupt keinen Einfluss mehr zu haben. Die Stimmung dort oben war einzigartig.


Es war für mich auch sehr bereichernd, endlich mal etwas näher dran zu sein, an dem, was „Glauben“ eigentlich ausmacht. Es war einerseits schwierig für mich, in mein Gedankenchaos mal Struktur zu bringen und mich so auszudrücken, dass andere es auch nachvollziehen können. Überhaupt begriff ich nach und nach, warum ich an Gott/Jesus glaube, und wie man so manche Fragen beantworten kann.

….

Nach jedem Semester wurde eine Semesterarbeit geschrieben. Man konnte jeweils zwischen drei Themen wählen. Ich erinnere mich an eine Arbeit, wo ich das Thema sehr interessant fand und gleich drauf los schrieb. Dann aber mich so verzettelt hatte, dass ich selbst den Überblick verlor. Wir durften aber auch eine Lehrerin ansprechen, wenn wir Probleme hatten. Ich ging zu hier – fing bei dem Gespräch an zu weinen – so dass sie erst einmal mit mir betete und dann ruhig zuhörte. Dann erklärte sie mir Strukturen: Einleitung – Hauptteil – Abschluss. Und sie machte mir klar, dass ich aus vielen kleinen Botschaften nur drei markante auswählen sollte. Sie gab mir sogar Tipps, welche ich für dieses Thema wählen könnte und wie ich es am Ende zusammen bringen könnte. Danach war es dann plötzlich ganz leicht. Ich schrieb und schrieb – und war noch innerhalb der vorgegebenen Zeit fertig. Ich hatte wesentliche Bestandteile gelernt, um Struktur in einen Bericht zu geben. Und seitdem hat es mir Spaß gemacht, zu schreiben und erzählen.

….

Einmal, als ich (wieder einmal) zweifelte, ob ich am richtigen Platz sei, las ich „zufällig“ den Psalm 23. Und mein Blick blieb am Vers 3 hängen:

„Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.“


In dem Moment wurde es mir klar, worum es wirklich geht: Gott führt NICHT, weil ich richtig bin oder alles so gut hinkriege … sondern „um Seines Namens willen“….


Gott WILL, dass ich den Weg mit IHM gehe – und wenn ich das auch will, dann führt er mich auch – weil ER es will.

….

Die Bibelschule war zu dem Zeitpunkt sehr missionarisch ausgerichtet. Die meisten Absolventen empfanden während der Lehrzeit einen „Ruf“ in ein bestimmtes Land oder eine bestimmte Aufgabe. Dafür durften wir uns auch ziemlich häufig Missionsvorträge von Ehemaligen der Bibelschule anschauen.

Ich habe auch lange auf solch einen „Ruf“ gewartet. Da aber meistens Leute für den Gesundheitsbereich gesucht wurden, und das absolut nichts für mich wäre, gab es lange nichts Passendes für mich. Aber eines Tages kam es dazu, als ich während einem Praktikum bei einer großen Missionsgesellschaft innerhalb einer Missionskonferenz einen Japaner hörte: "wir brauchen keine Krankenschwestern, keine Ärzte, sondern nur Menschen, die für Jesus brennen" (so ähnlich). Da dachte ich: das ist es!


Seitdem verstand ich meinen Ruf für Japan. Ich versuchte auch, zu Missionaren in Japan Kontakt zu bekommen. Fragte auch einen Japaner in der Bibelschule, ob er mir schon ein bisschen Japanisch beibringen könnte, was er dann auch tat. Und zum Ende der Lehrzeit fragte ich die Missionsgesellschaft, bei der ich inzwischen schon zweimal Praktikum (im Büro) machte, was ich denn dazu brauche, um von ihnen als Missionarin aufgenommen zu werden. Dort wurde mir dann gesagt, dass ich dafür zunächst ein einjähriges „Gemeindepraktikum“ benötigte.

Und wieder einmal war für mich meine Schwester ein passender „Vorläufer“. Sie arbeitete inzwischen bei der der Deutschen Inlandsmission „DIM“., schon im dritten Ort. Und bei der Nachfrage bei meiner Missionsgesellschaft wurde mir bestätigt, dass ich mein Praktikum auch bei der DIM machen könne.


So war mein nächster Wohnort „Garmisch-Partenkirchen“, wo im Moment auch meine Schwester stationiert war. Dort sollte ich ein halbes Jahr bleiben, um dann im April bis Ende August zum „Schönberger Strand“ überzuwechseln, um dort in einem Gästehaus mitzuarbeiten.

Erinnerungen 006 - LÖ, ME bis Schweiz

 

Wieder im Elternhaus angekommen, fühlte ich mich erst einmal wie im Niemandsland … daheim und doch nicht zu Hause.


Es war alles anders als früher. Dazu hatte auch eine Differenz zwischen meiner Mutter und mir beigetragen, das irgendwann in der Zeit in Lörrach begann. Ich hatte, erfüllt mit all dem Neuen, was mir dort begegnete, ihr zu viele Bibelstellen gegen ihr Verhalten vorgehalten, und bin dann wieder früher wieder aus meinem Urlaub zu Hause zurück in mein neues Zuhause gefahren … was meine Mutter als Blamage empfand. Kurze Zeit darauf bekam ich einen Telefonanruf in der WG, wo sie mir einfach kurz mitteilte, dass sie die nächste Zeit erst einmal nichts mehr von mir hören und sehen wolle. Das wirkte in dem Moment für mich wie ein Blitzeinschlag – ich stand buchstäblich „neben mir“, das Telefon noch in der Hand. Eine Mitbewohnerin kam vorbei und fragte, was denn los sei ... ich wäre ganz blass geworden.


Die Zeit nach dem Anruf hat zunächst einmal bei mir Abwehr hervor gerufen, überhaupt mal wieder mit meiner Mutter zu reden. Nach einer Weile nachdenken darüber, meinte ich aber, dass ich als Kind wieder den ersten Schritt machen müsse, weil ich meine Eltern schließlich lieben und ehren muss. Es hat eine Weile inneren Kampf gekostet, bis ich wieder dort angerufen habe. Ich weiß gar nicht mehr, wie das erste Gespräch ablief. Aber soweit ich mich erinnere, tat meine Mutter, als wenn nichts gewesen wäre…. und ich dann eben auch. Unser Verhältnis war danach etwas hölzern, aber wir redeten wieder miteinander. Und als ich dann meinen Job bei der Mission gekündigt hatte, war halt das Nächstliegende, wieder „nach Hause“ zu gehen.


Zu der Zeit war auch eine Jobsuche noch ziemlich einfach. So bekam ich einen Job bei der Lebensmittelkette „Milchhof“ in der Marketingabteilung. Dort blieb ich nur drei Monate. Es war nicht das, wonach ich suchte. Mich drängte es wieder „raus“ aus dem Ort – frei und ungebunden von alten Bindungen.


Und weil das Nächstliegende durch meine Schwester vorgelebt wurde … habe ich mich dann ebenfalls an der Bibelschule angemeldet, die meine Schwester gerade abgeschlossen hatte. 

So zog ich mal wieder um … an einen wunderschönen Ort in der Schweiz, im Berner Oberland, auf ca. 1100 m Höhe, direkt über dem Thuner See – und gegenüber die Sicht auf die Berg-Geschwister: „Eiger, Mönch und Jungfrau“.

Dienstag, 14. Februar 2023

Erinnerungen 005 - Lörrach

 Meine Zeit in Lörrach war die einzige Zeit in meinem Leben, in der ich jeden Tag restlos glücklich war.  Ich war 20 Jahre alt und jeder Tag war für mich eine Einladung zu neuen Abenteuern. Die Leute in der Missionsgesellschaft (Kanadier)waren so fröhliche und lebensfrohe Menschen, dass ich nur gestaunt habe, nachdem ich Gläubige vorher immer eher mit düsterem Lebenszielen kannte. Die Ehepaare waren auch so liebevoll miteinander. Von zu Hause kannte ich eigentlich laufend Streit zwischen meinen Eltern, zwischen uns Kindern. Es schien so, als wenn es zwei verschiedene Welten wären.

Meine Aufgaben im Büro waren Kinderbibelkurse zu verschicken, korrigieren und belohnen. Ab und zu, als Vertretung auch Erwachsene-Bibelkurse - und am Empfang + Telefon um Anrufe und Besuche entgegenzunehmen und weiterzureichen.

Zur Missionsgesellschaft gehörte ein Wohnhaus mit zwei Etagen, in dem zwei Mädels-WG‘s waren. Ich wurde am Anfang zu einem Jugendclub in einer Gemeinde, die vom Theologischen Seminar St. Chrischona unterstützt wurde, in Riehen, dicht hinter der Schweizerischen Grenze.

Am Anfang war es etwas schwierig, das Schweizerdeutsch zu verstehen. Das heißt, ich habe anfangs gar nichts verstanden. Aber durch diese Jugendgruppe habe ich mich schnell reingehört. Nach einer Weile sollte ich sogar beim Teenieclub als Leitung mithelfen. Aber wahrscheinlich nur, weil man voraussetzte, dass ich das kann, wenn ich bei einer Missionsgesellschaft arbeite. Ich fühlte mich eigentlich überfordert. Habe aber ein paar Wochen mitgemacht und sogar eine Freizeit als Mitarbeiterin geleitet. Ich erinnere mich noch, dass ich es irgendwie seltsam fand, als ein paar Teenies mich als „Leiterin“ ansprachen.


Ich habe mich dann einfach entschieden, in Lörrach zu den Baptisten zu gehen, mit der Erklärung, dass ich eigentlich da Mitglied bin … überwiesen von der Gemeinde in meinem Heimatort. Die dortige Jugendgruppe war aber langweilig. Und als ich einen jungen Mann traf, der mich in eine Jugendgruppe vom blauen Kreuz einlud, fand ich dort einen Platz, wo ich dann blieb, solange ich dort wohnte. Der junge Mann und ich waren ungefähr 10 Jahre lang sehr gute Freunde.


Irgendwann war dann in Lörrach eine Evangelisation mit den „Christusträger“ – eine Bruderschaft aus Bensheim. Mein Freund fühlte sich von der Bruderschaft angesprochen und meinte, er sollte dieser Bruderschaft beitreten. Irgendwie hat mich das dann dazu bewegt, dass ich meinte, ich müsste auch der Schwesterschaft dieses Vereins beitreten. Dazu sollte ich dann ein kurzes Probewohnen bei den Schwestern machen, was bei mir dann aber eher auslöste, dass ich mich dort eingesperrt fühlte – und dann wieder Abstand davon nahm. Da ich aber schon bei der Missionsgesellschaft gekündigt hatte, blieb ich dann auch dabei – und zog vorerst für ein paar Wochen wieder in meinem Geburtsort zu meiner Familie zurück.


Zwei Jahre habe ich dort in Lörrach gewohnt. Und diese Zeit hat mein späteres Leben auch enorm geprägt. Zum Beispiel auch damit, dass ich viele Jahre in den verschiedensten Orten immer wieder gewünscht habe, mal wieder im Schwarzwald zu wohnen.

Erinnerungen 004 - 14-20 bis zum Auszug

Mit 14 Jahren habe ich, nach einem Volksschul-Abschluss, eine dreijährige Lehre als Industriekaufmann absolviert, bei den Gold-Zack-Werken in Mettmann. Angefangen habe ich noch ein halbes Jahr in Wuppertal-Vohwinkel, bis das neue Büro im Mettmann fertig gestellt war. 

Ich war damals noch ziemlich schüchtern, und habe mich kaum getraut, etwas in Eigenverantwortung zu tun oder gar mal zu widersprechen. Dementsprechend wurde ich auch manchmal geneckt oder auch mal verspottet. Ich machte meine Arbeit aber scheinbar ganz gut, und habe sie eigentlich auch geliebt. Sie gab mir auch ein stückweit Freiheiten, die ich in der Familie nicht hatte. Trotzdem war ich noch sehr auf "Gehorsam" getrimmt. Aber das war auch ein Zeichen der jeweiligen Zeit damals. 

Ich erinnere mich, dass meine Mutter nicht erlaubte, Perlonstrümpfe zu tragen, weil die nur für Erwachsene seien.  Und die Strumpfhosen, die ich tragen musste (wir durften ohnehin nur Kleider und Röcke tragen - keine Hosen), mussten braun sein. So kam dann aber eine Zeit, in der junge Frauen blickdichte schwarze Strumpfhosen trugen. Und weil mir das gut gefiel, habe ich mir erlaubt, eine solche Strumpfhose für mich zu kaufen. Als ich diese dann zu Hause zeigte, meinte meine Mutter sofort, dass das "verboten" aussieht (das war ihre Ausdrucksweise für alles, was sie nicht schön fand). Zunächst habe ich das so stehen gelassen. Aber meine Mutter ließ nicht locker, mich zu bearbeiten ... bis ich die schwarze Strumpfhose wieder zurück in den Laden brachte und stattdessen in eine braune umtauschte. 

Nach meiner Lehre blieb ich noch ein halbes Jahr in der Firma. Dann suchte ich etwas Neues, und fand eine neue Stelle in Düsseldorf bei "C&A" in der Lohnbuchhaltung. Das war dann aber so langweilig (ich bearbeitete hauptsächlich endlose Listen, indem ich die Haken hinter bestimmten Zahlen nochmal durchstrich, als Zeichen einer erneuten Kontrolle) dass ich in einem kleinen Bekleidungs-Kaufhaus in Mettmann den Chef (der zu der christlichen Gemeinde gehörte, zu der meine Eltern gehörten) anfragte, ob er in dem Kaufhaus noch eine Arbeitsstelle für mich hätte). Er schuf für mich eine Stelle in der Buchhaltung, die mir auch ganz gut gefiel. Besonders mochte ich auch, wenn ich im Laden aushelfen sollte - was relativ oft stattfand. Dann saß ich in der jeweiligen Abteilung an der Kasse, und musste die Einkäufe verpacken und abkassieren - am Abend jeweils die Kasse zählen. Die Erfahrung, dass fast immer meine Kasse auf den Penny stimmte, war für mich beflügelnd und scheinbar für die Leitung auch überzeugend, dass ich öfter aushelfen durfte. Zwei Jahre habe ich in diesem Kaufhaus gearbeitet.

Bis zu meinem 19. Lebensjahr gehörte meine Familie zu einer konservativen (freikirchlichen) Gemeinde mit strengen Grundregeln. Diese Regeln haben mich sehr geprägt. Besonders die Drohungen, wie Gott (angeblich) damit umgehen würde, wenn ich die festgeschriebenen Regeln dieser Gemeinde nicht einhalten würde. (Stichworte: „Hölle; Gericht“)


Ich hatte als Kind eine zerstörende Angst, den Vorgaben von Gott nicht zu genügen. Und wenn dann über einen „Abtrünnigen“ gesagt wurde, dass er „vom rechten Weg abgekommen“ sei, dann hatte ich sogar Angst davor, erwachsen zu werden, und mich falsch zu entscheiden. Denn als Kind war es für mich unverständlich, dass man bei solch einer „Bedrohung“, beim abweichen des richtigen Weges diesen Weg nicht einschlagen könnte.


Als wir dann als Familie geschlossen aus dieser Gemeinde austraten, hatte ich noch lange damit zu kämpfen, mich möglicherweise jetzt auf Abwegen zu befinden. Unsere neue Gemeinde waren dann die „Baptisten“ – oder „Evangelisch-Freikirchliche-Gemeinde“ = EFG.


Meine um anderthalb Jahre ältere Schwester war eine Kämpfernatur. Sie hatte die neue Gemeinde gefunden und für gut befunden. Ich bin eher immer „in ihrem Windschatten“ hinterher gelaufen. Sie sprach öfter mal darüber, was Gott ihr gezeigt oder gesagt habe, durch Bibellesen und Gebet. Für mich war das unverständlich. Ich kannte nur Regeln und wie man diese einhielt, damit man auf dem richtigen Weg sei.


Eines Tages verkündigte sie, dass Gott sie in eine Bibelschule schicken wolle. Sie ließ sich Prospekte von Bibelschulen schicken, und wählte eine in der Schweiz aus. Und dann war sie die erste, welche die Familie verließ, um ihren eigenen Weg zu gehen. Ich hatte von da an das Zimmer für mich alleine, in dem wir lange Zeit miteinander gewohnt hatten. Eine Zeitlang genoss ich das. Aber dann erschien mir mein Leben zu gleichförmig und ohne wirkliches Ziel. Darum betete ich eines Abends zu Gott … oder eigentlich eher immer zu Jesus. Denn lange Zeiten traute ich mich nicht, Gott direkt anzusprechen, der mir immer nur als gestrenger Richter vorgestellt wurde. Ich sagte zu ihm: ich würde gerne auch mal eine Wegweisung bekommen von dir. Wenn du wirklich auch mir zeigen kannst/willst, welchen Weg ich gehe, dann zeige es mir bitte so, dass ich es auch verstehe.


Ich weiß nicht mehr genau, wie lange es dauerte … vielleicht 3-4 Wochen. Jedenfalls bekam ich eines Tages einen Brief von einer Brieffreundin, die mir meine Mutter „besorgt“ hatte (ohne dass ich es wollte). Diese Brieffreundin arbeitete in einer Missionsgesellschaft im Südschwarzwald – unmittelbar an der Grenze zur Schweiz. Sie teilte mir mit, dass sie demnächst ihren Job (im Büro) verlassen würde, und es noch keine Nachfolgerin gäbe. Sie fragte, ob das vielleicht etwas für mich wäre.


Zunächst dachte ich: nein, dazu bin ich nicht fromm genug, weiß selbst viel zu wenig, warum ich glaub. Und schon gar nicht so, dass ich es weiter erzählen könnte. Denn das war mir von Anfang an klar – dass man in Missionsgesellschaften auch persönlich missionieren müsste.

Aber dann schlug es bei mir plötzlich wie ein Blitz ein: ich habe gebetet um einen Weg, den ich einschlagen kann. Dies ist die Antwort. Wenn ich das nicht tue, habe ich meine Chance vertan. Meine Gefühle schwappten über. Der Gedanke, dass der große unbegreifbare Gott für mich ganz persönlich einen Plan hat, überwältigte mich total. Und dabei wurde mir dann bewusst, dass auch meine Mängel von diesem Gott dann wohl ausgefüllt werden können. Denn wenn Gott mich selbst für diesen Job aussucht, dann wird er wohl auch die Möglichkeit sehen, dass ich es tun KANN. Die Wochen zwischen der Bewerbung, der Vorstellung und dem Umzug waren für mich wie auf Wolken. Aber festen Wolken. Denn ich dachte: wenn Gott will, dass ich noch diesen Umzug vornehme und diesen Job annehme, dann kann mir ja eigentlich in der Zwischenzeit gar nichts passieren. Ich fühlte mich fast unantastbar in jeder Beziehung. Und damit begann eine ganz neue Phase meines Lebens, unabhängig von der Familie.

Samstag, 11. Februar 2023

Erinnerungen 003 - 8-14

Meine Eltern bauten 1958/59 ein Haus – also eigentlich war es ein Doppelhaus, von dem die eine Hälfte dann meinen Eltern gehörte - in einer Siedlung, die besonders für finanziell schwache und kinderreiche Familien angelegt wurde, als ich 8 Jahre alt war und wir inzwischen 4 Kinder waren, die Jüngste gerade ein halbes Jahr alt.

Zur Zeit des Hausbaus und der Vorbereitung ging meine Mutter (gefühlt täglich) zu Fuß mit uns zur Baustelle, die am anderen Ende der Stadt lag - ungefähr 4 km hin und wieder zurück, um dort vieles noch vorzubereiten für die Einrichtung. Tapeziert hat dann mein Vater alles. Es gab einen Spirituskocher dort im Keller, eine Wasserpumpe auf dem Nachbargrundstück und Johannisbeersaft mit Wasser verdünnt zu trinken. Auf dem Kocher wurde zum Mittag dann Essen gekocht, und es war eine interessante Zeit, so zwischen den Häusern zu pendeln.

Zu dem Haus gehörte ein großer Garten und ein Hühnerstall. Ich erinnere mich noch, wie wir im (noch unbebauten) Garten spielten und einen Nachbarjungen auf dem Grundstück daneben trafen. Er hieß „Axel“ und machte sich bemerkbar, indem er einfach ab und zu ein quieken von sich gab. Keine Ahnung, warum er das machte. Jedenfalls haben wir ihn dann angesprochen und irgendwie auch zusammen gespielt.

Woran ich mich noch besonders erinnere ist, als wir eingezogen waren, hat die Ortszeitung kurz vor Weihnachten einen Artikel mit Foto über uns geschrieben, mit dem Titel "Schönstes Geschenk - unterm eigenen Dach". Auf dem Foto war die ganze Familie, um einen Tannenbaum, der gerade für die Feier aufgestellt wurde. Dieses Foto wurde uns in unserer (sehr gestrengen kirchliche) Gemeinde zum Verhängnis. Mein Vater wurde gerügt, dass wir solch einen (heidnischen) Brauch überhaupt mitmachen würden. Man bezog sich auf irgendeinen Bibeltext um einen "Baum ohne Wurzeln". Das war dann auch das letzte Weihnachten, an dem wir einen Weihnachtsbaum hatten. Aber meine Mutter hat auch das gut gelöst. Sie hat seitdem zu Weihnachten mehrere Tannenzweige in Vasen verteilt und geschmückt, so dass wir den Baum nicht unbedingt vermisst haben.

Bis zum Jahr 1961 kamen dann noch zwei Kinder dazu – wir waren dann sechs Geschwister. Die ersten Jahre in dem neuen Haus wurde der Garten gepflegt, Blumen und Gemüse gesät und gepflanzt und Hühner angeschafft. Der Federtier-Bestand wurde im Laufe der Jahre noch stark aufgefüllt. Mein Vater baute einen zusätzlichen Stall, und wir hatten Hühner, Enten, Gänse und Puten. Am Anfang hat eine Nachbarin die Tiere geschlachtet. Später hat es dann mein Vater selbst gemacht. Und noch später wurde das Ganze meiner Mutter zu viel – und wir hatten gar keine Viecher mehr.

Während dem Tiersegen haben wir auch manchmal Eier an Nachbarn weiter verkauft, für 20 Pfennig das Stück. Ansonsten gab es Eier die Fülle und an Feiertagen gab es für jeden ein großes Stück Fleisch zu essen.

Das Futter für die Tiere wurde von einem „Futtermann“ gekauft, der regelmäßig durch die Siedlung fuhr. Dort hat meine Mutter auch Weizenkörner gekauft für uns zum Abendessen. Daraus hat sie oft „Schrotsuppe“ gekocht. War nichts besonderes, aber wir mochten sie.

Auch andere Händler fuhren regelmäßig durch die Siedlung. Sie meldeten sich zum Teil mit einer Handglocke. Der „Milchmann“ kam anfangs jeden Tag. Wir waren regelmäßige Kunden bei ihm. Der Postbote, welcher die Briefe brachte, hat auf seinem Weg immer irgendeine Melodie gesungen, um sich anzukündigen. Er wurde von allen Anwohnern liebevoll „Sängerlein“ genannt.

In unserer Straße wohnten mehrere Kinder, mit denen wir auch gerne mal spielten. Besonders gerne sah meine Mutter das aber nicht. Sie fand, wir hätten genug mit unserer Familie zu tun, und brauchten nicht die anderen Kinder. Außerdem könnten die Kinder ja vielleicht auch einen schlechten Einfluss auf uns haben. Aber dadurch, dass wir auch in der Schule mit den meisten dieser Kinder zusammen waren, hatten wir auch einige Freunde in der Umgebung, die wir dann einfach „zufällig“ immer mal trafen.


Freitag, 10. Februar 2023

Erinnerungen 002 - Anfänge 0-8

 

In der Zeit bis zum Umzug in ein Haus in einer Siedlung, am anderen Ende der Stadt gibt es ein paar Erinnerungen in Spots … gute und weniger gute.

Es gab einen Hund in dem Wohnhaus – „Prinz“ hieß er. Eines Tages kam ich aus der Haustüre um in den Garten hinter dem Haus zu gehen, da standen wir beide uns plötzlich gegenüber. Ein paar Sekunden lang starrten wir uns beide unbeweglich in die Augen – und dann rannte ich...der Hund hinterher. Im Garten angekommen schloss ich zitternd das Gartentor … und war in Sicherheit. Von da an war klar: ich habe Angst vor Hunden. Heute habe ich keine Angst mehr, und habe auch später meiner Tochter einen Hund erlaubt. -

Wenn meine Mutter mit uns drei Kindern einkaufen ging, dann saß einer in Kinderwagen, und zwei liefen links und rechts – die Hände am Wagen. Es war immer ein langer Weg zur Stadt. Ich hatte regelmäßig Seitenstiche dabei. Man sagte uns, das käme vom falschen atmen. Aber ich fand nie heraus, wie man richtig atmet. Auf dem Weg gab es an einer Straßenkreuzung oft ein Zusammentreffen mit zwei Gänsen, die jedes Mal mit vorgestrecktem Kopf auf uns zukamen. Wir hatten Angst, klammerten uns an unsere Mutter. Die Mutter schob den Kinderwagen als Abwehrmaschine immer wieder zu den Gänsen, die aber nur zögernd zurück wichen. Danach waren wir alle geschafft, und gingen weiter. Meine Mutter war jedes Mal froh, wenn die Gänse nicht kamen. -

Manchmal, an Tagen, wo mein Vater Urlaub hatte, machten wir einen „Ausflug“ in den Wald. „Ausflug“ bedeutete (im Gegensatz zu „Spaziergang“), dass er morgens losging, und das Mittagessen mitgenommen wurde. Mittagessen war in dem Fall Kartoffelsalat, welcher in Einmachgläsern transportiert wurde. Es ging dann in „unserem“ Wald bis an eine Stelle wo eine Bank stand, und es einen Trampelpfad runter zu dem kleinen Bach führte. Meine Eltern setzten sich auf die Bank und wir Kinder spielten… irgendwas. Es war ein Stück Freiheit in der Natur, und wir haben es geliebt.

Einmal war meine Tante bei uns zu Besuch. Da haben meine Schwester und ich gespielt, ich wäre ein Hund und sie führte mich. Dazu hat sie eine dünne Schnur um meinen Hals gebunden, und war dabei, diese mit hundert Knoten festzuknoten, als ich sagte: „nicht so fest“…. was meine Mutter aufschreckte, die gerade am Tisch mit irgendetwas beschäftigt war. Sie sprang auf und schrie „Hilfe“. Aus dem Nebenzimmer kam meine Tante gesprungen – wühlte kurz in der Schublade im Schrank, holte eine kleine Schere heraus und schnitt damit meine „Leine“ – die Schnur an meinem Hals durch. Ich erinnere mich noch genau an die Szene. Uns wurde eingepaukt, dass wir nie wieder irgendetwas um den Hals binden dürften. Meine Mutter sagte hinterher, es wären schon ein paar Äderchen an meinem Hals geplatzt gewesen. Aber ich hab‘s überlebt. -

Zu Weihnachten (ich war so irgendwo zwischen 2 und vier Jahre alt) hatte meine Mutter ein „Lebkuchenhaus“ gebastelt. Eigentlich war es aus Pappe. Aber sie hat mit Zuckerguss ganz viele Schokotäfelchen und Sonstige kleine Süßigkeiten drauf geklebt. Jeden Tag durften wir (wenn wir lieb waren) ein kleines Teil davon wegnehmen. Eines Tages geschah es, dass ich im Kinderzimmer saß und die Puppe meiner Schwester fand. Sie hatte ein Loch im Kopf. Unbedarft, wie ich war, habe ich in das Loch eine Wäscheklammer gesteckt. Ein Loch lädt nunmal dazu ein, etwas hinein zu stecken. Kurze Zeit darauf fand meine Schwester die Puppe. Ich weiß nicht mehr genau, wie es dazu kam, dass man mich verdächtigte, das Loch in die Puppe gebohrt zu haben. Ich habe es abgewehrt – war aber zu dem Zeitpunkt wohl nicht fähig, zu sagen, wie genau es gewesen ist – dass das Loch drin war, als ich die Klammer hinein steckte. Meine Mutter war davon überzeugt, dass ich lüge – und ich wurde alleine ins Kinderzimmer gesperrt, mit der Aussicht, an diesem Tag keine Süßigkeit zu bekommen. Ich weiß nicht mehr wie oft – aber mindestens zwei- oder dreimal wurde ich neu befragt, und verneinte, dass ich es gewesen sei – denn man darf ja schließlich nicht lügen. Irgendwann bekam ich dann noch Schläge, auf den nackten Hintern. Ich erinnere mich noch, dass meine Mutter vor dem schlagen sagte: „wehe du schreist“ … und ich hielt mich die ersten Sekunden zurück, war still. Aber das machte meine Mutter scheinbar noch zorniger, sie schlug fester – dann habe ich doch geschrien…. damit sie aufhört. Das nächste Mal – da war es dann schon Abends – habe ich dann einfach gelogen – indem ich bekannte, dass ich es war, der die Puppe kaputt gemacht hat. Meine Mutter war zufrieden, betonte dabei aber immer wieder, dass ich doch viel eher die Wahrheit hätte sagen können. Ich durfte dann auch eine Süßigkeit vom Haus nehmen. 

Diese Geschichte hat sich in mein Gedächtnis hinein gebrannt. Ich habe immer dagegen gekämpft, wenn meine Mutter meinte, bei einem meiner Geschwister eine Lüge zu erkennen – wenn diese das nicht bestätigten. Hat nur nie viel genützt. Bei dem Thema war meine Mutter meistens fest von ihrer Unterscheidung von Lüge und Wahrheit überzeugt. Und diese Punkte waren etwas, was mir sehr schwer fiel, ihr zu verzeihen… es hat lange gebraucht.

Erinnerungen 001- die Anfänge bis 8 J.

 Wir wohnten die ersten 8 Jahre meines Lebens in einem Mehrfamilienhaus in NRW. Meine Eltern sind kurz vor meiner Geburt von Kiel nach NRW umgezogen, weil mein Vater dort eine Arbeitsstelle fand – mit einer Wohnung, die seinem neuen Arbeitgeber gehörte. Vermittelt wurde diese Arbeitsstelle durch Mitglieder der „christlichen Versammlung“, zu der meine Eltern von da an gehörten. Also war der Inhaber der Firma einer davon. Mein Vater ist dann bis zur Rente seinem Arbeitgeber treu geblieben, auch wenn wir später, als inzwischen vier Kinder zur Familie gehörten, in eine Siedlung am anderen Ende der Stadt umzogen.

Das Haus, in dem wir wohnten, hatte zwei Hauseingänge und insgesamt 8 Mietparteien. Alle Bewohner waren Mitarbeiter der gleichen Firma. 

Das Haus stand ganz am Rande der Stadt, nahe bei dem Wald, der zum „Neanderthal“ gehört. Zwischen dem Haus und dem Wald war nur ein (Korn-)Feld. Damals durfte man noch am Rand des Feldes laufen. Und so war der Wald und die Felder und Bauernhöfe drumherum sehr häufige Ziele unserer Spaziergänge. Für mich stehen deshalb noch heute Wälder und weite Felder für Entspannung und Frieden.

Wir lernten dort verschiedene Bäume an den Blättern zu erkennen. Bucheckern wurden gerne aufgehoben, von der Schale befreit und gegessen. So wie auch Brombeeren und Himbeeren. Die Pflanze „Wegerich“ wurde zum „Pflaster“, wenn man hingefallen ist. Dann spuckte mein Vater einfach auf das Blatt und „klebte“ es auf‘s Knie. Und wenn man das Blatt ganz vorsichtig vom Boden abzog, konnte man „Musik“ machen ... also, nur symbolisch, weil die Fäden, die dann zu sehen waren, an Geige oder Gitarre erinnerten.

Wenn wir dann eher in Richtung der Felder gingen, kamen wir an verschiedenen Höfen vorbei. Oft wurden dann gerade die Tiere gefüttert. Wir durften meistens von der Stalltüre aus zuschauen. Dabei erinnere ich mich am meisten an die Schweine, weil die so grunzten und Lärm machten beim fressen.

Die Straße, in der wir wohnten, war eine kurze Stichstraße (Sackgasse). Darum kam dort auch kaum mal ein Auto rein und wir konnten auf der Straße spielen, zusammen mit den Nachbarskindern. Ein winziger Gartenabschnitt war hinter dem Haus, umzäunt mit einem Holzzaun. Dort hatten wir einen Sandkasten zum spielen. Ich erinnere mich auch an einen alten Pfirsichbaum dort, der wunderschöne saftige Pfirsiche getragen hat.


Erinnerungen 000 - Zeit für Rückblicke

 Vor ein paar Tagen hatte ich in einem Forum Erinnerungen geteilt, weil ich einfach mal locker Erinnerungen von früher austauschen wollte. Das ging dann allerdings direkt in eine ganz bestimmte Richtung, die ich eigentlich nicht angestrebt hatte. Und weil meine persönlichen Erinnerungen dann auch für viele nicht so interessant sind, habe ich beschlossen, meinen bestehenden Blog dafür zu benutzen, meine Erinnerungen aufzuschreiben. Auch falls vielleicht meine Kinder später, wenn ich nicht mehr lebe, sich dafür interessieren, was sie aus meiner Vergangenheit interessant finden könnten.

Also: ab jetzt ist mein Blog dazu bestimmt, Erinnerungen zum Leben zu erwecken. Ich bin selbst gespannt, was daraus wird. 😀

Zwei bestehende Einträge, die dazu passen, verlinke ich dann schon mal hier:

https://ehra-alles-hat-seine-zeit.blogspot.com/2014/02/sechs-wochen-kinderkur-ca-1956.html

https://ehra-alles-hat-seine-zeit.blogspot.com/2014/02/auszeiten.html


Ich nummeriere nun erst einmal einen groben Überblick über meine verschiedenen Phasen und Stationen. Und später ordne ich diese den jeweiligen Abschnitt zu. ... jeweils zu den Nummern in der Überschrift.