Deine Sicht zu dem, was Gott will oder nicht ist mir sehr bekannt. Klingt im ersten Moment, wenn man sich im frommen Millieu auskennt, perfekt. Für mich klingt es allerdings eher zurechtgefeilt auf das, was viele Fromme als „richtigen Glauben“ verstehen. In der Rückschau schaut das, was du beschreibst für mich als „finsteres Gefängnis“aus, aus dem ich einen Weg in einen befreienden Ausblick mit unendlicher Weite gefunden habe. In der Bibelschule, in der ich war, wurden auf diese Weise alle biblischen Themen zurechtgefeilt. Es wurde praktisch ein „roter Faden gesponnen“. Einer der ersten Erkenntnisse von mir, als ich aus der Bibelschule wieder in das „reale Leben“ zurückkehrte, war, daß es irgendwie hinten und vorne nicht passte, was ich gelernt hatte. Es schien im Zusammenhang perfekt – aber im ganz praktischen Leben unbrauchbar.
Jetzt habe ich eine ganze Weile überlegt, wo ich da ansetzen kann. Wie ich schon beschrieb, ist meine Perspektive durch viele kleine Impulse entstanden. Wenn ich versuchen würde, das jetzt in einer Mail zusammenzufassen, würde aus dieser Mail wahrscheinlich ein Buch. Schließlich habe ich schon über fast fünf Jahre lang in insgesamt vier verschiedenen Blogs im Internet meine Gedanken zum Glauben dargestellt, hinterfragt und auch dadurch manche Antworten gefunden.
Einer der Knackpunkte unserer unterschiedlichen Erfahrung ist sicher die Bibel, wie wir sie verstehen. Wobei in der „Christenheit“ oft garnicht mehr so viel hinterfragt wird, was irgendwelche „Glaubensväter“ in die Botschaft der Bibel hineingelegt haben. Es wird einfach als „Wort Gottes“ so weitergegeben. Aber schon die Tatsache, daß es unzählige verschiedene Gemeinschaften gibt, die alle diese Anspruch erheben, daß sie die Bibel wörtlich als „Wort Gottes“ nehmen, welche sich aber voneinander so weit unterscheiden, daß sie nicht mal zusammen Gott anbeten können, und oft sogar gegeneinander arbeiten, das müßte doch eigentlich jeden Menschen der Gott sucht nachdenklich machen und anregen, die Lehre zu hinterfragen und wirklich Gottes Antwort darauf suchen. Und zwar jeder für sich.
Ich habe überlegt, wie ich meine „Wandlung“ im Glauben kurz beschreiben kann. Und dabei ist mir eine Geschichte von dem Propheten Elia eingefallen, die eigentlich den Nagel auf den Kopf trifft.
Es ist die Geschichte, wie sie in 1. Könige 18 und 19 steht. Zunächst der absolute Höhepunkt Elias, wo er mit Gottes Hilfe die Baalspriester austrickst und die Priester dann haufenweise töten ließ.
Danach der Zusammenbruch Elias mündend in der Begegnung mit Gott.
Ist dir schonmal aufgefallen, welch ein riesiger Unterschied zwischen dem tosenden Erfolg des Elia auf dem Karmel – und der Begegnung mit Gott, die nicht zu finden war in dem lauten und unruhigen Wind und Wetter, aber dann erschien im sanften leisen Säuseln? Was meinst du, wieso Gott ihm diese Facette seines Wesens gerade nach dem blutigen und gewaltigen Gottesbeweis auf dem Berg Karmel zeigt?
Ich denke, daß Gott zeigen wollte, daß es nicht seine Art ist, auf diese Weise zu zerstören, um sich zu beweisen. Er hat aber, wie an so vielen Stellen im AT, alleine auf das Herz des Elia geschaut. Das Herz des Elia war an dieser Stelle ganz auf Gott gerichtet. Das hinderte ihn nicht, Fehler zu machen. Aber Gott hat sein Vorhaben unterstützt, weil er zeigen wollte, daß der Mensch, der sich auf ihn verläßt, bekommt, was er dazu braucht – ohne Wenn und Aber. Das Ziel, was Elia damit verfolgte, ist getroffen worden. Aber nicht, weil Elia das Richtige getan hat, sondern weil Gott sich selbst bewiesen hat, souverän und somit erhaben über allem Tun der Menschen.
Angefangen, die Unterschiede zu entdecken, habe ich nach einem Rat eines weisen Menschen, die vier Evangelien mal ganz neu zu lesen – ohne vorgefertigte Auslegung. Einfach mit den Augen des Herzens, wie Jesus den einzelnen Menschen begegnet ist. Es war für mich fast wie eine Offenbarung, welche Unterschiede ich dabei entdeckte. Und da habe ich angefangen, die ganzen fertigen Auslegungen wegzulegen – und Gott selbst zu fragen, was er mir persönlich mit dem sagen will, was ich lese.
Ich glaube, daß die Bibel von Menschen so geschrieben wurde, wie diese einzelnen Menschen es verstanden haben. Jede Geschichte ist ein Stückwerk eines Berichtes von Menschen, die Gott begegnen und erleben. Man benutzt damit den Maßstab, den man bei den Menschen in der Umgebung anlegt. Solche Menschen gibt es heute wie damals. Es gibt vieles, was Menschen von Gott wahrgenommen haben wollen. Manche Prophetien werden auch noch heute verbreitet. Und ich denke, die Boten derselben haben auch den Wunsch, das richtige zu tun. Oft ist aber sehr viel eigenes Denken damit verknüpft. Sie sagen auch oft: „Es spricht der Herr“ – aber letztlich ist es hauptsächlich Menschenwerk. Manchmal wird es von Gott unterstützt, weil der Schreiber mit Gott lebte und sein Herz offen war für Gott.
Bei der Geschichte des Elia würden die Zuschauer sagen: Gottes Gericht ist über die Baalspriester verhängt worden. In Wirklichkeit ist es aber so, daß Gott den Elia bei dessen Anliegen unterstützt hat, daß er dem Volk zeigen wollte, wer der wahre Gott ist: Baal oder der Gott Israels. Die Aktionen, die dazu geführt haben, gingen auf das Konto des Elia. Man kann demnach nicht zwingend sagen, daß Gott Gericht gehalten hat über die Baalpriester und diese umgebracht hat. Maßgebend war das Resultat, daß alle Zuschauer und Beteiligten erkannten, daß Gott der Herr allein ist.
Ich glaube nicht, daß Gott Menschen und Engel geschaffen hat, um an ihnen zu beweisen, wie schlecht diese geschaffenen Wesen sind. Gott ist vollkommen. Er hat alles, was er geschaffen hat, mit dem Siegel „Sehr gut“ versehen. Dabei hat er auch die Möglichkeiten, zwischen Gut und Böse zu entscheiden, eingeschlossen. Gott weiß, daß Menschen nicht vollkommen sind. Ich denke, diesen Anspruch, daß wir immer mehr wie Gott sein sollten (oder wie du ausdrückst, „Heilig sein“) stellt Gott überhaupt nicht. Aber Gott möchte, daß die Menschen mit offenem Herzen für Gott und alles, was er geschaffen hat, leben. Wie oder was der einzelne Mensch seinen Glauben ausdrückt, ist zweitrangig. Das Wichtigste ist die Herzenshaltung vor Gott.
Das sind jetzt die ganz nackten Grundlagen meiner Veränderung. So wie es praktisch angefangen hat, daß ich hinterfragt habe und Antworten gefunden habe. Dabei bin ich mir durchaus bewußt, daß ich auch nur sehr begrenzt wahrnehmen kann, wie jeder Mensch, und Fehler dabei mache. Aber damit kann Gott umgehen. Gott kommt dem Menschen mit der Sprache und auf den Wegen entgegen, die dieser gerade nimmt, und wie der Mensch die Botschaften gerade auch für andere braucht. Das erkenne ich in allen biblischen Berichten über Gott und die Menschen. Nur wird oft Gott das menschliche Denken unterstellt. Und so bekommt das Ganze oft eine Schieflage, und ist darum für so viele Menschen so schwer verständlich. Darum sage ich Suchenden meistens nur: „Gott findest du nur bei Gott selbst!“ Gott legt sich nicht im „Muster“ fest, wie es Menschen gerne tun. Sondern er hat für jeden Menschen und dessen Umgebung ganz eigene Muster, die von ihm immer wieder erneuert werden können.
Das Problem, das du anrührst, scheint mir (oder meine ich das nur, weil ich genau da das Problem sehe?), daß mit Heiligung oft gemeint wird, besser zu werden, weniger Sünder, und letztlich: vor Gott gut dazustehen.
AntwortenLöschenDas ist das, was Paulus als Werkgerechtigkeit bezeichnet hat (und worin er von Jakobus mißverstanden wurde...): sich durch eigene Leistung den Fahrschein in den Himmel erkaufen.
In dem Buch "Typisch evangelisch" von Siegfried Kettling (meine ich... aber der Titel ist sicher) habe ich eine Auflösung des Dilemmas gefunden:
Heiligung ist nicht Menschensache. Heiligung ist die Rückseite der Medaille Rechtfertigung. Nicht wir machen was besser an uns, sondern der Heilige Geist wirkt in uns und heiligt uns.
Wobei es schon ziemlich pervers ist, Grade der Heiligkeit annehmen zu wollen, denn "heilig" bedeutet im biblischen Sprachgebrauch nichts anderes als "für Gott bestimmt" oder "das gehört Gott". Wie die Schaubrote im Tempel, an denen auch nichts anders war als an anderen Broten - außer daß sie für Gott gebacken waren; daraus folgt für alle anderen: "Finger weg!" Aber "ein bißchen für Gott" geht genausowenig wie "ein bißchen tot".
Zurückgeblickt (im Rahmen des Kommentars, nicht im Rahmen des Glaubenslebens; da ist sie immer Gegenwart und Verheißung!) auf die Rechtfertigung heißt das: Rechtfertigung bedeutet, Gott sieht uns (sündige) Menschen als seine Kinder an, als sündlose Gotteskinder. Heiligung bedeutet, wir Menschen gehören nun nicht mehr der heillosen Welt an, sondern gehören (zu) Gott. Und dem Teufel zeigen nicht wir, sondern Gott an: "Finger weg!"
Die Sache mit den "Früchten des Glaubens", um's mit Paulus zu sagen, oder den "Werken des Glaubens", wie Jakobus es formuliert, ist doch eine ganz andere Baustelle - und auch wieder Wirkung des Heiligen Geistes, der allein uns Kraft und Willen zu allem Guten geben kann.
Und deshalb kann ich (inzwischen) die Zeilen aus tiefstem Herzen mitsingen aus dem Lied "Stern auf den ich schaue":
"Nichts hab ich zu bringen: alles, Herr, bist du!"
Danke Wolfram, für die ausführliche Erklärung, wie du Heiligung verstehst. Ich denke, so kann ich es nachvollziehen. Habe aber inzwischen gemerkt, daß sich bei einige Christen einfach die Vorstellung festgesetzt hat, daß man heilig werden muß, indem man immer perfekter wird. Und da, wo man nicht perfekt ist, darüber trauern muß und alles hassen muß, was dazu führt, nicht perfekt zu sein. Das wiederum kann ich nicht nachvollziehen, weil man sich dann doch letztendlich nur noch um sich selbst dreht.
AntwortenLöschenDas Lied "Stern auf den ich schaue", war meines Vaters Lieblingslied. Ich mag es auch gerne.
Schönen Sonntag dir! LG :)
Ja, so wird es oft mißverstanden - und dann landet man in der Werkgerechtigkeit, und damit in der Selbstgerechtigkeit. Oder eben in der Verzweiflung, weil man nie gut genug sein kann.
AntwortenLöschenUnd, wie du sagst, man dreht sich nur um sich selbst, schaut nur auf seinen eigenen Nabel - Augustinus beschreibt so den sündigen Menschen: "incurvatus in se", in sich selbst eingekrümmt.
Dir ebenfalls einen gesegneten Sonntag!
Absender: 'Opa Klaus' Forenschreiber.
AntwortenLöschenHallo Ehra (Tabea) Dein Link aus:
Re: Wo ist Gott? im http://www.brainstorm.center/viewtopic.php?f=29&t=256&start=30 Beitrag von Tabea » Mo 22. Mai 2017, 12:04 ...
brachte mich hier hin.
Deine berichteten Erfahrungen mit Gott und der Bibel, sowie deine Ergebnisse und Ansichten kommen meinen ziemlich nahe. Du hast meine sicher in Forenbeiträgen gelesen. Was denkst Du über meine Ansichten?
Bist Du m/w? Schreibst Du hier im Blog nichts mehr? Ich lese noch weiter darin. Wo finde ich deine erwähnten anderen Blogs außer diesen hier?
Liebe Grüße
Klaus
Hallo Klaus,danke für deinen Kommentar hier. Manche deiner Forenbeiträge habe ich ja auch dort in den beiden Foren kommentiert. Ich schreibe im Moment mehr in Foren, als in meinem Blog. Dabei lass ich mich einfach treiben, wo ich mich gerade hingezogen fühle. Meine Blogs vor diesem habe ich hier an der rechten Seite verlinkt: Der Link ist hinter "Mein Blog von ... bis ...
LöschenAnsonsten können wir uns ja weiter in den Foren unterhalten.
Liebe Grüße, Ehra (w)
Danke, liebe Ehra
AntwortenLöschenfür das schnelle Feedback. Ja ich habe die Aufteilung Deiner Blogs in Jahre gesehen. Das sind die „anderen“ also.
Ich bin als Opa Klaus in einigen Foren:
http://www.brainstorm.center/search.php?search_id=active_topics http://www.4religion.de/search.php?search_id=active_topics http://denkforum.at/threads/gottesbeweise.18066/page-5
http://487992.forumromanum.com/member/forum/forum.php?USER=user_487992&onsearch=1 http://www.bechhaus.de/phpBB2/viewtopic.php?t=1555&postdays=0&postorder=asc&start=15 (dort scrollen)
http://forum.sektenausstieg.net/search.php?searchid=1768530 (dort hatte ich hunderte Beiträge und bin ohne Begründung gesperrt.
Meine Homepages sind: www.weltverbesserung.eu und www.prueter.eu
Gruß Klaus