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Mittwoch, 15. Februar 2023

Erinnerungen 007 - Bibelschule

 Zwei Jahre wohnte ich nun an einen wunderschönen Ort in der Schweiz, im Berner Oberland, auf ca. 1100 m Höhe, direkt über dem Thuner See – und gegenüber die Sicht auf die Berg-Geschwister: „Eiger, Mönch und Jungfrau“.


Ich hatte mich für die Bibelschule entschieden, in welcher zuvor meine Schwester war. Zwischendurch hatte ich sie dort auch mal besucht, und war fasziniert von der Aussicht, der Bergwelt. Wenn man „oben“ war, dann war „das da unten“ ganz weit weg, und schien überhaupt keinen Einfluss mehr zu haben. Die Stimmung dort oben war einzigartig.


Es war für mich auch sehr bereichernd, endlich mal etwas näher dran zu sein, an dem, was „Glauben“ eigentlich ausmacht. Es war einerseits schwierig für mich, in mein Gedankenchaos mal Struktur zu bringen und mich so auszudrücken, dass andere es auch nachvollziehen können. Überhaupt begriff ich nach und nach, warum ich an Gott/Jesus glaube, und wie man so manche Fragen beantworten kann.

….

Nach jedem Semester wurde eine Semesterarbeit geschrieben. Man konnte jeweils zwischen drei Themen wählen. Ich erinnere mich an eine Arbeit, wo ich das Thema sehr interessant fand und gleich drauf los schrieb. Dann aber mich so verzettelt hatte, dass ich selbst den Überblick verlor. Wir durften aber auch eine Lehrerin ansprechen, wenn wir Probleme hatten. Ich ging zu hier – fing bei dem Gespräch an zu weinen – so dass sie erst einmal mit mir betete und dann ruhig zuhörte. Dann erklärte sie mir Strukturen: Einleitung – Hauptteil – Abschluss. Und sie machte mir klar, dass ich aus vielen kleinen Botschaften nur drei markante auswählen sollte. Sie gab mir sogar Tipps, welche ich für dieses Thema wählen könnte und wie ich es am Ende zusammen bringen könnte. Danach war es dann plötzlich ganz leicht. Ich schrieb und schrieb – und war noch innerhalb der vorgegebenen Zeit fertig. Ich hatte wesentliche Bestandteile gelernt, um Struktur in einen Bericht zu geben. Und seitdem hat es mir Spaß gemacht, zu schreiben und erzählen.

….

Einmal, als ich (wieder einmal) zweifelte, ob ich am richtigen Platz sei, las ich „zufällig“ den Psalm 23. Und mein Blick blieb am Vers 3 hängen:

„Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.“


In dem Moment wurde es mir klar, worum es wirklich geht: Gott führt NICHT, weil ich richtig bin oder alles so gut hinkriege … sondern „um Seines Namens willen“….


Gott WILL, dass ich den Weg mit IHM gehe – und wenn ich das auch will, dann führt er mich auch – weil ER es will.

….

Die Bibelschule war zu dem Zeitpunkt sehr missionarisch ausgerichtet. Die meisten Absolventen empfanden während der Lehrzeit einen „Ruf“ in ein bestimmtes Land oder eine bestimmte Aufgabe. Dafür durften wir uns auch ziemlich häufig Missionsvorträge von Ehemaligen der Bibelschule anschauen.

Ich habe auch lange auf solch einen „Ruf“ gewartet. Da aber meistens Leute für den Gesundheitsbereich gesucht wurden, und das absolut nichts für mich wäre, gab es lange nichts Passendes für mich. Aber eines Tages kam es dazu, als ich während einem Praktikum bei einer großen Missionsgesellschaft innerhalb einer Missionskonferenz einen Japaner hörte: "wir brauchen keine Krankenschwestern, keine Ärzte, sondern nur Menschen, die für Jesus brennen" (so ähnlich). Da dachte ich: das ist es!


Seitdem verstand ich meinen Ruf für Japan. Ich versuchte auch, zu Missionaren in Japan Kontakt zu bekommen. Fragte auch einen Japaner in der Bibelschule, ob er mir schon ein bisschen Japanisch beibringen könnte, was er dann auch tat. Und zum Ende der Lehrzeit fragte ich die Missionsgesellschaft, bei der ich inzwischen schon zweimal Praktikum (im Büro) machte, was ich denn dazu brauche, um von ihnen als Missionarin aufgenommen zu werden. Dort wurde mir dann gesagt, dass ich dafür zunächst ein einjähriges „Gemeindepraktikum“ benötigte.

Und wieder einmal war für mich meine Schwester ein passender „Vorläufer“. Sie arbeitete inzwischen bei der der Deutschen Inlandsmission „DIM“., schon im dritten Ort. Und bei der Nachfrage bei meiner Missionsgesellschaft wurde mir bestätigt, dass ich mein Praktikum auch bei der DIM machen könne.


So war mein nächster Wohnort „Garmisch-Partenkirchen“, wo im Moment auch meine Schwester stationiert war. Dort sollte ich ein halbes Jahr bleiben, um dann im April bis Ende August zum „Schönberger Strand“ überzuwechseln, um dort in einem Gästehaus mitzuarbeiten.

Erinnerungen 006 - LÖ, ME bis Schweiz

 

Wieder im Elternhaus angekommen, fühlte ich mich erst einmal wie im Niemandsland … daheim und doch nicht zu Hause.


Es war alles anders als früher. Dazu hatte auch eine Differenz zwischen meiner Mutter und mir beigetragen, das irgendwann in der Zeit in Lörrach begann. Ich hatte, erfüllt mit all dem Neuen, was mir dort begegnete, ihr zu viele Bibelstellen gegen ihr Verhalten vorgehalten, und bin dann wieder früher wieder aus meinem Urlaub zu Hause zurück in mein neues Zuhause gefahren … was meine Mutter als Blamage empfand. Kurze Zeit darauf bekam ich einen Telefonanruf in der WG, wo sie mir einfach kurz mitteilte, dass sie die nächste Zeit erst einmal nichts mehr von mir hören und sehen wolle. Das wirkte in dem Moment für mich wie ein Blitzeinschlag – ich stand buchstäblich „neben mir“, das Telefon noch in der Hand. Eine Mitbewohnerin kam vorbei und fragte, was denn los sei ... ich wäre ganz blass geworden.


Die Zeit nach dem Anruf hat zunächst einmal bei mir Abwehr hervor gerufen, überhaupt mal wieder mit meiner Mutter zu reden. Nach einer Weile nachdenken darüber, meinte ich aber, dass ich als Kind wieder den ersten Schritt machen müsse, weil ich meine Eltern schließlich lieben und ehren muss. Es hat eine Weile inneren Kampf gekostet, bis ich wieder dort angerufen habe. Ich weiß gar nicht mehr, wie das erste Gespräch ablief. Aber soweit ich mich erinnere, tat meine Mutter, als wenn nichts gewesen wäre…. und ich dann eben auch. Unser Verhältnis war danach etwas hölzern, aber wir redeten wieder miteinander. Und als ich dann meinen Job bei der Mission gekündigt hatte, war halt das Nächstliegende, wieder „nach Hause“ zu gehen.


Zu der Zeit war auch eine Jobsuche noch ziemlich einfach. So bekam ich einen Job bei der Lebensmittelkette „Milchhof“ in der Marketingabteilung. Dort blieb ich nur drei Monate. Es war nicht das, wonach ich suchte. Mich drängte es wieder „raus“ aus dem Ort – frei und ungebunden von alten Bindungen.


Und weil das Nächstliegende durch meine Schwester vorgelebt wurde … habe ich mich dann ebenfalls an der Bibelschule angemeldet, die meine Schwester gerade abgeschlossen hatte. 

So zog ich mal wieder um … an einen wunderschönen Ort in der Schweiz, im Berner Oberland, auf ca. 1100 m Höhe, direkt über dem Thuner See – und gegenüber die Sicht auf die Berg-Geschwister: „Eiger, Mönch und Jungfrau“.

Dienstag, 14. Februar 2023

Erinnerungen 005 - Lörrach

 Meine Zeit in Lörrach war die einzige Zeit in meinem Leben, in der ich jeden Tag restlos glücklich war.  Ich war 20 Jahre alt und jeder Tag war für mich eine Einladung zu neuen Abenteuern. Die Leute in der Missionsgesellschaft (Kanadier)waren so fröhliche und lebensfrohe Menschen, dass ich nur gestaunt habe, nachdem ich Gläubige vorher immer eher mit düsterem Lebenszielen kannte. Die Ehepaare waren auch so liebevoll miteinander. Von zu Hause kannte ich eigentlich laufend Streit zwischen meinen Eltern, zwischen uns Kindern. Es schien so, als wenn es zwei verschiedene Welten wären.

Meine Aufgaben im Büro waren Kinderbibelkurse zu verschicken, korrigieren und belohnen. Ab und zu, als Vertretung auch Erwachsene-Bibelkurse - und am Empfang + Telefon um Anrufe und Besuche entgegenzunehmen und weiterzureichen.

Zur Missionsgesellschaft gehörte ein Wohnhaus mit zwei Etagen, in dem zwei Mädels-WG‘s waren. Ich wurde am Anfang zu einem Jugendclub in einer Gemeinde, die vom Theologischen Seminar St. Chrischona unterstützt wurde, in Riehen, dicht hinter der Schweizerischen Grenze.

Am Anfang war es etwas schwierig, das Schweizerdeutsch zu verstehen. Das heißt, ich habe anfangs gar nichts verstanden. Aber durch diese Jugendgruppe habe ich mich schnell reingehört. Nach einer Weile sollte ich sogar beim Teenieclub als Leitung mithelfen. Aber wahrscheinlich nur, weil man voraussetzte, dass ich das kann, wenn ich bei einer Missionsgesellschaft arbeite. Ich fühlte mich eigentlich überfordert. Habe aber ein paar Wochen mitgemacht und sogar eine Freizeit als Mitarbeiterin geleitet. Ich erinnere mich noch, dass ich es irgendwie seltsam fand, als ein paar Teenies mich als „Leiterin“ ansprachen.


Ich habe mich dann einfach entschieden, in Lörrach zu den Baptisten zu gehen, mit der Erklärung, dass ich eigentlich da Mitglied bin … überwiesen von der Gemeinde in meinem Heimatort. Die dortige Jugendgruppe war aber langweilig. Und als ich einen jungen Mann traf, der mich in eine Jugendgruppe vom blauen Kreuz einlud, fand ich dort einen Platz, wo ich dann blieb, solange ich dort wohnte. Der junge Mann und ich waren ungefähr 10 Jahre lang sehr gute Freunde.


Irgendwann war dann in Lörrach eine Evangelisation mit den „Christusträger“ – eine Bruderschaft aus Bensheim. Mein Freund fühlte sich von der Bruderschaft angesprochen und meinte, er sollte dieser Bruderschaft beitreten. Irgendwie hat mich das dann dazu bewegt, dass ich meinte, ich müsste auch der Schwesterschaft dieses Vereins beitreten. Dazu sollte ich dann ein kurzes Probewohnen bei den Schwestern machen, was bei mir dann aber eher auslöste, dass ich mich dort eingesperrt fühlte – und dann wieder Abstand davon nahm. Da ich aber schon bei der Missionsgesellschaft gekündigt hatte, blieb ich dann auch dabei – und zog vorerst für ein paar Wochen wieder in meinem Geburtsort zu meiner Familie zurück.


Zwei Jahre habe ich dort in Lörrach gewohnt. Und diese Zeit hat mein späteres Leben auch enorm geprägt. Zum Beispiel auch damit, dass ich viele Jahre in den verschiedensten Orten immer wieder gewünscht habe, mal wieder im Schwarzwald zu wohnen.

Erinnerungen 004 - 14-20 bis zum Auszug

Mit 14 Jahren habe ich, nach einem Volksschul-Abschluss, eine dreijährige Lehre als Industriekaufmann absolviert, bei den Gold-Zack-Werken in Mettmann. Angefangen habe ich noch ein halbes Jahr in Wuppertal-Vohwinkel, bis das neue Büro im Mettmann fertig gestellt war. 

Ich war damals noch ziemlich schüchtern, und habe mich kaum getraut, etwas in Eigenverantwortung zu tun oder gar mal zu widersprechen. Dementsprechend wurde ich auch manchmal geneckt oder auch mal verspottet. Ich machte meine Arbeit aber scheinbar ganz gut, und habe sie eigentlich auch geliebt. Sie gab mir auch ein stückweit Freiheiten, die ich in der Familie nicht hatte. Trotzdem war ich noch sehr auf "Gehorsam" getrimmt. Aber das war auch ein Zeichen der jeweiligen Zeit damals. 

Ich erinnere mich, dass meine Mutter nicht erlaubte, Perlonstrümpfe zu tragen, weil die nur für Erwachsene seien.  Und die Strumpfhosen, die ich tragen musste (wir durften ohnehin nur Kleider und Röcke tragen - keine Hosen), mussten braun sein. So kam dann aber eine Zeit, in der junge Frauen blickdichte schwarze Strumpfhosen trugen. Und weil mir das gut gefiel, habe ich mir erlaubt, eine solche Strumpfhose für mich zu kaufen. Als ich diese dann zu Hause zeigte, meinte meine Mutter sofort, dass das "verboten" aussieht (das war ihre Ausdrucksweise für alles, was sie nicht schön fand). Zunächst habe ich das so stehen gelassen. Aber meine Mutter ließ nicht locker, mich zu bearbeiten ... bis ich die schwarze Strumpfhose wieder zurück in den Laden brachte und stattdessen in eine braune umtauschte. 

Nach meiner Lehre blieb ich noch ein halbes Jahr in der Firma. Dann suchte ich etwas Neues, und fand eine neue Stelle in Düsseldorf bei "C&A" in der Lohnbuchhaltung. Das war dann aber so langweilig (ich bearbeitete hauptsächlich endlose Listen, indem ich die Haken hinter bestimmten Zahlen nochmal durchstrich, als Zeichen einer erneuten Kontrolle) dass ich in einem kleinen Bekleidungs-Kaufhaus in Mettmann den Chef (der zu der christlichen Gemeinde gehörte, zu der meine Eltern gehörten) anfragte, ob er in dem Kaufhaus noch eine Arbeitsstelle für mich hätte). Er schuf für mich eine Stelle in der Buchhaltung, die mir auch ganz gut gefiel. Besonders mochte ich auch, wenn ich im Laden aushelfen sollte - was relativ oft stattfand. Dann saß ich in der jeweiligen Abteilung an der Kasse, und musste die Einkäufe verpacken und abkassieren - am Abend jeweils die Kasse zählen. Die Erfahrung, dass fast immer meine Kasse auf den Penny stimmte, war für mich beflügelnd und scheinbar für die Leitung auch überzeugend, dass ich öfter aushelfen durfte. Zwei Jahre habe ich in diesem Kaufhaus gearbeitet.

Bis zu meinem 19. Lebensjahr gehörte meine Familie zu einer konservativen (freikirchlichen) Gemeinde mit strengen Grundregeln. Diese Regeln haben mich sehr geprägt. Besonders die Drohungen, wie Gott (angeblich) damit umgehen würde, wenn ich die festgeschriebenen Regeln dieser Gemeinde nicht einhalten würde. (Stichworte: „Hölle; Gericht“)


Ich hatte als Kind eine zerstörende Angst, den Vorgaben von Gott nicht zu genügen. Und wenn dann über einen „Abtrünnigen“ gesagt wurde, dass er „vom rechten Weg abgekommen“ sei, dann hatte ich sogar Angst davor, erwachsen zu werden, und mich falsch zu entscheiden. Denn als Kind war es für mich unverständlich, dass man bei solch einer „Bedrohung“, beim abweichen des richtigen Weges diesen Weg nicht einschlagen könnte.


Als wir dann als Familie geschlossen aus dieser Gemeinde austraten, hatte ich noch lange damit zu kämpfen, mich möglicherweise jetzt auf Abwegen zu befinden. Unsere neue Gemeinde waren dann die „Baptisten“ – oder „Evangelisch-Freikirchliche-Gemeinde“ = EFG.


Meine um anderthalb Jahre ältere Schwester war eine Kämpfernatur. Sie hatte die neue Gemeinde gefunden und für gut befunden. Ich bin eher immer „in ihrem Windschatten“ hinterher gelaufen. Sie sprach öfter mal darüber, was Gott ihr gezeigt oder gesagt habe, durch Bibellesen und Gebet. Für mich war das unverständlich. Ich kannte nur Regeln und wie man diese einhielt, damit man auf dem richtigen Weg sei.


Eines Tages verkündigte sie, dass Gott sie in eine Bibelschule schicken wolle. Sie ließ sich Prospekte von Bibelschulen schicken, und wählte eine in der Schweiz aus. Und dann war sie die erste, welche die Familie verließ, um ihren eigenen Weg zu gehen. Ich hatte von da an das Zimmer für mich alleine, in dem wir lange Zeit miteinander gewohnt hatten. Eine Zeitlang genoss ich das. Aber dann erschien mir mein Leben zu gleichförmig und ohne wirkliches Ziel. Darum betete ich eines Abends zu Gott … oder eigentlich eher immer zu Jesus. Denn lange Zeiten traute ich mich nicht, Gott direkt anzusprechen, der mir immer nur als gestrenger Richter vorgestellt wurde. Ich sagte zu ihm: ich würde gerne auch mal eine Wegweisung bekommen von dir. Wenn du wirklich auch mir zeigen kannst/willst, welchen Weg ich gehe, dann zeige es mir bitte so, dass ich es auch verstehe.


Ich weiß nicht mehr genau, wie lange es dauerte … vielleicht 3-4 Wochen. Jedenfalls bekam ich eines Tages einen Brief von einer Brieffreundin, die mir meine Mutter „besorgt“ hatte (ohne dass ich es wollte). Diese Brieffreundin arbeitete in einer Missionsgesellschaft im Südschwarzwald – unmittelbar an der Grenze zur Schweiz. Sie teilte mir mit, dass sie demnächst ihren Job (im Büro) verlassen würde, und es noch keine Nachfolgerin gäbe. Sie fragte, ob das vielleicht etwas für mich wäre.


Zunächst dachte ich: nein, dazu bin ich nicht fromm genug, weiß selbst viel zu wenig, warum ich glaub. Und schon gar nicht so, dass ich es weiter erzählen könnte. Denn das war mir von Anfang an klar – dass man in Missionsgesellschaften auch persönlich missionieren müsste.

Aber dann schlug es bei mir plötzlich wie ein Blitz ein: ich habe gebetet um einen Weg, den ich einschlagen kann. Dies ist die Antwort. Wenn ich das nicht tue, habe ich meine Chance vertan. Meine Gefühle schwappten über. Der Gedanke, dass der große unbegreifbare Gott für mich ganz persönlich einen Plan hat, überwältigte mich total. Und dabei wurde mir dann bewusst, dass auch meine Mängel von diesem Gott dann wohl ausgefüllt werden können. Denn wenn Gott mich selbst für diesen Job aussucht, dann wird er wohl auch die Möglichkeit sehen, dass ich es tun KANN. Die Wochen zwischen der Bewerbung, der Vorstellung und dem Umzug waren für mich wie auf Wolken. Aber festen Wolken. Denn ich dachte: wenn Gott will, dass ich noch diesen Umzug vornehme und diesen Job annehme, dann kann mir ja eigentlich in der Zwischenzeit gar nichts passieren. Ich fühlte mich fast unantastbar in jeder Beziehung. Und damit begann eine ganz neue Phase meines Lebens, unabhängig von der Familie.

Samstag, 11. Februar 2023

Erinnerungen 003 - 8-14

Meine Eltern bauten 1958/59 ein Haus – also eigentlich war es ein Doppelhaus, von dem die eine Hälfte dann meinen Eltern gehörte - in einer Siedlung, die besonders für finanziell schwache und kinderreiche Familien angelegt wurde, als ich 8 Jahre alt war und wir inzwischen 4 Kinder waren, die Jüngste gerade ein halbes Jahr alt.

Zur Zeit des Hausbaus und der Vorbereitung ging meine Mutter (gefühlt täglich) zu Fuß mit uns zur Baustelle, die am anderen Ende der Stadt lag - ungefähr 4 km hin und wieder zurück, um dort vieles noch vorzubereiten für die Einrichtung. Tapeziert hat dann mein Vater alles. Es gab einen Spirituskocher dort im Keller, eine Wasserpumpe auf dem Nachbargrundstück und Johannisbeersaft mit Wasser verdünnt zu trinken. Auf dem Kocher wurde zum Mittag dann Essen gekocht, und es war eine interessante Zeit, so zwischen den Häusern zu pendeln.

Zu dem Haus gehörte ein großer Garten und ein Hühnerstall. Ich erinnere mich noch, wie wir im (noch unbebauten) Garten spielten und einen Nachbarjungen auf dem Grundstück daneben trafen. Er hieß „Axel“ und machte sich bemerkbar, indem er einfach ab und zu ein quieken von sich gab. Keine Ahnung, warum er das machte. Jedenfalls haben wir ihn dann angesprochen und irgendwie auch zusammen gespielt.

Woran ich mich noch besonders erinnere ist, als wir eingezogen waren, hat die Ortszeitung kurz vor Weihnachten einen Artikel mit Foto über uns geschrieben, mit dem Titel "Schönstes Geschenk - unterm eigenen Dach". Auf dem Foto war die ganze Familie, um einen Tannenbaum, der gerade für die Feier aufgestellt wurde. Dieses Foto wurde uns in unserer (sehr gestrengen kirchliche) Gemeinde zum Verhängnis. Mein Vater wurde gerügt, dass wir solch einen (heidnischen) Brauch überhaupt mitmachen würden. Man bezog sich auf irgendeinen Bibeltext um einen "Baum ohne Wurzeln". Das war dann auch das letzte Weihnachten, an dem wir einen Weihnachtsbaum hatten. Aber meine Mutter hat auch das gut gelöst. Sie hat seitdem zu Weihnachten mehrere Tannenzweige in Vasen verteilt und geschmückt, so dass wir den Baum nicht unbedingt vermisst haben.

Bis zum Jahr 1961 kamen dann noch zwei Kinder dazu – wir waren dann sechs Geschwister. Die ersten Jahre in dem neuen Haus wurde der Garten gepflegt, Blumen und Gemüse gesät und gepflanzt und Hühner angeschafft. Der Federtier-Bestand wurde im Laufe der Jahre noch stark aufgefüllt. Mein Vater baute einen zusätzlichen Stall, und wir hatten Hühner, Enten, Gänse und Puten. Am Anfang hat eine Nachbarin die Tiere geschlachtet. Später hat es dann mein Vater selbst gemacht. Und noch später wurde das Ganze meiner Mutter zu viel – und wir hatten gar keine Viecher mehr.

Während dem Tiersegen haben wir auch manchmal Eier an Nachbarn weiter verkauft, für 20 Pfennig das Stück. Ansonsten gab es Eier die Fülle und an Feiertagen gab es für jeden ein großes Stück Fleisch zu essen.

Das Futter für die Tiere wurde von einem „Futtermann“ gekauft, der regelmäßig durch die Siedlung fuhr. Dort hat meine Mutter auch Weizenkörner gekauft für uns zum Abendessen. Daraus hat sie oft „Schrotsuppe“ gekocht. War nichts besonderes, aber wir mochten sie.

Auch andere Händler fuhren regelmäßig durch die Siedlung. Sie meldeten sich zum Teil mit einer Handglocke. Der „Milchmann“ kam anfangs jeden Tag. Wir waren regelmäßige Kunden bei ihm. Der Postbote, welcher die Briefe brachte, hat auf seinem Weg immer irgendeine Melodie gesungen, um sich anzukündigen. Er wurde von allen Anwohnern liebevoll „Sängerlein“ genannt.

In unserer Straße wohnten mehrere Kinder, mit denen wir auch gerne mal spielten. Besonders gerne sah meine Mutter das aber nicht. Sie fand, wir hätten genug mit unserer Familie zu tun, und brauchten nicht die anderen Kinder. Außerdem könnten die Kinder ja vielleicht auch einen schlechten Einfluss auf uns haben. Aber dadurch, dass wir auch in der Schule mit den meisten dieser Kinder zusammen waren, hatten wir auch einige Freunde in der Umgebung, die wir dann einfach „zufällig“ immer mal trafen.