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Dienstag, 21. Februar 2023

Erinnerungen 012 - Anfang Ehe bis Geburt des 1. Kindes

 Am Anfang meiner Zeit in diesem neuen Ort fühlte ich mich oft alleine. Vieles hatte sich, quasi über Nacht, geändert. Meine Freunde und meine Verwandtschaft wohnten weit weg. Und die Gruppe für junge Erwachsene war von da an auch tabu – denn jetzt waren wir ein Ehepaar. Es gab eine ganze Menge Verwandtschaft meines Mannes dort. Davon kamen einige auch am Anfang mal rein um zu schauen, wie wir denn so wohnten. In der Gemeinde kam es mir so vor, je größer die Gemeinschaft gerade war, desto mehr alleine war ich. Ich erinnere mich noch an einen Sonntag, wo nach dem Gottesdienst noch ein Treffen aller Gemeindemitglieder in einem Raum war. Ich stand mit einer Kaffeetasse in der Hand, mitten drin im Gedränge. Links und rechts redeten die Leute miteinander … und ich stand mittendrin alleine da. Man sagte mir hinterher, dass ich einfach die Leute ansprechen müsste, wenn ich beachtet werden will. Das war aber nicht so mein Ding … zumindest damals noch nicht.


Nach etwa einem Jahr, als wir beide gerade auf einem Wochenend-Trip in Braunschweig waren, machte ich meinen ersten Schwangerschaftstest … der war positiv. In dem Moment änderte sich alles für mich. Ich träumte von der Zeit, wann das Baby da ist, und das war schön.


Partnerschaftsmäßig war es oft weniger schön. Meine rosa Brille ist ziemlich schnell verloren gegangen. Höhepunkt war ein Morgen, wo ich mit meiner Schwägerin telefonierte, und darüber aufgeklärt wurde, dass mein Mann mir über ganz viele wichtige Einzelheiten seines Lebens einfach Dinge vorgelogen hatte. Schon zuvor hatte ich erkannt, dass er es mit der Wahrheit nicht so genau nahm. Aber an dem Morgen stürzte mein gesamtes Kartenhaus zusammen. Ich habe mich echt gefragt, wen ich da geheiratet habe. Und natürlich kamen auch Gedanken über Trennung bei mir auf. Aber ich dachte, ich müsse da jetzt durch, weil man sich als Christ nicht scheiden lassen darf. Und außerdem wusste ich nicht wirklich, was ich denn machen sollte, wenn ich wieder alleine wäre. Ich müsste wieder etwas ganz Neues anfangen. Bei christlichen Missionsgesellschaften würde ich als Geschiedene sicher auch nicht mehr angestellt. Also – alles, was ich zuvor gehabt habe, habe ich mit der Eheschließung aufgegeben.


Also blieb ich dabei. Stellte ihn zwar zur Rede. Aber inzwischen hatte ich ohnehin schon die Erfahrung gemacht, dass ich mit ihm nicht wirklich reden konnte. Entweder redeten wir aneinander vorbei. Oder er nahm ein Stichwort auf, und gab damit dem Gespräch eine ganz andere Richtung. Ich habe sehr sehr lange gebraucht, bis ich in Etwa herausgefunden hatte, wie es dazu kam, dass am Ende ich immer die Böse war, die etwas von ihm fordert … obwohl es meistens umgekehrt war. Außerdem konnte er ganz unauffällig von null auf hundert ausrasten – ohne dass ich merkte, wie es dazu gekommen war.


Eine sehr eindrückliche Erinnerung gilt einem ganz normalen Abend. Er saß im Wohnzimmer vor dem Fernseher, und ich war in der Küche und räumte alles wieder auf, nach dem Abendessen. Ich hatte dazu eine CD in den Player eingelegt, mit christlichen Liedern. Zwischendurch ging ich dann mal zu ihm ins Wohnzimmer, weil ich etwas fragen oder sagen wollte … und ganz unerwartet kam sofort ein aggressiver Ausraster von ihm. Er brüllte mal wieder los, ohne dass ich wusste, warum. 

Weinend ging ich dann wieder in die Küche und betete: Herr, ich weiß nicht, wie lange ich das noch so aushalte. Hilf mir doch bitte und zeige mir, was ich tun soll.


In der Küche hörte ich dann, dass der CD_Player gerade ein neues Lied abspielte.
Der Text (von Peter Strauch) lautete: (1.Strophe)

„Ich lasse dich nicht fallen, ich verlasse dich nicht,
sei mutig, sei mutig und stark.
Bläst dir der Wind entgegen, und schlägt dir ins Gesicht,
sei mutig, sei mutig und stark.
Der Gott der dich geschaffen hat und dir das Leben gab 
der kennt dich gut und gibt dir Mut, an jedem neuen Tag.
Er fängt dich auf, wenn du versagst, du fällst in seine Hand.
Sei mutig, sei mutig und stark.“


Wie eine Verdurstende, hörte ich mir die weiteren Strophen des Liedes andächtig an, meine Tränen liefen nur so …. und ich fühlte mich plötzlich eingehüllt und umarmt…. Und gestärkt.


Ich war 33 Jahre alt, als mein erstes Kind, eine Tochter geboren wurde – und fühlte mich reich beschenkt.

An die erste halbe Stunde nach der Geburt erinnere ich mich noch sehr gut. Man hatte mir meine Tochter in die Arme gelegt und mich für eine Weile alleine mit ihr gelassen, weil es noch irgendwo anders einen Notfall gab. Ich schaute staunend auf das winzige Lebewesen in meinem Arm. Sie hatte die Augen auf, war ganz still, und schaute mich ganz lange einfach nur an. So als wenn sie genauso staunen würde wie ich.


Als meine Tochter drei Monate alt war, brauchte sie eine kleine OP, welche in einer Kinderklinik in Hamburg durchgeführt werden sollte. Dafür sollte sie ungefähr drei Tage dort bleiben. Wir fuhren mit dem Auto dorthin und natürlich blieb ich bei ihr. Am nächsten Tag wurde sie dann zur OP abgeholt, und ich gönnte mir erst einmal ein Frühstück. Danach ging ich wieder zur Station, aber sie war noch nicht fertig. Und mir wurde gesagt, ich könne noch ein bisschen spazieren gehen. 

Als ich dann wieder zur Station kam, war sie immer noch nicht da. Und das schien auch nicht so normal zu sein, wie ich der Reaktion der Krankenschwester entnahm. 

Ich fing an, mir Sorgen zu machen. Ging nochmal raus und betete ununterbrochen: „Bitte Herr, erhalte mir mein Kind … nimm es mir bitte nicht wieder weg“. Die OP sollte eigentlich nur eine viertel Stunde dauern, und danach noch einige Zeit im Aufwachraum. 

Es dauerte etwa zwei Stunden, bis sich endlich der Arzt meldete. Die Krankenschwester kam mit ihm zu mir und sagte zu dem Arzt: „das können sie der Mutter jetzt mal selbst sagen“. Er erklärte dann, dass die OP ganz normal gelaufen war, aber meine Tochter nicht mehr selbstständig geatmet hat danach. Sie mussten sie eine längere Zeit beatmen, bis alles wieder in Ordnung war. Aber jetzt sei alles wieder okay. Wahrscheinlich wäre sie gegen das Narkosemittel allergisch. 

Das war eine riesige Erleichterung, als ich meine Tochter endlich wieder in die Arme nehmen konnte.


Sonntag, 19. Februar 2023

Erinnerungen 011 - Beginn der Ehe

 

Mein neuer Briefkontakt wohnte im Hamburger Umland...also etwa 500 km entfernt von meinem Wohnort. Da er ein Auto hatte, kam er erst einmal ein Wochenende zu mir. Es schien so, dass wir uns verstehen, darum kam er noch ein paarmal zu mir, und wir beschlossen, es miteinander zu versuchen…

Als ich zwischendurch mal den Eindruck hatte, dass er es mit dem Glauben nicht so genau nahm, wollte ich mich von ihm wieder trennen. Dann rief aber seine Schwester bei mir an (ich kannte sie bis dahin noch nicht) und sagte, dass er weinend zu ihr gekommen wäre, um ihr von der Trennung zu erzählen. Nach einem Gespräch mit ihr, über eine halbe Stunde, beschloss ich dann aber, uns noch eine Chance zu geben.


Zunächst schien es, dass er nicht wollte, dass ich ihn besuche. Als wir uns dann aber an meinem 30. Geburtstag verloben wollten, feierten wir die Verlobung erst mit meiner Familie in NRW, und dann fuhren wir zu seiner Familie, um mich auch dort vorzustellen.


Von da an trafen wir uns in einem Rhythmus von zwei Wochen, immer an den Wochenenden. Ein Wochenende kam er zu mir, das nächste fuhr ich (mit dem Zug) zu ihm. Zwischendurch schrieben wir Briefe und telefonierten miteinander. Neun Monate später heirateten wir dann in meiner Heimatgemeinde in NRW.


Bei meinen Besuchen bei ihm merkte ich, dass das Verhältnis von Sohn und Mutter nicht besonders gut war. Sie schrien sich manchmal an, dass es mir Angst und bange wurde. Ich sagte ihm deshalb, dass ich auf keinen Fall bei ihr einziehen würde. Er wohnte bis dahin im Obergeschoss des Hauses, und zunächst war angedacht, dass wir erst einmal zusammen dort einziehen würden.

Fast hätte ich dann aber, etwa einen Monat vor der Hochzeit, doch wieder Schluss gemacht. Als er mir dann erzählte, dass er mit seiner Schwester und mit der Mutter Möbel eingekauft hätten für die ganze Wohnung, in einem anderen Haus, das der Familie gehörte, in die wir beziehen wollten. Eigentlich hatten wir vorher abgemacht, dass wir einfach klein anfangen … und uns unsere Möbel dann nach und nach anschaffen. Natürlich war ich enttäuscht, dass ich jetzt vor vollendete Tatsachen gestellt wurde. Klar, wir bekamen die Möbel von der Mutter geschenkt. Aber ich hätte schon auch gerne mit entschieden, womit unsere gemeinsame Wohnung möbliert wird. Aber da die Hochzeit schon fest gelegt war und auch die Einladungen schon raus waren, habe ich mich einfach den Gegebenheiten gefügt.


Für unsere „Hochzeitsreise“ hatte ich mein Konto für „vermögenswirksame Leistungen“ aufgelöst. Mit dem Geld konnten wir dann zwei Wochen in den Schwarzwald (Bad Säckingen) fahren. Dort haben wir dann einige Städte besucht – auch den alten Erinnerungsort: Lörrach.


Weil in dem Wohnhaus, das damals noch meiner Schwiegermutter gehörte, noch etwas gearbeitet werden musste, wohnten wir dann noch zwei Wochen im Gästezimmer bei meiner Schwiegermutter. … bis wir dann offiziell in unsere Wohnung einzogen und von nun an dort wohnten...



Freitag, 17. Februar 2023

Erinnerungen 010 - EBM

 
Bevor ich nach Bad Homburg umgezogen bin, musste ich erst einmal eine kleine Wohnung dort finden. Mein neuer Arbeitgeber schlug vor, dass ich auf seine Kosten erst einmal in eine Pension ziehe, bis ich etwas Passendes gefunden habe. In der Pension war ich nur ein paar Tage. Ein Mitarbeiter hat eine Anzeige in der Zeitung geschaltet. Es kam ein Angebot von einem Zimmer im zweiten Stock, möbliert und mit Waschbecken. Toilette wäre in der Nachbarwohnung. Das war mein erstes eigenes Reich ohne Mitbewohner.



Zunächst war das Büro im Stadtzentrum. Aber ein halbes Jahr später zogen wir um, in ein ganz neues Bürohaus, am anderen Ende der Stadt. Von meiner Wohnung konnte ich mit dem Bus fahren, der etwa 300 m weiter abfuhr und ca. 500 m vom Büro entfernt Endstation hatte. Der Bus fuhr aber relativ lange, erst durch die Stadt. Darum bin ich manchmal auch den ganzen Weg zu Fuß gelaufen, wofür ich fast eine Stunde brauchte. Damals machte es mir nichts aus, weit zu laufen. Das war ich von zu Hause gewohnt, da wir kein Auto in der Familie hatten.


Etwa ein halbes Jahr später zog eine meiner jüngeren Schwestern auch nach Bad Homburg, weil sie eine Ausbildung in dem Krankenhaus begonnen hat, das direkt gegenüber von meiner Wohnung lag. Dort wohnte sie im Schwesternwohnheim und kam mich öfter auch besuchen. Das war zwar nicht immer einfach, weil sie schwierig war und oft auch aggressiv agiert und reagiert hat. Aber es war eben Familie, und ich war nicht wirklich alleine mehr dort.


In dem Zimmer habe ich fast zwei Jahre gewohnt. Dann bin ich umgezogen in eine kleine Dachgeschoss-Wohnung eines Hauses, in dem noch ein Stock tiefer Studenten wohnten. Die Wohnung lag auch wieder an einem ganz anderen Ende der Stadt – von der vorigen Wohnung aus gesehen, aber auch vom Büro aus. Zwischen dem Büro und der neuen Wohnung lag ein Wald, durch den ein Weg direkt zum Büro führte. Mit dem Fahrrad war ich dann nur eine halbe Stunde unterwegs. Mit dem Bus brauchte ich länger. Darum bin ich öfter mit dem Fahrrad gefahren. Dann kam ich zwar meistens verschwitzt im Büro an. Aber das hat mich nicht gestört.


Meine Schwester hatte inzwischen ihre Ausbildung wieder abgebrochen und hatte geheiratet und wohnte mit ihrem Mann in Frankfurt. Aber etwa ein halbes Jahr, nachdem ich in meine neue Wohnung gezogen war, zog die jüngste Schwester mit zu mir in diese Wohnung. Sie hatte ihre Ausbildung – auch als Krankenschwester – in Düsseldorf unterbrochen … und konnte diese nun in Frankfurt fortsetzen. Weil sie erst kurz zuvor einen Führerschein gemacht hat, und ein Auto besaß, konnten wir damit auch öfter mal zusammen irgendwo hin fahren. So hatten wir beide etwas davon… sie konnte bei mir wohnen und ich konnte mit ihrem Auto mitfahren wo ich ohne Auto nicht so leicht hin käme.


Die neue Wohnung war auch nahe bei einer U-Bahn-Station, in Richtung Frankfurt. Bei einer Fahrt nach Frankfurt hatte ich dann entdeckt, dass auf der Strecke eine Haltestelle war, die sich direkt gegenüber einer Baptistengemeinde befand – in Frankfurt-Eschersheim. Ich beschloss, einfach mal dort reinzuschauen - und es gefiel mir auf Anhieb … viel besser, als die Gemeinde in Bad Homburg. So hatte ich dann ohnehin schon die Gemeinde gewechselt, und meine Schwester ist mit mir dorthin gekommen. Und weil sie eben ein Auto hatte, konnten wir auch die Jugend– und Jungen-Erwachsenen-Gruppe in Ffm-Höchst besuchen. Die beiden Gemeinden gehörten irgendwie zusammen.


Nicht viel später meldete dann unser Vermieter Eigenbedarf an, und wir mussten eine neue Wohnung suchen. Die fanden wir dann in Oberursel. Die Straße, in der wir wohnten, hieß: „Im Rosengärtchen“. Nicht weit davon war eine riesige amerikanische Militäranlage. Und nur ein paar hundert Meter in die andere Richtung lag ein unendlicher Wald .. der Taunus.


Ich hatte Glück – auch hier gab es, einen fünf Minuten Fußweg entfernt von der Wohnung, eine U-Bahn-Station. Damit konnte ich zum Bahnhof fahren, von dort aus nach Bad Homburg zum Bahnhof und dann mit dem Bus ins Büro…. ein Arbeitsweg von etwa einer Stunde. Alternativ konnte ich aber auch mit der Bahn eine Station weiterfahren, und eine halbe Stunde durch die Felder zum Büro laufen. Die Zeit war die gleiche. Ich habe öfter den Weg durch die Felder genommen, weil er mir besser gefiel, als die ganze Zeit im Bus oder Bahn zu sitzen.


Meine Schwester, die mit mir zusammenwohnte hat ab und zu angemerkt, dass sie nicht immer mit mir zusammen wohnen wolle. Im Blick auf das Ende ihrer Ausbildung kam die Frage auf, wie es danach weiter gehen sollte. Das hieße, dass ich vielleicht in absehbarer Zeit wieder alleine wäre.
Außerdem dachte ich daran, dass ich nun bald dreißig Jahre alt werde, und immer noch Single war. Zwischendurch hatte ich ab und zu schon mal auf Anzeigen in einem christlichen Magazin „Neues Leben“ geantwortet, unter der Rubrik: „Briefkontakte“. Aber irgendwie kam es nie zu viel mehr, als Briefe schreiben.
In einer Bibelstunde kam dann mal das Thema zu der Geschichte von Jakob, dessen Diener ihm seine Frau „Rebekka“ suchte. Jemand sagte: es ist egal, auf welche Weise man den Partner sucht. Wichtig ist nur, dass man ihn mit Gott zusammen sucht, nach seinem Willen fragt (so ähnlich). Und dann beschloss ich, einfach mal selbst eine Anzeige aufzugeben, so als letzten Versuch auf diese Weise. Ich bekam 21 Antworten darauf.


Manche Antworten habe ich gleich aussortiert. Aber ein paar habe ich dann doch auch beantwortet. Einer davon meldete sich am schnellsten. Seine Briefe klangen ganz gut, und ich schrieb ihm zurück – schickte ein Foto von mir und er schickte ein Foto von sich. Später kamen dann noch ein paar andere Antworten von Männern, die auch ganz passabel klangen, so dass ich zurück schrieb. Aber dann wurde es mir doch zu viel, da nach und nach die „Anwärter“ abzuklappern. Zwischen dem Ersten waren nun schon ein paar Briefe hin und her gereist. Und so beschloss ich, alle anderen abzusagen und mich auf diesen Einen zu konzentrieren.....


Donnerstag, 16. Februar 2023

Erinnerungen 009 - DMG

 In Sinsheim auf dem Buchenauerhof, bei der DMG, wohnte ich letztendlich nur vier Monate. Ich kannte den Ort ja schon von zwei Praktikums-Einsätzen (jeweils zwei Monate) die von der Bibelschule ausgingen. Die Praktika's habe ich im Büro gemacht. Als Kandidatin musste ich „überall“ im Haus mitarbeiten, wo ich gebraucht wurde.


Das war für mich eigentlich auch kein Problem. Ich habe schon oft geputzt und sonstige Hausarbeiten verrichtet. Zu Hause mussten wir auch überall mit anpacken und waren arbeiten gewohnt. Aber eines Tages, als ich gerade dabei war, den Flur vor dem Büro zu wischen, kam die „Hausmutter“ vorbei, und sagte (mitleidig klingend) so was ähnliches wie: „mach dir nichts draus, da mussten wir alle mal durch“…

… und plötzlich schien es mir, als wenn meine Arbeit eine negative Last sein musste. Alles war anders als vorher. Es ist erschreckend, wie solche Bewertungen einem plötzlich die Freude an manchem Tun nehmen kann. Für mich war, von diesem Zeitpunkt an, Putzen eine Arbeit, die negativ empfunden wurde.


Ansonsten bekam ich wieder meine Spezialaufgabe: Kinderstunden geben. Da die meisten Kinder Missionarskinder in Heimaturlaub oder in der Vorbereitung waren, waren sie die Art von Kinderstunden (Lieder singen und Bibelgeschichten hören) gewohnt. Man konnte mit denen richtig etwas anfangen. Wir haben sogar bei einer Aussendungsfeier ein paar Lieder zweistimmig gesungen, so dass die Leute begeistert waren, dass wir so etwas in kurzer Zeit geschafft hatten, einzuzüben. Dreimal musste ich auch für ein paar Tage „Ersatzmutter“ für Missionarskinder „spielen“, während die Eltern zu Missionsvorträgen in Gemeinden unterwegs waren.


So hatte sich auch hier festgesetzt, dass ich unbedingt mit Kindern arbeiten müsse. Irgendwann kam die Frage auf, dass ich vielleicht in einem Kindergarten oder Kinderheim in Spanien arbeiten könne, wo gerade jemand zur Unterstützung gesucht wurde. In Japan hatte die DMG zu dem Zeitpunkt noch keine Missionare. Wenn ich mich also auf Japan festlegen wollte, müsste ich möglicherweise eine andere Missionsgesellschaft suchen … die evtl. dann auch mit der DMG zusammen arbeiten würde.


Das alles hat mich in dem Moment ziemlich verunsichert. Vor allem aber auch, dass ich allein war. Man versuchte zwar, alleinstehende Frauen zu zweit auf‘s „Missionsfeld“ zu schicken. Aber manchmal wurde man auch nur einer Familie zugeordnet, mit denen zusammen zu arbeiten. Single‘s als Missionar bedeutete, die ganze Vorbereitung (Sprache lernen, Unterstützer suchen mit Missionsvorträgen, Vorbereitungskurse...etc) alleine in Angriff zu nehmen und Entscheidungen zu treffen. Nachdem ich eine Weile drüber nachgedacht habe, beschloss ich, einen Versuch zu machen, irgendetwas mit Mission in Deutschland zu machen … vielleicht wieder im Büro. Ich schrieb einen Brief an den Pastor in der Baptistengemeinde meines Heimatortes. Ihn fragte ich, ob er irgendeinen Tipp hätte, wo ich in Deutschland in einem Missionsbüro arbeiten könne.


Und so fand ich einen Job als Buchhalterin bei der Europäisch-Baptistischen-Mission „EBM“. Das Büro dieser Mission ist im Bürohaus des Bundes Evangelisch-freikirchlicher-Gemeinden „BefG“ in Bad Homburg vdH … nahe bei Frankfurt. 

Bei der DMG war ich also, einschl. Praktikumszeiten, insgesamt ungefähr acht Monate Mitarbeiterin.


Erinnerungen 008 - GAP und Heidkate

 

Garmisch-Partenkirchen, am Fuß der „Zugspitze“ war mein nächster Wohnort. Dort gab es ein 300 Jahre altes Haus in der Zugspitzstraße, das der DIM gehörte. Das Ziel der Standorte der DIM war Gemeindegründung. So gab es in GAP eine Teestube, in der man sich in verschiedenen Gruppen traf, und im ersten Stock ein paar Schlafzimmer und eine Küche, für Freizeiten, die ab und zu dort stattfanden.


Am häufigsten waren Seniorentreffen. Die trafen sich zu Kaffee und Kuchen, und einer Andacht. Es gab eine Kartei über Besucher, die irgendwann mal dort waren. Und ich hatte u.a. die Aufgabe, Leute zu besuchen, die schon länger nicht zu den Treffen gekommen sind. Die ersten Male ging ich mit meiner Schwester zusammen, später alleine. Ich sollte einerseits missionieren – und gleichzeitig zu den Treffen einladen. Lief bei mir erst etwas holprig und schwierig. Aber dann gefiel es mir sogar, weil ich „den Bogen raus hatte“, wie man den Einstieg formulieren kann, um ins Gespräch zu kommen. Es gab auch ein paar Leute, die weiter weg wohnten, aber schon bei den Treffen dabei waren – die wir dann mit dem Auto meiner Schwester gemeinsam besuchten.


Ansonsten gab es einiges im Haushalt zu tun: Kuchen backen für die Senioren-Nachmittage und Snacks und Tee für die Teestuben-Abende, mit der jüngeren Generation. Außerdem auch Vorbereitung und Aufräumen für die Freizeiten und sonstige Gäste, die über Nacht blieben. Es kamen auch gerne mal ein paar Leute über das Wochenende, zB aus Siegen, dem Sitz der DIM – wo meine Schwester am Anfang auch stationiert war.

Alles in Allem war es eine interessante Zeit, die etwas lockerer lief, weil alle Beteiligten eher locker drauf waren.


Zu Ostern gab es dann ein Mitarbeiter-Treffen am Schönberger Strand, wohin ich dann mitgenommen wurde, zu meinem nächsten Einsatz.

Der war dann überwiegend in der Küche und bei der Hausarbeit und Bedienung für die Gäste. Es gab dort noch ein paar andere Mädels, die etwas jünger als ich waren, und so etwas wie ein „Soziales Jahr“ machten … oder wie es hier genannt wurde: „Ein Jahr für Gott“. Wir wohnten die meiste Zeit zu viert in einem kleinen Raum, mit zwei Doppelstock-Betten. Es gab in diesem Gästehaus aber ohnehin nur Mehr-Personen-Zimmer, weil meistens nur kleinere Gruppen dort Freizeiten veranstalteten.


Meine Aufgaben als Praktikantin für Mission waren dann auch etwas erweitert, gegenüber denen, die ein soziales Jahr machten. Mir wurden die Kinderstunden zugeordnet, und bescheinigt, dass ich es „gut“ mache. Der Pastor einer Familienfreizeit behauptete, er würde noch nicht einmal seine Konfirmanden dazu bewegen, so viele (Lied-)Texte auswendig zu lernen, wie ich es mit den Kindern machte.


Es gibt etliche Eindrücke aus dieser Zeit, an die ich mich heute noch erinnere. Besonders aber auch, dass es einen Koch dort in der Küche gab, in den ich mich verguckt hatte. Und so wie es schien, auch er in mich. Wir haben aber ständig miteinander nur „durch die Blume“ miteinander geblödelt, nie Klartext geredet. Dabei schien es allen, die mit uns dort arbeiteten, so klar, dass sie sich öfter mal einmischten, uns versuchten zu provozieren, dass wir doch mal „Nägel mit Köpfen“ machen sollten. Aber am Ende der Zeit ging ich wieder – und es blieben schöne Erinnerungen.


Einmal hat eine Familienfreizeit-Gruppe uns alle zu einer Tagestour nach Helgoland eingeladen. Das war noch zu einer Zeit, als es direkt nach Helgoland keinen Anleger gab. Unser Schiff warf den Anker ein paar hundert Meter vor der Insel, und wir wurden in Motorboote verfrachtet, die uns dann an Land fuhren. Das war ein Tag, an dem ziemlich hoher Seegang war, auf der Hinfahrt. Die meisten Passagiere waren seekrank und hingen spuckend (kotzend) über der Reeling. Ich habe die ganze Zeit drauf gewartet, dass es mir auch schlecht geht – aber ich habe gar nichts gespürt … war also seefest.

Einmal sind wir in der längeren Mittagspause mit dem Koch in seinem Schlauchboot ein wenig weiter raus auf die Ostsee gefahren. Ich konnte zwar schwimmen, aber fühlte mich in tiefem Wasser nicht so wirklich sicher. In der Mitte auf See alberten die anderen so toll herum, dass ich Angst hatte, ins Wasser zu fallen. Als es dann so doll wurde, bin ich dann einfach selbstständig über Bord gegangen, um zurück zum Strand zu schwimmen. Vom Ausgangspunkt kam es mir gar nicht so weit vor. Aber als ich dann unterwegs war, schien der Weg unendlich zu sein. Ich habe mir immer wieder selbst zugeredet, langsam und ruhig zu atmen und mich zu bewegen … und habe es dann tatsächlich geschafft… bin schnaufend in den Sand gefallen und mich erst einmal erholt. Aber danach habe ich solch eine Bootstour nicht wieder gemacht.


Meine letzten zwei Wochen dort wurde ich als „Aufsicht“ alleine mit den Mädels im leeren Gästehaus gelassen. Ich weiß nicht mehr, was genau wir in der Zeit gemacht haben. Ich habe jedenfalls für uns gekocht und ein bisschen organisiert. Eines Tages kam ein Mann an die Tür, der sagte, er käme aus der Nachbargemeinde und kennt die Mitarbeiter der Mission. Wir haben ihn reingelassen, weil er anfangs ganz manierlich zu sein schien. Aber im Laufe der Gespräche wurde er immer komischer, redete so, als wenn er Jesus sei, und steigerte sich so sehr, dass wir tatsächlich Angst bekamen. Wir haben dann einen Mitarbeiter angerufen und gefragt, was wir machen sollten. Der hat dann einen anderen Mann aus der Nachbargemeinde (Baptisten) dorthin bestellt, der diesen Mann kannte. Der sagte, dass dieser Mensch, als er ihn zuletzt getroffen hat, noch ganz normal gewesen sei. Jetzt schien er immer mehr auszuticken. Der Helfer ist dann über Nacht im Gästehaus geblieben, mit dem Randalierer, und hat am Morgen, als es so schlimm wurde, dass eine Scheibe dabei zu Bruch ging, dafür gesorgt, dass der Mann in die Psychiatrie abgeholt wurde.


Noch ein paar ruhige Tage folgten … und dann ging mein Weg erst einmal wieder zu meinen Eltern nach NRW … bis ich dann als „Missionskandidatin“ zunächst für eine Probezeit, nach Sinsheim (BUchenauerhof) zur Deutschen Missionsgemeinschaft „DMG“ umzog.