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Donnerstag, 1. September 2011

Muß man, um Gott nahe zu kommen, "heilig" sein?

Mit einer Mail-Freundin bin ich gerade im Austausch darüber was Gott will. Die Freundin hat es u.a. mit dem Begriff: "Heilig sein" umschrieben. Aus meiner Antwort an sie habe ich mal das, was hauptsächlich mein Verständnis dazu betrifft, herauskopiert:


Deine Sicht zu dem, was Gott will oder nicht ist mir sehr bekannt. Klingt im ersten Moment, wenn man sich im frommen Millieu auskennt, perfekt. Für mich klingt es allerdings eher zurechtgefeilt auf das, was viele Fromme als „richtigen Glauben“ verstehen. In der Rückschau schaut das, was du beschreibst für mich als „finsteres Gefängnis“aus,   aus dem ich einen Weg in einen befreienden Ausblick mit unendlicher Weite gefunden habe.  In der Bibelschule, in der ich war, wurden auf diese Weise alle biblischen Themen zurechtgefeilt. Es wurde praktisch ein „roter Faden gesponnen“. Einer der ersten Erkenntnisse von mir, als ich aus der Bibelschule wieder in das „reale Leben“ zurückkehrte, war, daß es irgendwie hinten und vorne nicht passte, was ich gelernt hatte. Es schien im Zusammenhang perfekt – aber im ganz praktischen Leben unbrauchbar.

Jetzt habe ich eine ganze Weile überlegt, wo ich da ansetzen kann. Wie ich schon beschrieb, ist meine Perspektive durch viele kleine Impulse entstanden. Wenn ich versuchen würde, das jetzt in einer Mail zusammenzufassen, würde aus dieser Mail wahrscheinlich ein Buch. Schließlich habe ich schon über fast fünf Jahre lang in insgesamt vier verschiedenen Blogs im Internet meine Gedanken zum Glauben dargestellt, hinterfragt und auch dadurch manche Antworten gefunden. 

Einer der Knackpunkte unserer unterschiedlichen Erfahrung ist sicher die Bibel, wie wir sie verstehen.  Wobei in der „Christenheit“ oft garnicht mehr so viel hinterfragt wird, was irgendwelche „Glaubensväter“ in die Botschaft der Bibel hineingelegt haben. Es wird einfach als „Wort Gottes“ so weitergegeben. Aber schon die Tatsache, daß es unzählige verschiedene Gemeinschaften gibt, die alle diese Anspruch erheben, daß sie die Bibel wörtlich als „Wort Gottes“ nehmen, welche sich aber voneinander so weit unterscheiden, daß sie nicht mal zusammen Gott anbeten können, und oft sogar gegeneinander arbeiten, das müßte doch eigentlich jeden Menschen der Gott sucht nachdenklich machen und anregen, die Lehre zu hinterfragen und wirklich Gottes Antwort darauf suchen. Und zwar jeder für sich.

Ich habe überlegt, wie ich meine „Wandlung“ im Glauben kurz beschreiben kann. Und dabei ist mir eine Geschichte von dem Propheten Elia eingefallen, die eigentlich den Nagel auf den Kopf trifft.
Es ist die Geschichte, wie sie in 1. Könige 18 und 19 steht.  Zunächst der absolute Höhepunkt Elias, wo er mit Gottes Hilfe die Baalspriester austrickst und die Priester dann haufenweise töten ließ.
Danach der Zusammenbruch Elias mündend in der Begegnung mit Gott.

Ist dir schonmal aufgefallen, welch ein riesiger Unterschied zwischen dem tosenden Erfolg des Elia auf dem Karmel – und der Begegnung mit Gott, die nicht zu finden war in dem lauten und unruhigen Wind und Wetter, aber dann erschien im sanften leisen Säuseln? Was meinst du, wieso Gott ihm diese Facette seines Wesens gerade nach dem blutigen und gewaltigen Gottesbeweis auf dem Berg Karmel  zeigt?

Ich denke, daß Gott zeigen wollte, daß es nicht seine Art ist, auf diese Weise zu zerstören, um sich zu beweisen. Er hat aber, wie an so vielen Stellen im AT, alleine auf das Herz des Elia geschaut. Das Herz des Elia war an dieser Stelle ganz auf Gott gerichtet. Das hinderte ihn nicht, Fehler zu machen.  Aber Gott hat sein Vorhaben unterstützt, weil er zeigen wollte, daß der Mensch, der sich auf ihn verläßt, bekommt, was er dazu braucht – ohne Wenn und Aber. Das Ziel, was Elia damit verfolgte, ist getroffen worden. Aber nicht, weil Elia das Richtige getan hat, sondern weil Gott sich selbst bewiesen hat, souverän und somit erhaben über allem Tun der Menschen.


Angefangen, die Unterschiede zu entdecken, habe ich nach einem Rat eines weisen Menschen, die vier Evangelien mal ganz neu zu lesen – ohne vorgefertigte Auslegung. Einfach mit den Augen des Herzens, wie Jesus den einzelnen Menschen begegnet ist. Es war für mich fast wie eine Offenbarung,  welche Unterschiede ich dabei entdeckte. Und da habe ich angefangen, die ganzen fertigen Auslegungen wegzulegen – und Gott selbst zu fragen, was er mir persönlich mit dem sagen will, was ich lese.

Ich glaube, daß die Bibel von Menschen so geschrieben wurde, wie diese einzelnen Menschen es verstanden haben. Jede Geschichte ist ein Stückwerk eines Berichtes von Menschen, die Gott begegnen und erleben. Man benutzt damit den Maßstab, den man bei den Menschen in der Umgebung anlegt. Solche Menschen gibt es heute wie damals. Es gibt vieles, was Menschen von Gott wahrgenommen haben wollen. Manche Prophetien werden auch noch heute verbreitet. Und ich denke, die Boten derselben haben auch den Wunsch, das richtige zu tun. Oft ist aber sehr viel eigenes Denken damit verknüpft. Sie sagen auch oft: „Es spricht der Herr“ – aber letztlich ist es hauptsächlich Menschenwerk. Manchmal wird es von Gott unterstützt, weil der Schreiber  mit Gott lebte und sein Herz offen war für Gott.  

Bei der Geschichte des Elia würden die Zuschauer sagen: Gottes Gericht ist über die Baalspriester verhängt worden. In Wirklichkeit ist es aber so, daß Gott den Elia bei dessen Anliegen unterstützt hat, daß er dem Volk zeigen wollte, wer der wahre Gott ist: Baal oder der Gott Israels. Die Aktionen, die dazu geführt haben, gingen auf das Konto des Elia. Man kann demnach nicht zwingend sagen, daß Gott Gericht gehalten hat über die Baalpriester und diese umgebracht hat. Maßgebend war das Resultat, daß alle Zuschauer und Beteiligten erkannten, daß Gott der Herr allein ist.

Ich glaube nicht, daß Gott Menschen und Engel geschaffen hat, um an ihnen zu beweisen, wie schlecht diese geschaffenen Wesen sind. Gott ist vollkommen. Er hat alles, was er geschaffen hat, mit dem Siegel „Sehr gut“ versehen. Dabei  hat er auch die Möglichkeiten, zwischen Gut und Böse zu entscheiden, eingeschlossen. Gott weiß, daß Menschen nicht vollkommen sind. Ich denke, diesen Anspruch, daß wir immer mehr wie Gott sein sollten (oder wie du ausdrückst, „Heilig sein“) stellt Gott überhaupt nicht.  Aber Gott möchte, daß die Menschen mit offenem Herzen für Gott und alles, was er geschaffen hat, leben.  Wie oder was der einzelne Mensch seinen Glauben ausdrückt, ist zweitrangig. Das Wichtigste ist die Herzenshaltung vor Gott.

Das sind jetzt die ganz nackten Grundlagen meiner Veränderung. So wie es praktisch angefangen hat, daß ich hinterfragt habe und Antworten gefunden habe. Dabei bin ich mir durchaus bewußt, daß ich auch nur sehr begrenzt wahrnehmen kann, wie jeder Mensch, und Fehler dabei mache. Aber damit kann Gott umgehen.  Gott kommt dem Menschen mit der Sprache und auf den Wegen entgegen, die dieser gerade nimmt, und wie der Mensch die Botschaften gerade auch für andere braucht.  Das erkenne ich in allen biblischen Berichten über Gott und die Menschen. Nur wird oft Gott das menschliche Denken unterstellt. Und so bekommt das Ganze oft eine Schieflage, und ist darum für so viele Menschen so schwer verständlich. Darum sage ich Suchenden meistens nur: „Gott findest du nur bei Gott selbst!“ Gott legt sich nicht im „Muster“  fest, wie es Menschen gerne tun. Sondern er hat für jeden Menschen und dessen Umgebung ganz eigene Muster, die von ihm immer wieder erneuert werden können.