Mit meiner Tochter war ich für ein paar Tage in dem Ort, wo ich geboren wurde und die ersten 20 Jahre meines Lebens verbracht habe. Dort habe ich einen Teil meiner Geschwister und deren Kinder und Enkel getroffen. Wir haben natürlich viele „Weißt-du-noch-Geschichten“ ausgetauscht. Und es war schön.
Über die Veränderung meines Glaubens hatte ich mit einigen von ihnen schon vorher mal kurz ausgetauscht. Ich bin immer davon ausgegangen, dass solches, was für mich befreiend gewirkt hat, auch für meine Geschwister so empfunden werden könnte – da sie ja aus dem gleichen Millieu kommen wie ich. Darum hat es mich doch ein wenig verwirrt, dass eine Schwester, sowie auch meine Tochter mir in einem Gespräch signalisierten, dass meine Berichte darüber ihnen eher Angst einjagen würden, anstatt Befreiung davon.
Ich habe zunächst nur so reagiert, dass ich ihnen versichert habe, dass ich ihnen nichts von ihrem Glauben nehmen möchte, sondern eigentlich den Blick nur erweitern wollte. Aber es kam nicht so an, wie ich es verstanden haben wollte. So dass ich für mich beschließen mußte, meine Gedanken zu manchen Themen für mich zu behalten. Es enttäuscht mich aber, dass ich noch nicht einmal bei mir nahestehenden Personen aussprechen darf, was mich bewegt. Selbst nicht mit der Versicherung, dass ich damit nicht das, was ich früher für richtig empfand, als falsch einstufen würde. Ich verstehe es nur als eine andere Sicht der Dinge um Gott und den Glauben an ihn. Muß man denn, wenn man versucht, auch mal über seinen Tellerrand hinaus zu sehen, gleich einsam sein, damit man den Nächsten nicht verunsichert?
Ich habe zwar signalisiert, dass es doch in jedem Bereich des Lebens darum geht, selbst für sich nachzudenken und zu entscheiden, welches der richtige Weg für einen selbst ist. Ich will mich keinesfalls festlegen, dass nur meine Sicht der Dinge richtig sein sollte. Ich rechne sogar damit, dass diese sich noch im Laufe meines restlichen Lebens sich verändert und vielleicht auch wieder gegenteilig zu meiner jetzigen Sicht erscheint. Aber ich dachte, man kann dann, wenn man für sich selbst entschieden hat, auch darüber reden und nachdenken über andere Sichtweisen.
Nun bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es gerade das ist, wie man selbst seinen eigenen Glauben sieht, was einem Angst vor der anderen Sicht vermittelt. Denn da, wo man den Anspruch an sich selbst stellt, „richtig glauben“ zu müssen, um überhaupt von Gott angenommen werden zu können, da werden die Möglichkeiten selbst zu denken , zu prüfen und sich für das, was man als das „Gute“ für sich im Moment empfindet zu entscheiden, sehr eingegrenzt. Und damit kommt natürlich bei eventueller Grenzüberschreitung die Angst hoch, dass man auf falsche Wege kommt. Ich persönlich habe nur die Erfahrung gemacht, dass ich bei Weitem nicht von Gott verlassen werde, wenn ich eine andere Wegbiegung nehme, als mir vorgeschrieben wurde – sondern dass ich eher den Eindruck habe, Gott näher zu kommen als ich je zuvor sein konnte. Darum empfinde ich die Erweiterung der damals gesteckten Grenzen als befreiend. Und ich würde gerne darüber austauschen und den Funken weiterreichen. Aber scheinbar will das Keiner. Oder ich muß mehr Geduld lernen und mehr zuhören und nur da ansetzen wo auch Fragen aufkommen. Man lernt eben nie aus ….