Heute Morgen beim Frühstück suchte ich einen Gedankenanstoß in einem Büchlein mit Bibelversen für jeden Tag im Jahr. Da fand ich u.a. diesen Vers aus dem Buch „Hiob“.
Dieser Vers knüpfte an Gedanken an, welche mich schon eine Weile bewegen. Nämlich, ob es stimmt, dass Gott nur „gut“ ist und die Menschen im Gegensatz dazu „böse“ (wie ich es früher gelernt hatte), oder ob Beides zusammengehört zu Gott und auch zum Menschen. Es deshalb nur darauf ankommt, wie man Beides anwendet im Leben. - Der Vers oben geht von Letztem aus.
Hiob hatte diese Erkenntnis immerhin in tiefem Leid. Mir ging es bisher in der Anschauung dessen, was hier geschah immer eher so, dass ich Abwehr bei dem Gedanken empfand, inmitten von Leid diese Erkenntnis zu deklarieren. Wenn, dann wäre es eher erzwungen oder entmutigt. Und trotzdem fand bei den verschiedenen Beispielen, die mir einfielen aus meinem persönlichen Leben die Erkenntnis immer mehr Raum in mir:
Gott tut es, im Gegensatz zu Menschen nicht, um zu schaden, sondern um auf diesem Weg vom Leiden zur Freude zu finden.
Mir fiel dazu der Bibelvers aus Römer 8 ein: „Denn ich bin gewiß, dass weder Tod noch Leben […] uns scheiden kann von der Liebe Gottes“. Und dieser Vers bekam plötzlich ein anderes Ansehen bei mir – er wurde lebendig.
Zunächst dachte ich an meine eigene momentane Situation. Es geht mir gut – ja, auf jeden Fall. Und trotzdem gibt es Dinge, die ich gerne anders gehabt hätte. Z.B. meinen Söhnen, die demnächst aus unserer gemeinsamen Wohnung im Süden ziehen um im Norden ihre neue eigene Existenz aufzubauen. Zu gerne hätte ich ihnen bessere materielle Grundlagen mitgegeben. Aber ich habe nichts dergleichen. Ich selbst habe gelernt damit auszukommen. Und das ist gut so wie es ist. Und gerade weil es gut so ist, wünsche ich es meinen Söhnen eigentlich auch, dass sie dieses lernen. Aber das lernen sie nunmal nicht, wenn sie alles bekommen ohne Anstrengung. Sie müssen es eben erst LERNEN, genauso wie ich. Und das heißt, von dem Standpunkt aus, wo das Gute aus dem Samenkorn im Dunkeln (was vielleicht zunächst negativ empfunden werden kann) wachsen kann.
Auch bei der Räumerei hatte ich ihnen in der Vergangenheit bei mehreren Umzügen meist die negativen Erfahrungen erspart und das Unangenehme selbst gemacht. Jetzt , wo sie selbst ihren Müll beseitigen müssen und das Gute daraus aussortieren müssen, lernen sie erst, dass man nicht einfach nur zugreifen kann und dann bekommt was man braucht und wird den Ballast automatisch wieder los. Es gibt immer Voraussetzungen auf welche aufgebaut werden muss. Ich musste es lernen um dahin zu kommen wo ich jetzt bin – und ich sollte es meinen Kindern auch zugestehen, es lernen zu dürfen. Selbst dann, wenn der Ausgangspunkt zunächst mager und ungut aussieht.
Dazu fällt mir wieder ein Bibelvers ein – ich glaube, er steht in Matthäus 6 „Trachtet zuerst nach dem Reiche Gottes und seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zufallen“.
Oh ja, es gibt den „Zufall“, der von Gott gesteuert wird. Das erfahre ich selbst auch immer mal wieder. Die Voraussetzung ist nicht, dass wir das Ungute ansteuern sollen, um das Gute zu erfahren, wie man leicht aus den ganzen Gedanken assoziieren kann. Der Ausgangspunkt ist der, dass man Gott im Auge (oder besser „im Herzen“) behält bei allem was man tut. Und alles aus Seiner Hand nimmt, wie der Spruch von Hiob zeigt – weil Gott das Ganze „Gut und Böse“ zu einer guten Ausgewogenheit bringen kann, dass es uns nützt.
Dann gingen meine Gedanken zu Menschen, die mir in meinem Leben Schaden und Leid zugefügt haben. Ja, ich kann auch dort inzwischen einen Zusammenhang, fast wie einen roten Faden, erkennen, der das Böse in Gutes verwandelt hat.
Probleme bereitet mir allerdings immer noch der Umgang mit manchen dieser Menschen. Erst in naher Vergangenheit fielen mir Menschen auf, die wiederholt in gleicher Weise auch anderen Menschen schaden. Dass solche, die sich ihnen entgegenstellen, sich immer letztlich unterordnen müssen, weil die Positionen den Aktionären Macht geben, die diese für sich selbst ausnutzen. In solchen Fällen kommt mir das Ganze Unrechte aus meiner Vergangenheit mit ihnen wieder an die Oberfläche und ich frage mich „warum dürfen sie das?“ oder „warum greift Gott da nicht ein?“. Denn sie tun dieses alles auch „im Namen Gottes“. Im Umgang mit meinen eigenen Wegen hatte ich schon oft die Assoziation, ihnen zu schreiben, dass bei mir der Ausgang „gut“ geworden ist. Ich dachte, ich müsse ihnen vielleicht sogar danken dafür, dass sie mir zunächst geschadet haben.
Und dann wird mir heute Morgen bewusst, dass die Erkenntnisse, dass mein Weg „gut“ geworden ist, nichts mit ihnen zu tun hat.
Wenn Gott aus meinen Wegen gute macht, da wo Menschen es schlecht machen wollen, dann tut er es für MICH. Da, wo Er mir Menschen mit gleichen und ähnlichen Fragen in den Weg stellt, da kann ich meine Erfahrung weitergeben.
Diejenigen, die das Böse an mir taten, sind für sich selbst verantwortlich. Ich muss deshalb nicht das Böse „gut“ machen, weil es bei mir so ausgegangen ist. Diese Menschen haben ganz andere Lektionen zu lernen als ich. Und deshalb gehen sie mit ihren Taten mich eigentlich nicht wirklich etwas an. Außer, sie werden mir direkt in den Weg geschickt und ich muss mit ihnen umgehen. Was in diesen Fällen, die ich gerade durchdacht habe, nicht der Fall ist. Ich kann ihnen weiter aus dem Weg gehen. Denen, welchen sie nach meiner Meinung auch schaden, kann ich mit meinen Erfahrungen helfen, so gut es möglich ist. Ansonsten hat jeder seine eigenen Lektionen zu lernen. Und Gott selbst lenkt die Schritte, gerade auch da, wo der Fokus auf Ihn gerichtet ist: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes…“
Meine Aufgaben liegen dort, wo ich sie quasi „vor die Füße gelegt bekomme“. Sehr oft erlebe ich, dass gerade die Gedanken, welche mich beschäftigen, außer mir selbst auch noch Menschen helfen können, die mir „über den Weg laufen“. – Langsam verstehe ich einen Ausspruch meiner Mutter, der damals noch in mir Unmut ausgelöst hat. Sie sagte (ungefähr) „Unsere Aufgaben sind meistens nicht die großen und sichtbaren Dinge, sondern die kleinen und oft verborgenen Dinge“. Das sagte sie mir, als ich noch große Pläne hatte – z.B. in die Mission zu gehen oder ansonsten die Welt sichtbar zu verändern. Ich glaube schon, dass man auch große Träume und Visionen haben kann. Aber man sollte sich immer wieder von Gott den Blick schenken lassen auf die kleinen Dinge auf dem Wege oder gar am Wegrand.
In den kleinen Dingen auf dem Wege liegen die großen Aufgaben des Lebens verborgen.
Mir fällt gerade ein Spruch ein, den ich auf einer Karte gefunden hatte, als ich 20 Jahre alt war und den ich damals in meinem Büro an die Wand gehängt hatte:
"Gott ist so groß, dass ihm das Kleinste nicht zu klein ist."
Ich fand diesen Spruch schon damals faszinierend. Er hat nun im Laufe meines bisherigen Lebens seine Bedeutung immer wieder verändert. Aber er passt in jede Lebensphase.
Ich selbst lerne, und das wird wohl bis zu meinem Lebensende so gehen. Darum wird es immer „Gut und Böse“ in meinem Leben geben. Inzwischen weiß ich: gerade darin liegt die Chance, das Gute zu erleben – indem es wächst, aus dem Dunkeln heraus ins Licht.