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Donnerstag, 8. Dezember 2011

Widersprüchlichkeiten

Lange habe ich an der Frage herumgedacht, wie es sein kann, dass der Glaube, gerade auch im Christentum so unterschiedlich erlebt wird – oft auch schon widersprüchlich.
Schon in meinem eigenen Glaubensleben gab es viele „Kreuzungen“ auf dem Weg, an denen meine Richtung sich geändert hat. Trotzdem weiß ich im  Rückblick sicher, dass zu allen Zeiten, in meinem Leben mit Gott, Gott selbst am Werk war, und sich an und in meinem Leben „bewiesen“ hat.

Oft habe ich den Spruch angewandt, dass Gott dem Menschen auf dessen Weg entgegenkommt.  Trotzdem galt da immer noch eine Frage Gott, wie es denn sein kann, dass er oft so widersprüchlich handelt.

Menschen in unseren Breitengraden beurteilen Glaubenserfahrungen eigentlich immer nach dem Ergebnis. Das würde bedeuten, dass da wo Gott seine Wirkung sichtbar macht,  die Handlungen drumherum bestätigt werden – gleichbedeutend mit dem Urteil: das ist Gottes Wille.
Ebenso da, wo manches scheinbar schief läuft und für den Betrachter zum „falschen Ergebnis“ führt, wird es als Gegenteil von Gottes Willen beurteilt.

Nachdem ich in der letzten Zeit gerade wieder mit krassesten Beurteilungen, wie ich sie aus meiner schlimmsten Zeit in einer strengen Gemeinde kenne, konfrontiert wurde, wurde die Frage für mich wieder sehr aktuell. Denn ich ordnete diese Aussagen als „falsch“ ein, und versuchte, dem Menschen, der dieses auf diese Weise erklärte, zu zeigen, wo der Fehler liegt. Mit dem Ergebnis, dass dieser Mensch nur noch krasser auf seinen Grundsätzen herumreitet.

Heute wurde mir dann plötzlich bewusst, dass die Widersprüchlichkeiten im Glauben nicht bei Gott liegen, sondern bei den Menschen. Und der Kern der Antwort zu meiner Frage tatsächlich in meinem vielbenutzten Spruch liegt: Gott kommt dem Menschen auf dessen Weg entgegen.

Den Spruch würde ich jetzt noch ergänzen, dass  ein Mensch es nicht schafft, DIE WAHRHEIT insgesamt zu erfassen. Denn jeder Mensch hat seine eigenen Lebens-Hintergründe und Prägungen, die das Verständnis beeinflussen. Und das kann schon oft ganz krass gegensätzlich sein.

Wenn man es genau nimmt, so schafft sich jeder Mensch praktisch „seine eigene Welt“. 

Jesus hat ganz klar die Liebe an die Spitze der Gebote gesetzt. Die Gebote wurden so ausgerichtet von Gott, dass sie den Menschen, die die Gebote erhielten, die allgemein besten Ergebnisse erzielen könnten. Nur hat Jesus darauf hingewiesen, dass die Gebote nur als Hinweise gelten können. Der Kern der Gebote ist die Liebe. Und wenn die Liebe einmal ein anderes Ergebnis zeigt, als man es allgemein gewohnt ist, dann ist es dennoch „richtig“. Denn wichtig sei alleine die Liebe als Triebkraft.

Wo Menschen sehr fromm waren und nach den Geboten lebten, haperte es oft an der Liebe, weil  es nur noch darum ging, sich selbst als „gut“ darzustellen. Notfalls auch auf Kosten der „armen Sünder“.  Darum hat Jesus diese Frömmigkeit enttarnt als „Heuchelei“.
Da wo Menschen sich der Schwächen und Fehler bewusst waren, so dass sie meinten, keine Chance mehr zu haben – da zeigte Jesus ihnen durch Vergebung und Heilung, dass die Liebe die beste Antriebskraft ist. Und Liebe vermehrt sich, indem man sie weitergibt. Sichtbar wurde dies dort, wo ein Zöllner den Armen zurückgab, was er ihnen abgenommen hatte und eine Frau, die zum Tode verurteilt wurde, von Jesus befreit wurde – nur dadurch, dass Jesus gezeigt hat, dass das Einschneidende fehlt in dem Urteil: die Liebe.
Viele Christen pochen auf den Rat Jesu an manchen Stellen: „Gehe hin und sündige nicht mehr“. Auch das ist nur Jesu Liebe zuzuweisen. Es ist ein Rat, um nicht wieder in diese Lage zu kommen, wo man den Menschen ausgeliefert wird. Jesus hat kein einziges Mal gesagt: „Wenn du es doch tust, dann wird Gott dich bestrafen“– oder ähnliches.

Mir ist schon oft aufgefallen, dass solche Taten, die ich bei anderen kritisiert habe, irgendwann in anderer Form bei mir selbst auch auftauchte.  Das sehe ich nicht (mehr) als Strafe, sondern gerade zur Heilung. Damit ich lieben kann, weil ich selbst geliebt bin von Gott, so wie ich bin, mit allen Schwächen und Stärken.

Wenn Gott also jedem Menschen in „seiner Welt“ entgegen kommt, dann braucht es auch unterschiedliche Botschaften für diesen Menschen, damit es das Herz des Menschen erreichen kann.
Und wenn diese ganz persönliche Welt sich verändert in den verschiedenen Lebenssituationen, dann kann es vorkommen, dass im Rückblick Gottes Wirken und Reden auch widersprüchlich empfunden wird. Was aber nur widersprüchlich ist, das ist der Mensch in seiner jeweiligen ganz individuellen Welt. Gott ist Liebe. Und diese Liebe soll sichtbar werden in den Menschen und durch die Menschen. Das ist das Ziel und der Sinn, welchen Gott seinen Menschen mitgegeben hat. 

Und von daher gesehen braucht man auch die Bibel nicht mehr in einem „Kontext“ passend machen, damit man damit Menschen unter Kontrolle  behalten  kann. Sondern man kann forschen, in welcher „Welt“ das sich abgespielt haben mag,  damit die Liebe  Gottes an dem Ergebnis  sichtbar wird.

EINE Botschaft – viele Ereignisse, die diese weitertragen
Mir hilft diese Erkenntnis manche krasse Glaubensmuster einzuordnen. Wo Gott mir  solche verändernden Wege gezeigt hat, die mir das vermitteln, was ich jetzt weiß, da schafft er es auch bei anderen Menschen.  Da muss ich nicht auf Biegen und Brechen versuchen, meine Botschaft zu erklären, wo sie nicht verstanden wird. Da wo ein Mensch eine andere Sicht braucht und Gott selbst fragt, ist Gott selbst auch fähig, es seinen Menschen mitzuteilen.  Wenn ich getan habe, was in meiner Macht war (meine Gaben eingesetzt) dann darf ich meinen weiteren Weg gehen, ohne die Sorge, irgendetwas nicht richtig angebracht zu haben, und deshalb Irrwege verschuldet zu haben. Letztendlich hat Gott seinen Plan, den kein Mensch jemals wirklich begreifen kann – dem aber Menschen lernen können zu vertrauen, in jeder Lebenslage, weil es Gott immer darum geht, die Liebe sichtbar zu machen.