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Dienstag, 31. Oktober 2023

Erinnerungen zu Zeitabschnitt 003 - ein halbes Jahr in Kiel

 

Als ich 13 Jahre alt war, habe ich ca. ein halbes Jahr bei meiner Oma in Kiel gewohnt und bin dort auch in die Schule gegangen. Es war die Hardenberg-Schule in der Hardenbergstraße. Das war nur etwa 500 m von der Wohnung meiner Oma (und meiner Tante) entfernt.

In dieser Schule wurde ich ein bisschen wie eine eine Exotin behandelt. Und das habe ich auch ein bisschen genossen. Bin dort selbstbewusster aufgetreten als in meiner Heimatstadt.


Mein Klassenlehrer (Herr Rasmus) dort war der Musik sehr zugetan. Im Klassenzimmer stand ein Klavier, und wenn es dem Lehrer gerade danach war, dann setzte er sich mal eben ans Klavier und mischte die Stimmung merkbar damit auf. Das war für mein Empfinden ganz einzigartig und toll.

In der Musikstunde wurden dann auch die einzelnen Stimmen angehört, mit dem Lied „Die Gedanken sind frei“

Auch ich wurde ausgewählt, um das Lied vorzusingen. Und der Lehrer sagte, ich hätte eine schöne Stimme, woraus man etwas machen könnte.


Ich hatte dort zwei Freundinnen. Eine wohnte im gleichen Haus wie wir, ein Stockwerk unter uns. Sie hieß „Petra“. Ihr Vater war Polizist. Die andere war eine Klassenkollegin und hieß „Erika“. Auch ihr Vater war Polizist.


Erika gehörte in der Klasse eher zu denen, die am Rand stehen. Ich habe mich selbstbewusst zu ihr gestellt. Wir haben in den Pausen noch Spiele gespielt, während die anderen Mädels eher in Gruppen zusammenstanden und auf uns herabschauten. Damals war es an der Zeit, dass Mädels ab einem bestimmten Alter „Perlonstrümpfe“ tragen durften. Wann sie das durften, wurde von den Eltern bestimmt. Erika und ich gehörten zu denen, die noch Söckchen trugen im Sommer und im Winter Wollstrumpfhosen.

Ich erinnere mich an einen Tag, wo wir Schwimmunterricht im Hallenbad hatten. Wir standen noch in eine Reihe von Mitschülern und warteten, dass unser Lehrer uns unseren Spind zuordnete, als irgendwelche Schüler am Anfang der Reihe plötzlich anfingen, Erika zu verspotten, weil sie Söckchen trug. Ich überlegte einen Moment und lief dann auch nach vorne und rief: ich trage auch Söckchen – und jetzt könnt ihr mich auch auslachen. Und da war es plötzlich still. Keiner sagte mehr was. Ich war dann irgendwie stolz, dass ich es gewagt hatte.


Petra war zwei Jahre jünger als ich. Wir wohnten in einem Block in einer Blocksiedlung, die um einen Innenhof aufgebaut waren, in dem noch ein paar Blocks standen. In den Gängen des Innenhofs konnte man gut Verstecken spielen. Mit ein paar weiteren Kindern aus dieser Siedlung waren wir eine richtige Rasselbande. Wir haben zusammen oft „Räuber und Gendarm“ gespielt. Wobei wir dann durch die Gänge tobten, was so manchen Erwachsenen Anwohnern zwar nicht gefallen hat. Aber das hat uns nicht gestört. Neben dem Grundstück war noch eine halb verfallene Ruine. Dort durften wir zwar nicht spielen, weil es zu gefährlich sein sollte. Aber wir haben es trotzdem manchmal getan.


Ich hatte für das Hallenbad, das mehr als 4 km von unserer Wohnung entfernt war, eine Dauerkarte, so dass ich immer wenn ich Lust hatte, auch alleine ins Hallenbad gehen konnte. In der Zeit habe ich schwimmen gelernt. Das war überhaupt der Grund, warum ich nach Kiel geschickt wurde. Weil der Orthopäde festgestellt hatte, dass ich eine sehr schwache Wirbelsäule hatte - weil schwimmen als Stärkung der Wirbelsäule galt. Ich hatte auch zur Stütze ein Korsett, das ich täglich tragen sollte. Einmal, als wir Schwimmunterricht von der Schule aus hatten, hatte ich vergessen, das Korsett an diesem Tag zu Hause zu lassen. Es war mir zu peinlich vor den anderen Kindern, mich umzuziehen. Deshalb sagte ich der Lehrerin, dass ich diesmal nicht mitmachen könnte. Sie meinte dann, ich könnte das Korsett ausziehen, während sie dabei wäre. Und so wurde es nicht peinlich, weil es von der Lehrerin unterstützt wurde. Es war nur wieder einer der Punkte, der mich zu einer Exotin abstempelte. Aber das habe ich dann auch nicht negativ empfunden.


In meiner Erinnerung war diese Zeit bei meiner Oma für mich ein Ort, an dem ich mich besonders geborgen gefühlt habe. Ansonsten war der Begriff „Geborgenheit“ für mich eher so etwas wie ein Märchenland oder ein Paradies, von dem man vielleicht träumen kann – aber es nie wirklich erreicht. Warum das so war – keine Ahnung. War einfach ein Gefühl, an das ich mich in dem Zusammenhang erinnere.

Freitag, 26. Mai 2023

Erinnerung an Erzählungen der Eltern an Kriegszeiten und Familienzusammenhänge

Um meine eigenen Erinnerungen an die Erzählungen meiner Eltern noch zu ergänzen, habe ich mit meiner (anderthalb Jahre) älteren Schwester darüber geredet und meine Erinnerungen aufgefrischt

 Da ich sechs Jahre nach dem Krieg geboren bin, waren die Erinnerungen an die Kriegszeiten meiner Eltern noch sehr frisch.

Meine Mutter war eine lange Zeit geprägt von einer Angst, dass es einen neuen Krieg geben könnte. Diese Angst hat zunächst auch uns ältere Kinder  geprägt.

Sie erzählte, dass sie am Anfang des Krieges gar keine Angst gehabt hätte. Sie wäre sogar bei Fliegeralarm oft extra zu einen Aussichtspunkt gegangen, von wo man die Flugzeuge ankommen sehen konnte, welche wohl zurerst Leuchtfackeln abwarfen, um das Ziel der Bomben zu markieren. 

Erst, nachdem das eigene Elternhaus (in Kiel)  getroffen wurde, wurde die Angst so stark, dass sie fortan beim ersten Alarmton losgerannt wäre in die Schutzbunker. 

Meine Mutter war 12 Jahre alt, bei Kriegsbeginn. Sie erzählte, dass sie auch gerne in den BDM gegangen wäre. Aber sie wurde abgelehnt, weil zu jung. Von dem ganzen Geschehen hat sie das Ausmaß der Bedeutung nicht wirklich begriffen. Auch die Verfolgung der Juden hat sie nicht begriffen. Warum diese mit einem Judenstern markiert wurden, der im Dunkeln leuchtete, darüber haben sie sogar manchmal gespottet, dass wenn jemand etwas dickere Figur hätte, er zwei Sterne tragen musste, so dass es einen Zusammenstoß gäbe, wenn man mitten durch diese zwei Markierungen durch gehen will. 

Mutter hat auch Hunger kennen gelernt. Sie sagte, dass es für die Essensmarken morgens nur eine dünne Scheibe Brot gab, so dass sie meistens hungrig war. Als sie mal mit der KLV (Kinder-Landverschickung) auf einem Bauernhof viel zu essen hatte, und dort Pfannkuchenreste der Katze bringen sollte, hätte sie noch unterwegs so viele wie möglich selbst gegessen, weil sie die für die Katze viel zu schade fand. 

Die Mutter meiner Mutter ... meine Großmutter, hat 9 KInder geboren. Zwei davon starben schon im Kindesalter. Eine hat sie mit einer Lungenentzündung zwei Stunden weit in eine Klinik getragen - um sie dann tot wieder zwei Stunden zurück tragen musste. 

Sie selbst hatte 12 Geschwister. Die Mutter mochte keine Mädchen und schickte ihre Tochter schon mit 14 Jahre "anschaffen". 

Auf diese Weise lernte sie ihren Mann kennen ... meinen Großvater. Mit 17 Jahren wurde meine Großmutter schwanger, musste heiraten, und bekam das erste Kind. Das letzte Kind bekam sie mit 36 Jahren. 

Ein Sohn (Bruder meiner Mutter) ist im Krieg auf dem Schiff "Bismarck" gefallen. Das Schiff ist auf See gesunken ... bekanntlich durch eigenes Bewirken. Ein anderer Sohn ist im Eis eingebrochen und ertrunken, weil er nicht auf das Verbot seiner Eltern gehört hatte. Meine Mutter hat die Geschichte immer als Warnung erzählt, für Strafe (von Gott?), wenn man ungehorsam ist.

Mein Vater ist in Memel geboren und aufgewachsen ... bis zum Krieg. Der Ort hieß damals so, wie der Fluss. Heute heißt er "Klaipeda". 

Dass er als Soldat eingezogen wurde, war wohl eher ein Versehen. Er erzählte, dass er gerne jeden Tag zum Flugplatz in der Nähe der Wohnung ging und zugeschaut hat, was da lief, an Reparaturen und Beladungen . Eines Tages hätte ihn ein Mann gefragt, ob er gerne mal dort mitarbeiten würde. Er hat begeistert "ja" gesagt. Und ein paar Tage drauf stand jemand vor der Türe und teilte ihm mit, dass er sich ja gemeldet hätte und jetzt also Soldat wäre. 

Er sagte, er wäre dankbar, dass er in der ganzen Zeit als Soldat nie Menschen töten musste. Dafür hätte er am Anfang seiner Zeit als Soldat gebetet. Ein einziges Mal wäre er in einer Truppe gewesen, die direkt an die Front musste. Zu dem Zeitpunkt wäre er aber gerade krank gewesen und auf der Krankenstation.

Seine Familie musste dann im Verlauf des Krieges in den Westen fliehen. Sie sind mit einer Tochter und einem Sohn dann auf einem Flüchtlingsschiff in Kiel gelandet.  Zuerst war wohl ein anderes Schiff eingeplant, welches sie aber auf irgendeine Weise verpasst haben. Dieses Schiff ist dann untergegangen - keiner hat überlebt. Also sahen sie auch das als Bewahrung von Gott. Die Tochter haben sie auf dem Schiff wohl mit Mehl im Gesicht so aussehen lassen, als wenn sie sehr krank wäre. Das machten sie wohl, um das Mädel vor einer Vergewaltigung zu schützen. Auf diese Weise sind sie dann heil auf der anderen Seite der Ostsee angekommen. 

Die Famile meines Vaters gehörten zu den "Baptisten". In Kiel wurde mein Großvater dann bekannt als derjenige, der das Kreuz im Gemeindehaus gezimmert hatte. Er war Zimmermann von Beruf. Es bestand früher mal ein Foto, auf dem er mit einem großen Kreuz im Gemeindesaal nach vorne ging. 

Bei den Baptisten haben meine Eltern sich dann auch kennen gelernt und 1948 geheiratet. Noch ein Jahr wohnten sie in Kiel, in der Wohnung der Eltern meiner Mutter. Dort wurde auch meine ältere Schwester geboren. Zwei Monate vor meiner Geburt bekam mein Vater ein Arbeitsplatz-Angebot in NRW, wohin sie dann umzogen und mein Vater dann bis zu seiner Rente in diesem Betrieb gearbeitet hat. 

Freitag, 14. April 2023

In Erinnerung: ein paar meiner ungelösten Schandtaten in Zeiten meiner Kindheit/Jugend


Wie wahrscheinlich bei Jedem, erinnere ich mich nur an ganz spezielle Aktionen in meiner Jugend. wo ich, mehr oder weniger bewusst, anderen Menschen geschadet habe….vor Allem auch an solche, die letztendlich nicht aufgeklärt wurden. An drei davon erinnere ich mich auch heute ab und zu mal wieder und denke nach, warum ich das tat - ich weiß es nicht - ich tat es einfach.

Bei der ersten muss ich zwischen fünf und sieben Jahre alt gewesen sein. Wir wohnten in einem Mehrfamilienhaus im Erdgeschoss, in dem es kein Badezimmer gab. Reinigungen aller Art spielten sich in der Wohnküche ab. Vom Flur/Treppenhaus aus kam man sofort in die Küche. Die Toilette war ein Plumpsklo im Flur/Treppenhaus. Neben dem Klo stand ein Eimer mit Wasser und es lag kleingeschnittenes Zeitungspapier auf einem kleinen Beistellschränkchen.

Die Nachbarin gegenüber war (wie die meisten Bewohner dieses Hauses) für mein Empfinden ziemlich nervig. Sie kam öfter mal rein und erzählte den neuesten Klatsch über die anderen Hausbewohner und beschwerte sich oft über eine Familie im ersten Stock, die es, ihrer Meinung nach, auf sie abgesehen hätten, ihr zu schaden. Auf dem Hausflur stand eine Kommode von ihr, worauf eine Vase stand. Und der Schlüssel zu ihrem Klo steckte von außen in der Tür.

Eines Tages reizte es mich einfach, die Vase von der Kommode neben die Kommode zu stellen. Ziemlich bald danach klopfte die Nachbarin an die Türe, und beschwerte sich über diese Tat, welche sie wieder der Familie im ersten Stock zuordnete.

Ein paar Tage danach zog ich dann einfach mal den Schlüssel aus der (abgeschlossenen) Klotüre und legte ihn unter die Fußmatte vor der Treppe, nicht weit von der Türe entfernt. Diesmal war die Beschwerde über die böse Familie in ersten Stock noch etwas dramatischer. Denn schließlich konnte sie ohne Schlüssel nicht mehr in den Raum. Aber dadurch, dass sie auch auf die Fußmatte getreten habe, hat sie ihn nun doch gefunden.

Ich saß während der Beschwerden beider Taten ruhig am Tisch und habe nichts gesagt. Also ging dieses Geschehen als ungelöster Fall in meine Erinnerung über...

***

Der zweite Fall spielte sich in meiner fünften oder sechsten Klasse in der Schule ab. Einer Mitschülerin - ich erinnere mich noch an ihren Namen - fiel das Portemonnaie runter, und etliche Münzen kullerten über den Boden. Das Geld war bestimmt für einen Einkauf, zu der das Mädel von ihrer Mutter beauftragt worden war.

Ich half ihr dabei, die Münzen wieder einzusammeln ... und behielt heimlich fünfzig Pfennig für mich zurück. Das Mädel war entsetzt, die letzte Münze nicht mehr zu finden. Das Geld war wohl abgezählt für ihren Einkauf, und so könnte sie ihren Einkauf nicht vollends erledigen. Aber ich tat so, als wenn ich es auch nicht finden würde.

Heute, wenn ich mich daran erinnere, tut mir das Mädel leid. Damals waren fünfzig Pfennig noch viel Geld. Und nach damaligen Erziehungsmethoden musste sie wohl auch mit einer Strafe rechnen, wenn sie das beichtet. Aber es war und blieb ein ungelöster Fall ...


***

Der dritte Fall spielte sich in meiner Ausbildung/Lehre als Industriekaufmann ab. Bei Beginn der Lehre war ich vierzehn Jahre alt, sie lief über drei Jahre. Während der Ausbildung mussten die Lehrlinge mehrere Abteilungen in der Firma durchlaufen. 

Meine zweite Abteilung war der Versand. Damals lief noch alles handschriftlich ab. Zu dem Zeitpunkt waren wir zwei Mädels, die dafür zuständig waren, die Versandpapiere auszufüllen und in die nächste Etappe auf das Fließband zu legen. Wir beide hatten ziemlich unterschiedliche Handschriften, so dass bei Überprüfung immer schnell klar war, wer einen Fehler gemacht hat, wenn nicht alles so lief, wie es sollte. 

Irgendwann reizte es mich, bei einem größeren Versandvorgang, die Schrift meiner Kollegin anzuwenden - was mir wohl ziemlich gut gelungen ist. Dass ich dabei einen Fehler mit eingebaut hatte, war nicht mein Plan. Aber es kam, wie es kam ... die Kollegin wurde des Fehlers beschuldigt. Sie beteuerte zwar, dass sie sich nicht daran erinnern würde. Aber die Schrift verriet (scheinbar) den wahren Täter. 

Auch an den Namen dieser Kollegin erinnere ich mich heute noch genau... und weil ich wieder einmal schwieg, wurde dies ein weiterer ungeklärter Fall ...

Heute, im Rückblick, tun mir natürlich alle Taten leid.

Freitag, 17. März 2023

Ergänzung 03 zu Erinnerungen im Zeitraum 014 ... Trennungsphase in Gemeinde


Die Zeit zwischen der Trennung und der offiziellen Scheidung war eine ganz besondere Phase für mich. U.a. auch deswegen, weil ich dachte, dass ich vor Gott einen Fehler mache … wie es mir jahrelang vermittelt worden war. Denn Jesus hat sich deutlich gegen eine Scheidung ausgesprochen. Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb erlebte ich in dieser Zeit mehr Nähe und Zeichen von Gott, als ich die ganze Zeit zuvor wahrgenommen habe.


In der Gemeinde hatte kurz davor gerade ein Wechsel der Pastoren stattgefunden. Und ich rechnete damit, dass dieser Pastor mir in dieser Phase keine Unterstützung sein könne. Darum war ich dann freudig überrascht, als er, nach meiner Ankündigung zum Thema, mir seine Unterstützung zusagte und das auch deutlich bewiesen hat.


Ich war am Anfang Sozialhilfeempfänger, was später dann in „HartzIV“ umgewandelt wurde. Habe etwa anderthalb Jahre Tageszeitungen (in der Nacht) ausgetragen, als Minijob. Als dann der „1€-Job² eingeführt wurde, fragte ich den Pastor, ob er für mich solch einen Job in der Gemeinde einführen könne, weil das ja alles dann (mit zusätzlichem Zuschuss) vom Amt bezahlt würde. Also hätte die Gemeinde eine Arbeitskraft und einen kleinen finanziellen Zuschuss als Gewinn daraus. Der Pastor besprach das mit der Gemeindeleitung und ich konnte den Job dort machen. Das war für mich, bei all den Änderungen in meinem Leben ein Ankerpunkt, wo ich mich geschützt fühlte, vor dem ganzen Unbekannten, die noch vor mir lagen.


Irgendwann zwischendurch erzählte ich dem Pastor mal, dass ich Gottes Führung in der Scheidungsphase erleben würde. Worauf er meinte, Gottes Führung in einer Scheidung wäre paradox – weil Gott gegen Scheidungen wäre. Die Schlussbemerkung war für mich dann eine Zeitlang auch ein Punkt, an dem ich zu knacken hatte: „da bist du wohl nur von seiner (Gottes) Gnade abhängig“.


Das Wort „Gnade“ hatte in dem Moment für mich eher eine verurteilende Wirkung. So, als wenn ich mich jetzt in einem Niemandsland befinden würde, mit offenem Ausgang … entweder für oder gegen mich, je nachdem, wie ich mich weiterhin verhalte. Ich fühlte mich ähnlich wie „Vogelfrei“ – zum Abschuss freigegeben, falls ich mir noch eine weitere „schlimme Sünde“ erlauben würde.


An einem Sonntagmorgen war ich gerade wieder (ca. eine Stunde) unterwegs zum Gottesdienst in der Gemeinde, als die ganze Schuldpalette meine Gedanken wieder einmal überschwemmte. Ich habe dann einfach mal alle meine „Schulden“ vor Gott in Gedanken aufgelistet – kleine und größere „Sünden“ (nach den mir bekannten Gesetzen). Und dann ertönte in mir plötzlich die Melodie eines ziemlich altem Evangeliumsliedes, das ich schon lange nicht mehr gehört oder gesungen hatte (also war es kein Ohrwurm, der von außen ausgelöst wurde). Dann fing ich an, zu überlegen, was ich da denn eigentlich für ein Lied singe… dessen Text ich nur noch zum Teil in Erinnerung hatte. Das Lied traf mein Herz in dem Moment als Botschaft von Gott, die lautete:selbst wenn deine Sünden blutrot wären, sind sie vor mir so weiß wie der Schnee – ich habe dir längst vergeben“.


In dem Moment unterwegs auf einem einsamen Weg fielen alles Lasten plötzlich von mir ab. Ich fühlte mich frei von dem, was mich runterziehen könnte – und sah nur noch eine entspannte Weite, die mir offen steht. Wie in dem Psalm 31,9“du stellst meine Füße auf weitem Raum“.


Die Predigten in dieser Phase meines Lebens waren für mich jeden einzelnen Sonntag wie eine Offenbarung, die mir Stärke und Wegweisung gab, für meinen ganz persönlichen Weg – in einer Intensität, wie ich es nie zuvor erlebt habe. Eine Predigt ist mir dabei besonders in Erinnerung geblieben. Ich habe sie mir hinterher noch etliche Male (auf Cassette) angehört. Sie gründete auf Psalm 84

Der Pastor nannte sie „eine Pilgerreise zum Haus Gottes“. Er schilderte den Weg, oft unwegsam und steinig, mit tiefen Tälern und zeitweise Dunkelheit. Der Pilger war getrieben von der tiefen Sehnsucht nach dem Haus Gottes. Er beneidete fast die Vögel, die ihr Nest dort bauen konnten und damit direkt Wohnung im Haus Gottes hatten. Er würde lieber auf der Schwelle des Hauses Gottes wohnen, als in den fruchtbaren Tälern, weit ab davon.


An dem Tag, an dem ich diese Predigt hörte, fühlte ich mich noch in einem unwegsamen Tal, so wie der Pastor es schilderte. Noch sehr weit entfernt vom Ziel. Aber mit der Hoffnung und dem Weitblick, irgendwann dort anzukommen. Immer, wenn ich mir mal diese Predigt wieder anhörte, hatte ich das Gefühl, ein Stück näher gekommen zu sein. Und auf dem Weg wurde die Gewissheit immer stärker, dass Gott selbst mich auf dem ganzen Weg begleitet und mir Stärke gibt, damit ich die Täler und Höhen überwinden kann.

Montag, 13. März 2023

Ergänzung 02 zu Erinnerungen im Zeitraum 013 - Mütter-Kinder-Hauskreis

 In diesem Zeitraum , als meine ersten beiden Kinder noch im Kleinkindalter waren, fühlte ich mich anfangs oft allein. Darüber berichtete ich schon am Anfangs dieses Eintrags.

Als es für mich unerträglich zu sein schien, betete ich zu Gott, dass er mir doch bitte jemanden senden möge, mit dem oder der ich Erfahrungen und Gedanken austauschen könne.

Da es in der Gemeinde bei mehreren Familien Kinder im gleichen Alter gab, kam eines Tages die Anfrage von einer Mutter, wer denn bei einem "Mutter-Kind-Spiel-Kreis" mitmachen würde. Ich habe mich dort auch gleich gemeldet. Und schon nach kurzer Zeit hat sich ein intensiver Kontakt zu einer anderen Mutter entwickelt, die auch auf der Suche nach Austausch war. Ihre Kinder waren fast gleich alt wie meine, und sie wohnte nur etwa fünf Minuten Fußweg entfernt von uns.

Anfangs trafen wir uns manchmal auf dem Spielplatz, der so ziemlich in der Mitte zwischen unseren Wohnhäusern lag. Oder eben abwechselnd bei ihr oder uns zu Hause.... mit unseren Kindern.  Sie war noch am Anfang ihres Glaubenslebens und suchte intensiven Austausch über biblische Themen. Und weil ich noch mein Material von der Bibelschule hatte, habe ich ihr das zum Lesen gegeben. Zwischendurch trafen wir uns und tauschten über unsere Erkenntnisse und Erfahrungen aus - ganz locker und ohne große Vorlagen und Regelungen. Es entwickelte sich eine tiefe Freundschaft, die später auch über Entfernungen anhielt - bis heute.

Nachdem wir das eine Weile so praktiziert haben, sagte meine Freundin, dass sie in der Gemeinde gefragt worden wäre, ob es einen Hauskreis gäbe, zu dem man mit Kindern kommen könne. Sie hat dann von unseren Treffen erzählt und gefragt, ob ich etwas dagegen hätte, wenn wir noch weitere Mütter zu unserem Austausch einladen würden. Ich hatte natürlich nichts dagegen. 

Und so entstand dann ein Mutter-Kind-Hauskreis, der abwechselnd bei ihr oder bei mir in der Wohnung stattfand. Die Teilnehmerinnen wechselten im Laufe der Zeit immer mal. Zeitweise waren wir mehr als zehn Mütter mit Kindern. Und immer hatten wir ein ganz lockeres Konzept: einfach nur Austausch. Zugrunde lag manchmal ein vorher angesagter Bibeltext. Häufig aber auch einfach nur die Losungen des Tages. Meistens schweiften wir ohnehin ab vom Text, wenn eine der Frauen ein Anliegen hatte, worüber sie gerne reden wollte, oder wenn ein Stichwort im Text Fragen auslöste. Die Hauptsache war die Gemeinschaft untereinander. 

Es gab auch bei jedem Treffen Tee und kalte Getränke, sowie etwas zum knabbern oder frisches Obst, was auch die Kinder gerne in Anspruch nahmen. 

Auf diese Weise bestand unser Hauskreis ganze elf Jahre. Er endete dann, als unsere Kinder größer waren, so dass einige Mütter wieder in das Berufsleben zurück gingen. Und das war eine Gemeinschaft, die für mich die Beste war, der ich jemals angehören durfte. 


Mittwoch, 8. März 2023

Ergänzung 02 zu Erinnerungen im Zeitraum 014 - Umzug mit Regenbogen

In dieser Phase, bevor mein Umzug in den Schwarzwald stattfand, war ich etwa ein viertel Jahr lang  plötzlich wohnungslos. 

Meine Kinder wohnten nicht mehr bei mir, so dass ich die gemeinsame Wohnung kündigen musste. Eine Freundin hatte mir angeboten, ein Zimmer in ihrem Haus zu beziehen, mit kurzer Kündigungsfrist für beide Seiten. Sie versuchte schon seit fünf Jahren ihr Haus zu verkaufen, und rechnete nicht unbedingt damit, dass ein Käufer kurzfristig auftauchen würde. Und ich hatte geplant, im Schwarzwald nach Arbeit zu suchen, und suchte einfach eine Bleibe zwischendurch.  Nach diesem Angebot kündigte ich dann auch die alte Wohnung - mit vierteljähriger Kündigungsfrist.

Ungefähr zwei Wochen, bevor ich bei der Freundin einziehen sollte, kam eines Tages eine e-mail von ihr, in der sie mir mitteilte, dass sie jetzt überraschend einen Käufer für ihr Haus gefunden hätte, und dass es ihr nun am besten passen würde, wenn ich gar nicht mehr einziehe. Also: Absage der Wohnung. 

Nach dem ganzen Stress der letzten Wochen, mit renovieren, aussortieren und Vorbereitung für den Umzug, hat mich das erst einmal umgehauen. Ich habe rumgeheult, und war einfach nur fertig. Da aber nur noch kurz Zeit war, suchte ich nach einer Zwischenlösung für mich. Nachdem eine nähere Bekannte aus meiner Gemeinde dann auch erst für mich ein Gästezimmer freimachen wollte - dann aber auch wieder absagte, fand ich dann endlich doch eine Lösung, einem Gästezimmer bei einer anderen Freundin, die ein wenig außerhalb, in ländlicher Gegend wohnte. 

Da ich aber auch noch ein paar Möbel und Hausrat für den eventuellen Neuanfang in BaWü hatte, brauchte ich vorübergehend eine Lagermöglichkeit dafür. Zu dem Zeitpunkt war ich mit einem 1€-Job in meiner Gemeinde (FEG) als Mitarbeiterin eingestellt . Und da dort noch ein bisschen Lagerraum im Keller frei war (durch zusammenrücken) bekam ich die Erlaubnis, meine Gegenstände, die ich nicht bei der Freundin mit dem Gästezimmer lagern konnte, dort unterzustellen.

Da ich selbst keinen Führerschein habe und meine Kinder auch noch nicht, brauchte ich Unterstützung bei dem ganzen Aus- und Umziehen und Zwischenlagern. Diese Hilfe bekam ich durch liebe Gemeindemenschen... die mir dann auch beim späteren Umzug in den Schwarzwald halfen. 

Zu dem Zeitpunkt, an dem geplant war die Dinge zum Zwischenlagern zu befördern, hatten wir gerade die ganzen Sachen im Anhänger des Autos verstaut und zum Gemeindehaus befördert, als ein plötzlicher Wolkenbruch mit Regen uns beinahe unmöglich machte, überhaupt einen Schritt raus zu gehen. Wir parkten das Auto ziemlich nahe an der Hintertür des Hauses, so dass wir, nur schnell rennen konnten, um uns unterzustellen, bis der Regen sich ein wenig beruhigt hatte. 

Eine meiner besten Freundinnen schaute dabei zweifelnd zu dem Unwetter und fragte mich: "Bist du sicher, dass du das Richtige tust?" Sie vermutete das Unwetter als Zeichen dafür, dass ich einen Fehler mache, mit meinen Umzugsplänen in den Süden.

Mit den Helfern war es dann schnell geschehen, die Sachen im Keller zu verstauen. Plötzlich rief meine Freundin mich aufgeregt, dass ich doch mal schnell kommen solle, es gäbe etwas zu sehen. Sie stand an der Hintertür und zeigte nach vorne auf den Himmel. Da stand ein vollendeter Regenbogen vor uns, von einem Ende zum Anderen. Solch einen vollkommenen Regenbogen hatte ich zuvor noch nie gesehen. Es traf mich bis ins Herz, als Zusage von Gott, dass ER immer bei mir sein wird, egal wo ich bin und was ich tue... so wie ER es mir schon etliche Male vorher versprochen hat. Ich wusste von da an wieder, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Nicht, weil der Weg so perfekt wäre, sondern weil Gott immer bei mir ist und mich hält und mir hilft, wo immer ich mich gerade befinde.

Freitag, 3. März 2023

Erinnerungen 016 - BaLi, ME, bis 3J Bh

 Mein Job in der Kirche war für mich ein guter Abschluss meines Arbeitslebens. Ich war in diesem (kleinen) Ort zu Hause. Zweimal am Tag – Morgens und Abends musste ich die Kirche auf-und wieder zuschließen. Das bedeutete, dass ich jeweils einen zehnminütigen Fußweg hin und zurück gehen musste. War also gezwungenermaßen mindestens 40 Minuten täglich unterwegs und in Bewegung. Da mich viele Leute aus der Kirche kannten, gab es auch kaum einen Tag, an dem ich nicht irgendeinen Bekannten traf und oft auch einen kleinen Plausch gehalten habe.


Für meine Zeit als Rentnerin überlegte ich dann, wo ich letztendlich wohnen wollte. Meine Söhne waren wieder zurück im Norden. Meine Tochter hatte auch nicht vor, immer in diesem Ort im Schwarzwald zu bleiben. Ich würde aber schon gerne als Rentnerin in der Nähe von Menschen wohnen, die mir nahe stehen. Nach reiflicher Überlegung dachte ich, dass dies in meinem Geburtsort, in NRW am ehesten der Fall wäre. Dort wohnen vier meiner Geschwister mit ihren (großen) Familien. Da würde wahrscheinlich immer jemand übrig bleiben, wenn manche davon weg ziehen würden.


Also suchte ich über das Internet eine Wohnung in meinem Geburtsort, und bat eine meiner Schwestern, mögliche Wohnungen zu besichtigen, wenn ich dort Kontakt aufgenommen hätte. Auch das lief wieder einmal traumhaft schnell ab. Ich fand eine Wohnung mitten in der Stadt, im 5. Stockwerk, direkt über einem Discounter, an einem Platz, der sozusagen Mittelpunkt der Stadt ist.

Meine Kinder und meine jüngere Schwester sorgten dafür, dass der Umzug gut klappte. Und so hatte ich eine sehr schöne helle Wohnung, über einigen Dächern der Stadt.


Trotzdem haben dann verschiedene Umstände dazu geführt, dass ich nach genau vier Jahren dort noch einmal umgezogen bin – in den Ort, wo meine Söhne wohnten und in dem ich selbst zuvor 23 Jahre gewohnt habe. Dieses Mal bekam ich aber eine nette, winzig kleine Wohnung, im Erdgeschoss eines alten Bauernhauses, welches am anderen Ende der Stadt steht, zu dem wo ich früher gewohnt habe.


Mein Umzug dahin war genau einen Tag, bevor der erste Lockdown wegen Corona begann. Da meine neue Wohnung möbliert war (eigentlich für Studenten gedacht), brauchte ich für den Umzug nur einen größeren Pkw. So hat meine ältere Schwester (zusammen mit einem ihrer Söhne) mich an dem Sonntag im März 2020 von NRW in den Norden, nahe Hamburg, gefahren. Das war eine unvergessliche Fahrt, die wahrscheinlich nur dieses eine Mal so erlebbar war. Wir fuhren knapp 400 km über fast leere Autobahnen, ohne Stopp. Meine Schwester fuhr noch am selben Tag zurück, weil ja am nächsten Tag der Lockdown beginnen sollte.


Ja, und hier wohne ich nun – in diesem Moment – auch schon wieder genau drei Jahre…. Und fühle mich am richtigen Platz. So, wie es im Moment aussieht für mich, denke ich, dass dies meine letzte Wohnung ist. Aber wer weiß das schon … das dachte ich zuerst in NRW auch. Ich bleibe jedenfalls weiterhin offen für Veränderungen … wenn auch nicht mehr ganz so beweglich, wie ich es mal war. Ich werde älter … aber noch lebe ich, und es gefällt mir so, wie es ist.

Donnerstag, 2. März 2023

Erinnerungen 015 - Schwarzwald bis Rente

 An meinem neuen Wohnort im Schwarzwald suchte ich mir zuerst mal einen neuen 1€-Job. Zuvor hatte ich schon einen 1€Job gemacht, in der freikirchlichen Gemeinde, in der ich Mitglied war. Da ein neues Bundesland war, wurde es mir vom Jobcenter erlaubt, noch einen zweiten zu machen. Ich fragte dazu bei der Evangelischen Kirchengemeinde an, mit einer Empfehlung von meiner vorigen Gemeinde. Der Pfarrer hat diesen dann für mich beantragt, mit der Aufgabe, die Mitgliederlisten abzugleichen mit denen vom Einwohnermeldeamt. Zusätzlich gab er mir Aufgaben im Gemeindebüro. So habe ich unendlich Kindergottesdienstmaterial eingescannt und zum Teil neues Material erstellt für die Kinderkirche dieser Kirchengemeinde. Und auch hier konnte ich Kindergottesdienst organisieren und abhalten. Außerdem den Gemeindebrief mitgestalten … und einfach Dinge tun, die ich gerne tat.

Nach einem Jahr war der 1€Job aber abgelaufen und ich musste aktiv wieder Bewerbungen schreiben. Da auch mein Pfarrer einen guten Draht zu der Mitarbeiterin im Jobcenter hatte, der ich zugeordnet wurde, hat die dann aktiv auch mitgesucht nach einem Job im kirchlichen Bereich. So passierte es, dass ich, mit Empfehlung des Pfarrers, den Job als „Mesnerin“ (Küsterin) in einem, 10 km entfernten Nachbarort bekam. Dafür musste ich aber in diesen Ort umziehen…. und meine Söhne mit mir. Es war dann sogar der gleiche Ort, in dem meine Tochter bereits wohnte und arbeitete. 


Und das war eigentlich der beste Job, den ich in meinem ganzen Arbeitsleben hatte. Ich hatte den Schlüssel zur Kirche und war sozusagen die „Hausfrau“ dieses Gebäudes. Jede Veranstaltung (Gottesdienste, Konzerte, Beerdigungen etc) musste „an mir vorbei“. Freigegeben wurde das zeitlich natürlich vom Pfarrer, aber für die äußere Gestaltung (Deko, Einrichtung, Pflege usw) war ich verantwortlich. Die Kirche war in dieser Zeit wie mein zweites Zuhause. Acht Jahre lang habe ich diesen Job gemacht, bis ich in Rente ging.


Meine Söhne hatten am Anfang im Schwarzwald beide noch keine Arbeitsstelle. Der Jüngere hatte gerade die Realschule beendet, und der Ältere war ohnehin arbeitslos. Beide waren nicht sehr interessiert daran, sofort Arbeit zu finden. Aber da der Jüngere erst 17 Jahre alt war, unterlag er in BaWü noch der Schulpflicht (Berufsschule). Ihr Umzug fiel gerade ins Ende der Sommerferien. Und durch die Zeitung erfuhren wir den Zeitpunkt, an dem die Anmeldungen in der Berufsschule im Nachbarort, der Kreisstadt, stattfinden sollten.


Das geschah noch, bevor ich den Job in der Kirche beginnen sollte. Und so machten wir uns an dem Stichtag auf den Weg in den Nachbarort, um unseren Jüngsten anzumelden. Dazu haben wir dann noch einen ganz romantischen Weg durch einen Park und dem Wald gewählt. In der Schule angekommen wurde dann auch ein Platz für meinen Sohn gefunden, mit Berufsrichtung „Stahlbau“ (weil dort noch Plätze frei waren). Und als die Formalitäten beendet waren, wandte sich der Lehrer dem älteren Sohn zu und fragte: „und was ist mit diesem jungen Mann? Braucht er auch einen Platz?“. Wir waren ziemlich überrascht, sagten dann, dass er aber schon 21 Jahre alt wäre...aber wenn es für ihn einen Platz gäbe, wäre das nicht schlecht. Und so bekam dieser Sohn auch einen Schulplatz, in Berufsrichtung „Elektroniker“.


Nach der Beendigung des ersten Schuljahres beschlossen beide Söhne, umzuschulen auf „Wirtschaftsabitur“. Sie bekamen dann sogar (mit ein bisschen tricksen) beide in einer Klasse einen Platz, und machten so zwei Jahre später ihr Abitur im Bereich „Wirtschaft“. Da wir ja immer noch von HartzIV abhängig waren (mein Verdienst war für uns alle zu niedrig) , mussten sie dann auch direkt anschließend einen Ausbildungsplatz suchen. Beide fanden einen im kaufmännischen Bereich. Die Zeit der Ausbildung war, besonders für den Älteren, zeitweise ziemlich schwierig. Aber Beide haben durchgehalten bis zum Ende … und einen guten Abschluss gemacht.


Danach beschlossen alle beide, wieder zurück in ihren Heimatort umzuziehen, und erst dort einen festen Job zu suchen. Ein Cousin sorgte dafür, dass sie am Anfang bei ihm zu Hause (seinen Eltern) wohnen durften, bis sie eine eigene Wohnung gefunden haben. Und kaum eine Woche danach hatte der jüngste Sohn schon einen festen Job. Sie fanden eine gemeinsame Wohnung und ein halbes Jahr später fand auch der Ältere Sohn eine Arbeitsstelle. Inzwischen haben beide ihre Stelle nochmal gewechselt, und bis heute sind beide fest angestellt und haben ein gutes Einkommen.


Es waren abenteuerliche Zeiten, die 10 Jahre im Schwarzwald. Manchmal sah unser Leben ganz schön chaotisch aus. Aber im Rückblick kann ich nur staunen. Es scheint, als wenn alles schon so geplant gewesen war, und ich danke Gott, für Alles, was daraus geworden ist.


Samstag, 25. Februar 2023

Erinnerungen 014 - Eheende, Umzug BaWü

 Nach zwanzig Jahren Ehe, mit dauerndem Auf und Ab der Aggressionen, habe ich dann unsere Trennung beschlossen und die Scheidung beantragt. Bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Scheidung waren wir dreiundzwanzig Jahre verheiratet.


Zunächst bin ich drin geblieben, weil ich nicht wusste, wie es danach weitergehen könnte…. als alleinerziehende Mutter. Als meine Kinder älter wurden, fragte ich sie in solchen Fällen, wenn wieder einmal Ausraster eskaliert sind, wo sie wohnen wollten, wenn ich ausziehen würde. Eine längere Zeit sagten zumindest die Jungs, dass sie gerne da wohnen bleiben würden. Darum blieb ich dann auch erst einmal da. Zwischendurch, als ich mal wieder mit Trennungsgedanken spielte, bekam ich einen Hinweis, den ich als Botschaft von Gott verstand, dass es noch nicht so weit wäre … ich also noch aushalten solle. Und dann, als unser Jüngster dreizehn Jahre alt war, schien es mir, dass jetzt der Moment sei, dass ich gehen könne. Dazu gehörte auch wieder ein Gespräch mit meinen Kindern, wobei meine Tochter sagte: „dann tue es doch endlich auch mal“.


Es war für mich eine abenteuerliche Zeit, in der ich manchmal dachte, die Anforderungen wachsen mir über den Kopf. Aber gerade in diesen Zeiten habe ich so stark Gottes Unterstützung gespürt, wie nie zuvor. Tausend kleine und größere Zeichen und für mich auch Wunder könnte ich aus dieser Zeit erzählen. Vielleicht erzähle ich darüber später auch noch hier, aber erst einmal weiter mit dem groben Überblick. Jedenfalls war es, kurz nach der offiziellen Scheidung, dann plötzlich so weit, dass ich mich entschied, jetzt meinen Traum, wieder einmal in den Schwarzwald umzuziehen, umzusetzen. Ich beschloss, nach einem Angebot von Internetbekanntschaft mit einem Ehepaar, eine Zeitlang bei ihnen zu Gast zu sein – in der Nähe von Ulm – um eine Wohnung und vielleicht sogar einen Job zu suchen und finden.


Kurz davor traf in in der Freien Ev. Gemeinde (FEG), bei der ich noch Mitglied war und wo ich gerade einen „ein-Euro-Job“ machte, beim „Kirchenkaffee“ auf eine junge Frau, die vorher auch im Schwarzwald gewohnt hat. Während ich an dem Stehtisch einigen Leuten erzählte, dass ich demnächst mal meine Fühler in Richtung Schwarzwald ausstrecken wollte, sprach mich diese Frau an. Sie sagte, sie hätte noch immer Kontakt zu ihrer früheren Vermieterin dort. Und soviel ihr bekannt wäre, sein die Wohnung, welche sie dort bewohnt hatte, immer noch frei. Sie bot mir an, dort mal nachzufragen, ob ich vielleicht diese Wohnung bekommen könne. Und so passierte es, dass ich diese Wohnung schon klar machen konnte, bevor ich überhaupt dort gesucht hatte. Es war eine kleine Dachgeschosswohnung, etwa 40 qm groß, mit einer Küche, einem Wohnzimmer, einem Schlafzimmer und einen Abstellraum. Alle Räume hatten ein Fenster nach draußen. Die Wohnung war in Schömberg bei Neuenbürg, auf ca. 800 m Höhe, direkt neben dem Wald.


Meine Tochter wohnte zu dem Zeitpunkt nicht mehr zu Hause. Sie hatte eine schulische Ausbildung in Schleswig begonnen. Meine Söhne wollten weiter in dem Haus wohnen, das ihrem Vater gehörte. Und nach einer Erfahrung, wo ich den jüngeren Sohn davon abhalten wollte, mit seinem Bruder und einigen Cousin‘s auf dem Jahrmarkt Alkohol zu konsumieren – die dann von der „Clique“ vereitelt wurde, indem sie ihn zurückhielten und versprachen auf ihn aufzupassen, hatte ich den Eindruck, dass ich ohnehin keinen Einfluss mehr auf sie hatte. Und so zog ich zunächst alleine in den Schwarzwald um. War sicher nicht die beste Entscheidung meines Lebens. Aber auch hier hat Gott Gutes daraus entstehen lassen.


Sechs Wochen, nachdem ich im Schwarzwald wohnte, waren meine beiden Söhne gezwungen, zu mir umzuziehen. Weil der Vater sich nicht um sie kümmerte und seine Konten gesperrt waren, weil er die drei Jahre nach der Trennung keine Steuerklärung mehr gemacht hatte … und beide Söhne keinen Job hatten. Sie hatten geplant, sich beim Arbeitsamt zu melden, um HartzIV zu bekommen. Aber kurz zuvor wurde ein neues Gesetz gültig, wobei Kinder, wenn sie kein eigenes Einkommen haben, bis zum 27. Lebensjahr bei ihren Eltern leben mussten – zumindest von ihnen unterstützt würden. Nun war es von Vorteil, dass in meiner kleinen Wohnung tatsächlich für jeden von uns ein Zimmer vohanden war. Die Vermieterin hatte nichts dagegen, dass meine Söhne dazu ziehen. 

Meine Tochter kam dann ein Jahr später auch in den Schwarzwald, weil wir ihr zu weit weg wohnten und sie gerne einen anderen Job haben wollte. Sie zog dann in einen Nachbarort, der 10 km von unserem entfernt war… und so waren wir als (fast vollständige) Familie wieder vereint.

Einer meiner Söhne sagte nach dieser Zeit, dass er dies mehr als Familie empfunden habe, als die Zeit zuvor.


Donnerstag, 23. Februar 2023

Erinnerungen 013 - Kinder

 

16 Monate nach der Geburt meines ersten Kindes wurde unser zweites Kind geboren – ein Sohn. Dieses Baby war total pflegeleicht – im Gegensatz zu dem ersten. Ich wusste jetzt, wie es geht und war nicht mehr unsicher, ob er denn genug zu essen bekam. Ihn habe ich voll gestillt bis er ein viertel Jahr alt war. Wenn er weinte, kam er an die Quelle. Auch nachts lag er einfach neben mir und wenn er unruhig wurde, kam er an die Brust … wir schliefen beide wieder ein. Und wenn er wieder aufwachte, wurde einfach die Seite gewechselt und weitergeschlafen. Bald fand ich dann auch heraus, dass ich ihn auch unterwegs stillen konnte, wenn ich ihn in einer Bauchtrage trug. Ich hatte immer weite lange Oberteile an, so dass ich nun ganz entspannt auch längere Zeit mit ihm unterwegs sein konnte. Wenn er unruhig wurde, kam er an die Milchquelle, verdeckt von der Jacke, die ich trug – und das war alles, was er brauchte. Später bekam er natürlich noch richtiges Essen dazu. Aber er durfte immer, wenn er wollte, bis er anderthalb Jahre alt war, an der Brust trinken. Bessere Beruhigung gab es nicht. Als ich ihn dann entwöhnen wollte, konnte er sich schlecht davon trennen. Aber irgendwann hat es geklappt … mit Geduld und ein bisschen List.

Einmal, als er zwei Jahre alt war, hatte er starken Durchfall und Erbrechen. Er behielt nichts bei sich und wurde einen Tag nach Beginn immer schwächer, fast schon apathisch. Ich rief die Kinderärztin an, die uns aufforderte, sofort zu ihr zu kommen. Das waren die Zeiten, wo ich froh war, dass mein Mann ein Auto hatte und uns hinfahren konnte. Die Ärztin stellte fest, dass mein Sohn schon dehydriert war und bestellte einen Krankenwagen, der uns mit Blaulicht in das Krankenhaus im Nachbarort fuhr. ER war dann 10 Tage dort … ich blieb die ganze Zeit bei ihm und war froh, dass er hier gut versorgt wurde.


Kurz vor seinem vierten Geburtstag passierte es, dass er plötzlich schwach und hinfällig wurde. Da es schon in der Familie Fälle von Diabetes im Kindesalter gab, machten wir einen Test, den wir aus der Apotheke holten. Der zeigte dann an, dass es hier wohl tatsächlich auch um Diabetes ging. Den Test machten wir am späten Nachmittag. Darum dachte ich dann, dass wir am nächsten Morgen zur Ärztin gehen sollten. Aber mein Mann erzählte es seiner Schwester, die auch ein Kind mit Diabetes hat. Diese erzählte es der Ärztin, weil sie gerade ohnehin mit ihr telefonieren musste. Diese gab dann Anweisung, sofort zu ihr zu kommen. … und kamen so noch am späten Abend in die Arztpraxis. Und wieder war der Test bei der Ärztin an der Grenze, so dass sie uns aufforderte, mit ihm sofort ins Krankenhaus zu fahren. Zuvor brachten wir unsere Tochter zur Schwägerin, und fuhren dann ins Krankenhaus … wo wir (mein Sohn und ich) dann zwei Wochen blieben, damit ich die Spritztechniken lerne und anwenden konnte.


Zu diesem Zeitpunkt war ich erneut schwanger – im vierten Monat. Fünf Monate später kam dann unser drittes Kind auf die Welt – unser zweiter Sohn.

Dieses Kind wurde dann von Anfang an in die Familie integriert. Er wurde auch gestillt. Bekam aber auch ab und zu Flaschennahrung gefüttert. So war er und ich nicht mehr so abhängig voneinander. Die Art zu stillen habe ich aber genauso gehandhabt, wie bei dem vorigen Kind. Wenn wir miteinander unterwegs waren, kam er in die Bauchtrage und konnte trinken, wenn ihm danach war. So auch Nachts, wenn er neben mir im Bett war. Wir hatten eine längere Zeit ein riesiges Familienbett (mit Anbau), in dem letztendlich oft die ganze Familie miteinander übernachtet hat. Auch wenn so etwas oft verurteilt wird von anderen Müttern, mit unendlichen düsteren Vorhersagen, habe ich den Eindruck gewonnen, dass diese Art, miteinander als Familie zu leben, den Kindern gut getan hat…. oder ihnen wenigstens nicht geschadet hat.

Die beiden Brüder hingen, von Anfang an, sehr aneinander. Schon als Baby himmelte der Kleine den Großen an, wenn dieser redete. Das hat sich durch die ganzen Phasen ihres bisherigen Lebens nicht geändert. Sie wohnen wieder zusammen. Jeder hat seinen eigenen Beruf und eigene Freizeitaktivitäten. Aber sie machen auch vieles gemeinsam. 

Meine Kinder verstehe ich als das Beste, was mir geschehen konnte in meinem Leben,. Und ich bin dankbar, dass alle Drei erwachsen wurden und jeder seinen eigenen Weg gefunden hat. 


Dienstag, 21. Februar 2023

Erinnerungen 012 - Anfang Ehe bis Geburt des 1. Kindes

 Am Anfang meiner Zeit in diesem neuen Ort fühlte ich mich oft alleine. Vieles hatte sich, quasi über Nacht, geändert. Meine Freunde und meine Verwandtschaft wohnten weit weg. Und die Gruppe für junge Erwachsene war von da an auch tabu – denn jetzt waren wir ein Ehepaar. Es gab eine ganze Menge Verwandtschaft meines Mannes dort. Davon kamen einige auch am Anfang mal rein um zu schauen, wie wir denn so wohnten. In der Gemeinde kam es mir so vor, je größer die Gemeinschaft gerade war, desto mehr alleine war ich. Ich erinnere mich noch an einen Sonntag, wo nach dem Gottesdienst noch ein Treffen aller Gemeindemitglieder in einem Raum war. Ich stand mit einer Kaffeetasse in der Hand, mitten drin im Gedränge. Links und rechts redeten die Leute miteinander … und ich stand mittendrin alleine da. Man sagte mir hinterher, dass ich einfach die Leute ansprechen müsste, wenn ich beachtet werden will. Das war aber nicht so mein Ding … zumindest damals noch nicht.


Nach etwa einem Jahr, als wir beide gerade auf einem Wochenend-Trip in Braunschweig waren, machte ich meinen ersten Schwangerschaftstest … der war positiv. In dem Moment änderte sich alles für mich. Ich träumte von der Zeit, wann das Baby da ist, und das war schön.


Partnerschaftsmäßig war es oft weniger schön. Meine rosa Brille ist ziemlich schnell verloren gegangen. Höhepunkt war ein Morgen, wo ich mit meiner Schwägerin telefonierte, und darüber aufgeklärt wurde, dass mein Mann mir über ganz viele wichtige Einzelheiten seines Lebens einfach Dinge vorgelogen hatte. Schon zuvor hatte ich erkannt, dass er es mit der Wahrheit nicht so genau nahm. Aber an dem Morgen stürzte mein gesamtes Kartenhaus zusammen. Ich habe mich echt gefragt, wen ich da geheiratet habe. Und natürlich kamen auch Gedanken über Trennung bei mir auf. Aber ich dachte, ich müsse da jetzt durch, weil man sich als Christ nicht scheiden lassen darf. Und außerdem wusste ich nicht wirklich, was ich denn machen sollte, wenn ich wieder alleine wäre. Ich müsste wieder etwas ganz Neues anfangen. Bei christlichen Missionsgesellschaften würde ich als Geschiedene sicher auch nicht mehr angestellt. Also – alles, was ich zuvor gehabt habe, habe ich mit der Eheschließung aufgegeben.


Also blieb ich dabei. Stellte ihn zwar zur Rede. Aber inzwischen hatte ich ohnehin schon die Erfahrung gemacht, dass ich mit ihm nicht wirklich reden konnte. Entweder redeten wir aneinander vorbei. Oder er nahm ein Stichwort auf, und gab damit dem Gespräch eine ganz andere Richtung. Ich habe sehr sehr lange gebraucht, bis ich in Etwa herausgefunden hatte, wie es dazu kam, dass am Ende ich immer die Böse war, die etwas von ihm fordert … obwohl es meistens umgekehrt war. Außerdem konnte er ganz unauffällig von null auf hundert ausrasten – ohne dass ich merkte, wie es dazu gekommen war.


Eine sehr eindrückliche Erinnerung gilt einem ganz normalen Abend. Er saß im Wohnzimmer vor dem Fernseher, und ich war in der Küche und räumte alles wieder auf, nach dem Abendessen. Ich hatte dazu eine CD in den Player eingelegt, mit christlichen Liedern. Zwischendurch ging ich dann mal zu ihm ins Wohnzimmer, weil ich etwas fragen oder sagen wollte … und ganz unerwartet kam sofort ein aggressiver Ausraster von ihm. Er brüllte mal wieder los, ohne dass ich wusste, warum. 

Weinend ging ich dann wieder in die Küche und betete: Herr, ich weiß nicht, wie lange ich das noch so aushalte. Hilf mir doch bitte und zeige mir, was ich tun soll.


In der Küche hörte ich dann, dass der CD_Player gerade ein neues Lied abspielte.
Der Text (von Peter Strauch) lautete: (1.Strophe)

„Ich lasse dich nicht fallen, ich verlasse dich nicht,
sei mutig, sei mutig und stark.
Bläst dir der Wind entgegen, und schlägt dir ins Gesicht,
sei mutig, sei mutig und stark.
Der Gott der dich geschaffen hat und dir das Leben gab 
der kennt dich gut und gibt dir Mut, an jedem neuen Tag.
Er fängt dich auf, wenn du versagst, du fällst in seine Hand.
Sei mutig, sei mutig und stark.“


Wie eine Verdurstende, hörte ich mir die weiteren Strophen des Liedes andächtig an, meine Tränen liefen nur so …. und ich fühlte mich plötzlich eingehüllt und umarmt…. Und gestärkt.


Ich war 33 Jahre alt, als mein erstes Kind, eine Tochter geboren wurde – und fühlte mich reich beschenkt.

An die erste halbe Stunde nach der Geburt erinnere ich mich noch sehr gut. Man hatte mir meine Tochter in die Arme gelegt und mich für eine Weile alleine mit ihr gelassen, weil es noch irgendwo anders einen Notfall gab. Ich schaute staunend auf das winzige Lebewesen in meinem Arm. Sie hatte die Augen auf, war ganz still, und schaute mich ganz lange einfach nur an. So als wenn sie genauso staunen würde wie ich.


Als meine Tochter drei Monate alt war, brauchte sie eine kleine OP, welche in einer Kinderklinik in Hamburg durchgeführt werden sollte. Dafür sollte sie ungefähr drei Tage dort bleiben. Wir fuhren mit dem Auto dorthin und natürlich blieb ich bei ihr. Am nächsten Tag wurde sie dann zur OP abgeholt, und ich gönnte mir erst einmal ein Frühstück. Danach ging ich wieder zur Station, aber sie war noch nicht fertig. Und mir wurde gesagt, ich könne noch ein bisschen spazieren gehen. 

Als ich dann wieder zur Station kam, war sie immer noch nicht da. Und das schien auch nicht so normal zu sein, wie ich der Reaktion der Krankenschwester entnahm. 

Ich fing an, mir Sorgen zu machen. Ging nochmal raus und betete ununterbrochen: „Bitte Herr, erhalte mir mein Kind … nimm es mir bitte nicht wieder weg“. Die OP sollte eigentlich nur eine viertel Stunde dauern, und danach noch einige Zeit im Aufwachraum. 

Es dauerte etwa zwei Stunden, bis sich endlich der Arzt meldete. Die Krankenschwester kam mit ihm zu mir und sagte zu dem Arzt: „das können sie der Mutter jetzt mal selbst sagen“. Er erklärte dann, dass die OP ganz normal gelaufen war, aber meine Tochter nicht mehr selbstständig geatmet hat danach. Sie mussten sie eine längere Zeit beatmen, bis alles wieder in Ordnung war. Aber jetzt sei alles wieder okay. Wahrscheinlich wäre sie gegen das Narkosemittel allergisch. 

Das war eine riesige Erleichterung, als ich meine Tochter endlich wieder in die Arme nehmen konnte.


Sonntag, 19. Februar 2023

Erinnerungen 011 - Beginn der Ehe

 

Mein neuer Briefkontakt wohnte im Hamburger Umland...also etwa 500 km entfernt von meinem Wohnort. Da er ein Auto hatte, kam er erst einmal ein Wochenende zu mir. Es schien so, dass wir uns verstehen, darum kam er noch ein paarmal zu mir, und wir beschlossen, es miteinander zu versuchen…

Als ich zwischendurch mal den Eindruck hatte, dass er es mit dem Glauben nicht so genau nahm, wollte ich mich von ihm wieder trennen. Dann rief aber seine Schwester bei mir an (ich kannte sie bis dahin noch nicht) und sagte, dass er weinend zu ihr gekommen wäre, um ihr von der Trennung zu erzählen. Nach einem Gespräch mit ihr, über eine halbe Stunde, beschloss ich dann aber, uns noch eine Chance zu geben.


Zunächst schien es, dass er nicht wollte, dass ich ihn besuche. Als wir uns dann aber an meinem 30. Geburtstag verloben wollten, feierten wir die Verlobung erst mit meiner Familie in NRW, und dann fuhren wir zu seiner Familie, um mich auch dort vorzustellen.


Von da an trafen wir uns in einem Rhythmus von zwei Wochen, immer an den Wochenenden. Ein Wochenende kam er zu mir, das nächste fuhr ich (mit dem Zug) zu ihm. Zwischendurch schrieben wir Briefe und telefonierten miteinander. Neun Monate später heirateten wir dann in meiner Heimatgemeinde in NRW.


Bei meinen Besuchen bei ihm merkte ich, dass das Verhältnis von Sohn und Mutter nicht besonders gut war. Sie schrien sich manchmal an, dass es mir Angst und bange wurde. Ich sagte ihm deshalb, dass ich auf keinen Fall bei ihr einziehen würde. Er wohnte bis dahin im Obergeschoss des Hauses, und zunächst war angedacht, dass wir erst einmal zusammen dort einziehen würden.

Fast hätte ich dann aber, etwa einen Monat vor der Hochzeit, doch wieder Schluss gemacht. Als er mir dann erzählte, dass er mit seiner Schwester und mit der Mutter Möbel eingekauft hätten für die ganze Wohnung, in einem anderen Haus, das der Familie gehörte, in die wir beziehen wollten. Eigentlich hatten wir vorher abgemacht, dass wir einfach klein anfangen … und uns unsere Möbel dann nach und nach anschaffen. Natürlich war ich enttäuscht, dass ich jetzt vor vollendete Tatsachen gestellt wurde. Klar, wir bekamen die Möbel von der Mutter geschenkt. Aber ich hätte schon auch gerne mit entschieden, womit unsere gemeinsame Wohnung möbliert wird. Aber da die Hochzeit schon fest gelegt war und auch die Einladungen schon raus waren, habe ich mich einfach den Gegebenheiten gefügt.


Für unsere „Hochzeitsreise“ hatte ich mein Konto für „vermögenswirksame Leistungen“ aufgelöst. Mit dem Geld konnten wir dann zwei Wochen in den Schwarzwald (Bad Säckingen) fahren. Dort haben wir dann einige Städte besucht – auch den alten Erinnerungsort: Lörrach.


Weil in dem Wohnhaus, das damals noch meiner Schwiegermutter gehörte, noch etwas gearbeitet werden musste, wohnten wir dann noch zwei Wochen im Gästezimmer bei meiner Schwiegermutter. … bis wir dann offiziell in unsere Wohnung einzogen und von nun an dort wohnten...



Freitag, 17. Februar 2023

Erinnerungen 010 - EBM

 
Bevor ich nach Bad Homburg umgezogen bin, musste ich erst einmal eine kleine Wohnung dort finden. Mein neuer Arbeitgeber schlug vor, dass ich auf seine Kosten erst einmal in eine Pension ziehe, bis ich etwas Passendes gefunden habe. In der Pension war ich nur ein paar Tage. Ein Mitarbeiter hat eine Anzeige in der Zeitung geschaltet. Es kam ein Angebot von einem Zimmer im zweiten Stock, möbliert und mit Waschbecken. Toilette wäre in der Nachbarwohnung. Das war mein erstes eigenes Reich ohne Mitbewohner.



Zunächst war das Büro im Stadtzentrum. Aber ein halbes Jahr später zogen wir um, in ein ganz neues Bürohaus, am anderen Ende der Stadt. Von meiner Wohnung konnte ich mit dem Bus fahren, der etwa 300 m weiter abfuhr und ca. 500 m vom Büro entfernt Endstation hatte. Der Bus fuhr aber relativ lange, erst durch die Stadt. Darum bin ich manchmal auch den ganzen Weg zu Fuß gelaufen, wofür ich fast eine Stunde brauchte. Damals machte es mir nichts aus, weit zu laufen. Das war ich von zu Hause gewohnt, da wir kein Auto in der Familie hatten.


Etwa ein halbes Jahr später zog eine meiner jüngeren Schwestern auch nach Bad Homburg, weil sie eine Ausbildung in dem Krankenhaus begonnen hat, das direkt gegenüber von meiner Wohnung lag. Dort wohnte sie im Schwesternwohnheim und kam mich öfter auch besuchen. Das war zwar nicht immer einfach, weil sie schwierig war und oft auch aggressiv agiert und reagiert hat. Aber es war eben Familie, und ich war nicht wirklich alleine mehr dort.


In dem Zimmer habe ich fast zwei Jahre gewohnt. Dann bin ich umgezogen in eine kleine Dachgeschoss-Wohnung eines Hauses, in dem noch ein Stock tiefer Studenten wohnten. Die Wohnung lag auch wieder an einem ganz anderen Ende der Stadt – von der vorigen Wohnung aus gesehen, aber auch vom Büro aus. Zwischen dem Büro und der neuen Wohnung lag ein Wald, durch den ein Weg direkt zum Büro führte. Mit dem Fahrrad war ich dann nur eine halbe Stunde unterwegs. Mit dem Bus brauchte ich länger. Darum bin ich öfter mit dem Fahrrad gefahren. Dann kam ich zwar meistens verschwitzt im Büro an. Aber das hat mich nicht gestört.


Meine Schwester hatte inzwischen ihre Ausbildung wieder abgebrochen und hatte geheiratet und wohnte mit ihrem Mann in Frankfurt. Aber etwa ein halbes Jahr, nachdem ich in meine neue Wohnung gezogen war, zog die jüngste Schwester mit zu mir in diese Wohnung. Sie hatte ihre Ausbildung – auch als Krankenschwester – in Düsseldorf unterbrochen … und konnte diese nun in Frankfurt fortsetzen. Weil sie erst kurz zuvor einen Führerschein gemacht hat, und ein Auto besaß, konnten wir damit auch öfter mal zusammen irgendwo hin fahren. So hatten wir beide etwas davon… sie konnte bei mir wohnen und ich konnte mit ihrem Auto mitfahren wo ich ohne Auto nicht so leicht hin käme.


Die neue Wohnung war auch nahe bei einer U-Bahn-Station, in Richtung Frankfurt. Bei einer Fahrt nach Frankfurt hatte ich dann entdeckt, dass auf der Strecke eine Haltestelle war, die sich direkt gegenüber einer Baptistengemeinde befand – in Frankfurt-Eschersheim. Ich beschloss, einfach mal dort reinzuschauen - und es gefiel mir auf Anhieb … viel besser, als die Gemeinde in Bad Homburg. So hatte ich dann ohnehin schon die Gemeinde gewechselt, und meine Schwester ist mit mir dorthin gekommen. Und weil sie eben ein Auto hatte, konnten wir auch die Jugend– und Jungen-Erwachsenen-Gruppe in Ffm-Höchst besuchen. Die beiden Gemeinden gehörten irgendwie zusammen.


Nicht viel später meldete dann unser Vermieter Eigenbedarf an, und wir mussten eine neue Wohnung suchen. Die fanden wir dann in Oberursel. Die Straße, in der wir wohnten, hieß: „Im Rosengärtchen“. Nicht weit davon war eine riesige amerikanische Militäranlage. Und nur ein paar hundert Meter in die andere Richtung lag ein unendlicher Wald .. der Taunus.


Ich hatte Glück – auch hier gab es, einen fünf Minuten Fußweg entfernt von der Wohnung, eine U-Bahn-Station. Damit konnte ich zum Bahnhof fahren, von dort aus nach Bad Homburg zum Bahnhof und dann mit dem Bus ins Büro…. ein Arbeitsweg von etwa einer Stunde. Alternativ konnte ich aber auch mit der Bahn eine Station weiterfahren, und eine halbe Stunde durch die Felder zum Büro laufen. Die Zeit war die gleiche. Ich habe öfter den Weg durch die Felder genommen, weil er mir besser gefiel, als die ganze Zeit im Bus oder Bahn zu sitzen.


Meine Schwester, die mit mir zusammenwohnte hat ab und zu angemerkt, dass sie nicht immer mit mir zusammen wohnen wolle. Im Blick auf das Ende ihrer Ausbildung kam die Frage auf, wie es danach weiter gehen sollte. Das hieße, dass ich vielleicht in absehbarer Zeit wieder alleine wäre.
Außerdem dachte ich daran, dass ich nun bald dreißig Jahre alt werde, und immer noch Single war. Zwischendurch hatte ich ab und zu schon mal auf Anzeigen in einem christlichen Magazin „Neues Leben“ geantwortet, unter der Rubrik: „Briefkontakte“. Aber irgendwie kam es nie zu viel mehr, als Briefe schreiben.
In einer Bibelstunde kam dann mal das Thema zu der Geschichte von Jakob, dessen Diener ihm seine Frau „Rebekka“ suchte. Jemand sagte: es ist egal, auf welche Weise man den Partner sucht. Wichtig ist nur, dass man ihn mit Gott zusammen sucht, nach seinem Willen fragt (so ähnlich). Und dann beschloss ich, einfach mal selbst eine Anzeige aufzugeben, so als letzten Versuch auf diese Weise. Ich bekam 21 Antworten darauf.


Manche Antworten habe ich gleich aussortiert. Aber ein paar habe ich dann doch auch beantwortet. Einer davon meldete sich am schnellsten. Seine Briefe klangen ganz gut, und ich schrieb ihm zurück – schickte ein Foto von mir und er schickte ein Foto von sich. Später kamen dann noch ein paar andere Antworten von Männern, die auch ganz passabel klangen, so dass ich zurück schrieb. Aber dann wurde es mir doch zu viel, da nach und nach die „Anwärter“ abzuklappern. Zwischen dem Ersten waren nun schon ein paar Briefe hin und her gereist. Und so beschloss ich, alle anderen abzusagen und mich auf diesen Einen zu konzentrieren.....


Donnerstag, 16. Februar 2023

Erinnerungen 009 - DMG

 In Sinsheim auf dem Buchenauerhof, bei der DMG, wohnte ich letztendlich nur vier Monate. Ich kannte den Ort ja schon von zwei Praktikums-Einsätzen (jeweils zwei Monate) die von der Bibelschule ausgingen. Die Praktika's habe ich im Büro gemacht. Als Kandidatin musste ich „überall“ im Haus mitarbeiten, wo ich gebraucht wurde.


Das war für mich eigentlich auch kein Problem. Ich habe schon oft geputzt und sonstige Hausarbeiten verrichtet. Zu Hause mussten wir auch überall mit anpacken und waren arbeiten gewohnt. Aber eines Tages, als ich gerade dabei war, den Flur vor dem Büro zu wischen, kam die „Hausmutter“ vorbei, und sagte (mitleidig klingend) so was ähnliches wie: „mach dir nichts draus, da mussten wir alle mal durch“…

… und plötzlich schien es mir, als wenn meine Arbeit eine negative Last sein musste. Alles war anders als vorher. Es ist erschreckend, wie solche Bewertungen einem plötzlich die Freude an manchem Tun nehmen kann. Für mich war, von diesem Zeitpunkt an, Putzen eine Arbeit, die negativ empfunden wurde.


Ansonsten bekam ich wieder meine Spezialaufgabe: Kinderstunden geben. Da die meisten Kinder Missionarskinder in Heimaturlaub oder in der Vorbereitung waren, waren sie die Art von Kinderstunden (Lieder singen und Bibelgeschichten hören) gewohnt. Man konnte mit denen richtig etwas anfangen. Wir haben sogar bei einer Aussendungsfeier ein paar Lieder zweistimmig gesungen, so dass die Leute begeistert waren, dass wir so etwas in kurzer Zeit geschafft hatten, einzuzüben. Dreimal musste ich auch für ein paar Tage „Ersatzmutter“ für Missionarskinder „spielen“, während die Eltern zu Missionsvorträgen in Gemeinden unterwegs waren.


So hatte sich auch hier festgesetzt, dass ich unbedingt mit Kindern arbeiten müsse. Irgendwann kam die Frage auf, dass ich vielleicht in einem Kindergarten oder Kinderheim in Spanien arbeiten könne, wo gerade jemand zur Unterstützung gesucht wurde. In Japan hatte die DMG zu dem Zeitpunkt noch keine Missionare. Wenn ich mich also auf Japan festlegen wollte, müsste ich möglicherweise eine andere Missionsgesellschaft suchen … die evtl. dann auch mit der DMG zusammen arbeiten würde.


Das alles hat mich in dem Moment ziemlich verunsichert. Vor allem aber auch, dass ich allein war. Man versuchte zwar, alleinstehende Frauen zu zweit auf‘s „Missionsfeld“ zu schicken. Aber manchmal wurde man auch nur einer Familie zugeordnet, mit denen zusammen zu arbeiten. Single‘s als Missionar bedeutete, die ganze Vorbereitung (Sprache lernen, Unterstützer suchen mit Missionsvorträgen, Vorbereitungskurse...etc) alleine in Angriff zu nehmen und Entscheidungen zu treffen. Nachdem ich eine Weile drüber nachgedacht habe, beschloss ich, einen Versuch zu machen, irgendetwas mit Mission in Deutschland zu machen … vielleicht wieder im Büro. Ich schrieb einen Brief an den Pastor in der Baptistengemeinde meines Heimatortes. Ihn fragte ich, ob er irgendeinen Tipp hätte, wo ich in Deutschland in einem Missionsbüro arbeiten könne.


Und so fand ich einen Job als Buchhalterin bei der Europäisch-Baptistischen-Mission „EBM“. Das Büro dieser Mission ist im Bürohaus des Bundes Evangelisch-freikirchlicher-Gemeinden „BefG“ in Bad Homburg vdH … nahe bei Frankfurt. 

Bei der DMG war ich also, einschl. Praktikumszeiten, insgesamt ungefähr acht Monate Mitarbeiterin.


Erinnerungen 008 - GAP und Heidkate

 

Garmisch-Partenkirchen, am Fuß der „Zugspitze“ war mein nächster Wohnort. Dort gab es ein 300 Jahre altes Haus in der Zugspitzstraße, das der DIM gehörte. Das Ziel der Standorte der DIM war Gemeindegründung. So gab es in GAP eine Teestube, in der man sich in verschiedenen Gruppen traf, und im ersten Stock ein paar Schlafzimmer und eine Küche, für Freizeiten, die ab und zu dort stattfanden.


Am häufigsten waren Seniorentreffen. Die trafen sich zu Kaffee und Kuchen, und einer Andacht. Es gab eine Kartei über Besucher, die irgendwann mal dort waren. Und ich hatte u.a. die Aufgabe, Leute zu besuchen, die schon länger nicht zu den Treffen gekommen sind. Die ersten Male ging ich mit meiner Schwester zusammen, später alleine. Ich sollte einerseits missionieren – und gleichzeitig zu den Treffen einladen. Lief bei mir erst etwas holprig und schwierig. Aber dann gefiel es mir sogar, weil ich „den Bogen raus hatte“, wie man den Einstieg formulieren kann, um ins Gespräch zu kommen. Es gab auch ein paar Leute, die weiter weg wohnten, aber schon bei den Treffen dabei waren – die wir dann mit dem Auto meiner Schwester gemeinsam besuchten.


Ansonsten gab es einiges im Haushalt zu tun: Kuchen backen für die Senioren-Nachmittage und Snacks und Tee für die Teestuben-Abende, mit der jüngeren Generation. Außerdem auch Vorbereitung und Aufräumen für die Freizeiten und sonstige Gäste, die über Nacht blieben. Es kamen auch gerne mal ein paar Leute über das Wochenende, zB aus Siegen, dem Sitz der DIM – wo meine Schwester am Anfang auch stationiert war.

Alles in Allem war es eine interessante Zeit, die etwas lockerer lief, weil alle Beteiligten eher locker drauf waren.


Zu Ostern gab es dann ein Mitarbeiter-Treffen am Schönberger Strand, wohin ich dann mitgenommen wurde, zu meinem nächsten Einsatz.

Der war dann überwiegend in der Küche und bei der Hausarbeit und Bedienung für die Gäste. Es gab dort noch ein paar andere Mädels, die etwas jünger als ich waren, und so etwas wie ein „Soziales Jahr“ machten … oder wie es hier genannt wurde: „Ein Jahr für Gott“. Wir wohnten die meiste Zeit zu viert in einem kleinen Raum, mit zwei Doppelstock-Betten. Es gab in diesem Gästehaus aber ohnehin nur Mehr-Personen-Zimmer, weil meistens nur kleinere Gruppen dort Freizeiten veranstalteten.


Meine Aufgaben als Praktikantin für Mission waren dann auch etwas erweitert, gegenüber denen, die ein soziales Jahr machten. Mir wurden die Kinderstunden zugeordnet, und bescheinigt, dass ich es „gut“ mache. Der Pastor einer Familienfreizeit behauptete, er würde noch nicht einmal seine Konfirmanden dazu bewegen, so viele (Lied-)Texte auswendig zu lernen, wie ich es mit den Kindern machte.


Es gibt etliche Eindrücke aus dieser Zeit, an die ich mich heute noch erinnere. Besonders aber auch, dass es einen Koch dort in der Küche gab, in den ich mich verguckt hatte. Und so wie es schien, auch er in mich. Wir haben aber ständig miteinander nur „durch die Blume“ miteinander geblödelt, nie Klartext geredet. Dabei schien es allen, die mit uns dort arbeiteten, so klar, dass sie sich öfter mal einmischten, uns versuchten zu provozieren, dass wir doch mal „Nägel mit Köpfen“ machen sollten. Aber am Ende der Zeit ging ich wieder – und es blieben schöne Erinnerungen.


Einmal hat eine Familienfreizeit-Gruppe uns alle zu einer Tagestour nach Helgoland eingeladen. Das war noch zu einer Zeit, als es direkt nach Helgoland keinen Anleger gab. Unser Schiff warf den Anker ein paar hundert Meter vor der Insel, und wir wurden in Motorboote verfrachtet, die uns dann an Land fuhren. Das war ein Tag, an dem ziemlich hoher Seegang war, auf der Hinfahrt. Die meisten Passagiere waren seekrank und hingen spuckend (kotzend) über der Reeling. Ich habe die ganze Zeit drauf gewartet, dass es mir auch schlecht geht – aber ich habe gar nichts gespürt … war also seefest.

Einmal sind wir in der längeren Mittagspause mit dem Koch in seinem Schlauchboot ein wenig weiter raus auf die Ostsee gefahren. Ich konnte zwar schwimmen, aber fühlte mich in tiefem Wasser nicht so wirklich sicher. In der Mitte auf See alberten die anderen so toll herum, dass ich Angst hatte, ins Wasser zu fallen. Als es dann so doll wurde, bin ich dann einfach selbstständig über Bord gegangen, um zurück zum Strand zu schwimmen. Vom Ausgangspunkt kam es mir gar nicht so weit vor. Aber als ich dann unterwegs war, schien der Weg unendlich zu sein. Ich habe mir immer wieder selbst zugeredet, langsam und ruhig zu atmen und mich zu bewegen … und habe es dann tatsächlich geschafft… bin schnaufend in den Sand gefallen und mich erst einmal erholt. Aber danach habe ich solch eine Bootstour nicht wieder gemacht.


Meine letzten zwei Wochen dort wurde ich als „Aufsicht“ alleine mit den Mädels im leeren Gästehaus gelassen. Ich weiß nicht mehr, was genau wir in der Zeit gemacht haben. Ich habe jedenfalls für uns gekocht und ein bisschen organisiert. Eines Tages kam ein Mann an die Tür, der sagte, er käme aus der Nachbargemeinde und kennt die Mitarbeiter der Mission. Wir haben ihn reingelassen, weil er anfangs ganz manierlich zu sein schien. Aber im Laufe der Gespräche wurde er immer komischer, redete so, als wenn er Jesus sei, und steigerte sich so sehr, dass wir tatsächlich Angst bekamen. Wir haben dann einen Mitarbeiter angerufen und gefragt, was wir machen sollten. Der hat dann einen anderen Mann aus der Nachbargemeinde (Baptisten) dorthin bestellt, der diesen Mann kannte. Der sagte, dass dieser Mensch, als er ihn zuletzt getroffen hat, noch ganz normal gewesen sei. Jetzt schien er immer mehr auszuticken. Der Helfer ist dann über Nacht im Gästehaus geblieben, mit dem Randalierer, und hat am Morgen, als es so schlimm wurde, dass eine Scheibe dabei zu Bruch ging, dafür gesorgt, dass der Mann in die Psychiatrie abgeholt wurde.


Noch ein paar ruhige Tage folgten … und dann ging mein Weg erst einmal wieder zu meinen Eltern nach NRW … bis ich dann als „Missionskandidatin“ zunächst für eine Probezeit, nach Sinsheim (BUchenauerhof) zur Deutschen Missionsgemeinschaft „DMG“ umzog.


Mittwoch, 15. Februar 2023

Erinnerungen 007 - Bibelschule

 Zwei Jahre wohnte ich nun an einen wunderschönen Ort in der Schweiz, im Berner Oberland, auf ca. 1100 m Höhe, direkt über dem Thuner See – und gegenüber die Sicht auf die Berg-Geschwister: „Eiger, Mönch und Jungfrau“.


Ich hatte mich für die Bibelschule entschieden, in welcher zuvor meine Schwester war. Zwischendurch hatte ich sie dort auch mal besucht, und war fasziniert von der Aussicht, der Bergwelt. Wenn man „oben“ war, dann war „das da unten“ ganz weit weg, und schien überhaupt keinen Einfluss mehr zu haben. Die Stimmung dort oben war einzigartig.


Es war für mich auch sehr bereichernd, endlich mal etwas näher dran zu sein, an dem, was „Glauben“ eigentlich ausmacht. Es war einerseits schwierig für mich, in mein Gedankenchaos mal Struktur zu bringen und mich so auszudrücken, dass andere es auch nachvollziehen können. Überhaupt begriff ich nach und nach, warum ich an Gott/Jesus glaube, und wie man so manche Fragen beantworten kann.

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Nach jedem Semester wurde eine Semesterarbeit geschrieben. Man konnte jeweils zwischen drei Themen wählen. Ich erinnere mich an eine Arbeit, wo ich das Thema sehr interessant fand und gleich drauf los schrieb. Dann aber mich so verzettelt hatte, dass ich selbst den Überblick verlor. Wir durften aber auch eine Lehrerin ansprechen, wenn wir Probleme hatten. Ich ging zu hier – fing bei dem Gespräch an zu weinen – so dass sie erst einmal mit mir betete und dann ruhig zuhörte. Dann erklärte sie mir Strukturen: Einleitung – Hauptteil – Abschluss. Und sie machte mir klar, dass ich aus vielen kleinen Botschaften nur drei markante auswählen sollte. Sie gab mir sogar Tipps, welche ich für dieses Thema wählen könnte und wie ich es am Ende zusammen bringen könnte. Danach war es dann plötzlich ganz leicht. Ich schrieb und schrieb – und war noch innerhalb der vorgegebenen Zeit fertig. Ich hatte wesentliche Bestandteile gelernt, um Struktur in einen Bericht zu geben. Und seitdem hat es mir Spaß gemacht, zu schreiben und erzählen.

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Einmal, als ich (wieder einmal) zweifelte, ob ich am richtigen Platz sei, las ich „zufällig“ den Psalm 23. Und mein Blick blieb am Vers 3 hängen:

„Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.“


In dem Moment wurde es mir klar, worum es wirklich geht: Gott führt NICHT, weil ich richtig bin oder alles so gut hinkriege … sondern „um Seines Namens willen“….


Gott WILL, dass ich den Weg mit IHM gehe – und wenn ich das auch will, dann führt er mich auch – weil ER es will.

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Die Bibelschule war zu dem Zeitpunkt sehr missionarisch ausgerichtet. Die meisten Absolventen empfanden während der Lehrzeit einen „Ruf“ in ein bestimmtes Land oder eine bestimmte Aufgabe. Dafür durften wir uns auch ziemlich häufig Missionsvorträge von Ehemaligen der Bibelschule anschauen.

Ich habe auch lange auf solch einen „Ruf“ gewartet. Da aber meistens Leute für den Gesundheitsbereich gesucht wurden, und das absolut nichts für mich wäre, gab es lange nichts Passendes für mich. Aber eines Tages kam es dazu, als ich während einem Praktikum bei einer großen Missionsgesellschaft innerhalb einer Missionskonferenz einen Japaner hörte: "wir brauchen keine Krankenschwestern, keine Ärzte, sondern nur Menschen, die für Jesus brennen" (so ähnlich). Da dachte ich: das ist es!


Seitdem verstand ich meinen Ruf für Japan. Ich versuchte auch, zu Missionaren in Japan Kontakt zu bekommen. Fragte auch einen Japaner in der Bibelschule, ob er mir schon ein bisschen Japanisch beibringen könnte, was er dann auch tat. Und zum Ende der Lehrzeit fragte ich die Missionsgesellschaft, bei der ich inzwischen schon zweimal Praktikum (im Büro) machte, was ich denn dazu brauche, um von ihnen als Missionarin aufgenommen zu werden. Dort wurde mir dann gesagt, dass ich dafür zunächst ein einjähriges „Gemeindepraktikum“ benötigte.

Und wieder einmal war für mich meine Schwester ein passender „Vorläufer“. Sie arbeitete inzwischen bei der der Deutschen Inlandsmission „DIM“., schon im dritten Ort. Und bei der Nachfrage bei meiner Missionsgesellschaft wurde mir bestätigt, dass ich mein Praktikum auch bei der DIM machen könne.


So war mein nächster Wohnort „Garmisch-Partenkirchen“, wo im Moment auch meine Schwester stationiert war. Dort sollte ich ein halbes Jahr bleiben, um dann im April bis Ende August zum „Schönberger Strand“ überzuwechseln, um dort in einem Gästehaus mitzuarbeiten.