Hallo *****,
ich mag deine immer wiederkehrenden Fragen.
Sie regen mich zum Nachdenken an und zeigen mir, wie unvollkommen meine Worte sind mit denen ich „meinen Glauben“ beschreiben kann.
So habe ich, nach dem (scheinbaren) Ende unseres Gesprächs hier, wieder nachgedacht. Dabei habe ich festgestellt, dass gerade diese Unvollkommenheit für mich ein Hinweis darauf ist, dass ich auf einem guten Weg bin.
Zunächst habe ich überlegt, woran es liegen könnte, dass manche Menschen die nach Gott fragen, ihn nicht wahrnehmen können. So schickte ich erst einmal ein Gebet zu ihm, dass er dir doch bitte Antworten auf deine Fragen geben möge, so wie du sie verstehst. Denn eigentlich bin ich mir ziemlich sicher, dass er schon Antworten gegeben hat – du diese, aus welchem Grund auch immer, nur nicht verstehen kannst.
Mir fiel dann auf, dass ich die Zeiten, in denen ich Gott spüre, nur wenig festhalten kann. Eine Zeitlang dachte ich, es wäre der Ort, wo ich gerade bin, der mich inspiriert. Aber auch an den Orten, die meinen Wünschen entsprachen, gab es Zeiten, an denen es mir schien, als sei Gott ganz weit weg. Inzwischen weiß ich, dass das „Drumherum“ ganz egal ist. Ausschlaggebend ist dafür, dass ich für ein paar Augenblicke gerade das Drumherum ganz und gar loslasse – und mich Gott zuwende.
Heute Morgen ist mir gerade wieder besonders aufgefallen, wann es „passierte“. Ich saß beim frühstücken und dachte über manches nach, was vielleicht an diesem Tag auf mich zukommen würde. Ich betete zwar auch dabei, aber merkte, dass ich in dem alltäglichen allerlei „gefangen war“. Und dann lehnte ich mich zurück und schaute nach draußen – dorthin, wo zwischen den Häusern um mich herum ein grüner Hang und Bäume zu sehen sind. Und ich spürte: jetzt bin ich auf dem richtigen Weg. – Ich weiß aber, dass es NICHT deshalb war, weil an dieser Grünfläche Gott so ganz besonders wäre, weil das seine Schöpfung ist (was ich eine Zeitlang so ausgelegt hätte). Sondern ich wusste, dass es deshalb „geschah“, weil ich alles was mich am Alltäglichen festhalten wollte, losließ – und mich NUR Gott zuwandte.
Was mir bei dem Austausch mit dir auch immer mal wieder auffällt, das ist deine, manchmal fast verzweifelt klingende Feststellung, dass du schon ein gewisses Alter erreicht hast und die Zeit knapp würde, in der du das, was „richtig“ ist noch finden könntest.
Nun – ich bin altersmäßig auch nicht mehr so ganz frisch ;-)
…und ich weiß, dass ich noch lange nicht dort angekommen bin, zu sagen, ich kenne nun die ganze Wahrheit. Wenn ich aber genau überlege, dann stelle ich fest, dass es gerade diese Feststellung für mich ein wichtiger Hinweis zu den Momenten ist, in denen ich Gottes Reden erfahre.
Eine lange Zeit glaubte ich, dass Gottes Reden und seine Spuren in meinem Leben ein „Beweis“ dafür seien, dass mein Glaube „richtig“ sei. Inzwischen habe ich aber erkannt, dass es überhaupt nicht maßgebend ist und ich nicht wirklich soweit kommen kann in diesem Leben, die „einzige Wahrheit“, welche Gott IST, überhaupt zu erfassen. Ich kann bestenfalls ein winziges Stück dieser Wahrheit erkennen. Und gerade diese Erkenntnis ist sehr wichtig, um fähig zu werden, mehr von der Wahrheit zu erfahren.
An einer Stelle, wo das, was ich als „richtig“ erkannt hatte, plötzlich so ausging, als wenn überhaupt nichts davon richtig sei, merkte ich erst, dass es das nicht sein kann.
Zunächst habe ich da auch nur noch gezweifelt und mich gefragt, was ich denn nun überhaupt noch glauben könne. Und dann hat mir Gott stückchenweise gezeigt, dass es nicht darauf ankommt, dass ich „richtig“ glaube, sondern dass mein Glaube auf Gott gerichtet ist. Denn Gott hat sich zwar für die Menschen erfahrbar gemacht, in dem Rahmen der Möglichkeiten des Einzelnen – aber die „Wahrheit“ oder das was vollkommen „richtig“ ist, kann kein Mensch wirklich erfassen.
Ich denke, das ist der Punkt, an dem viele Glaubende ihr Problem haben. Man möchte Gott nicht nur erfahren, sondern ihn auch festhalten können – zur eigenen Sicherheit. Dafür muss man einen Rahmen mit Grenzen finden, in den man den eigenen Glauben befestigt. Dieser Rahmen muß verteidigt werden, mit allen Konsequenzen, bis zur Bekämpfung des Glaubens der „Anderen“ – damit nicht der eigene Glaube ins Wanken gerät.
„Ich weiß, dass ich Nichts weiß“ – hat irgendein weiser Mensch mal gesagt. Und gerade diese Erkenntnis hat in mir das Bewusstsein geschaffen, dass ich auf einem guten Weg bin, weil ich von Gott begleitet werde. An den Punkten, wo ich Erfahrungen mit Gott mache und gleichzeitig weiß, dass meine Erfahrung nur ein winziger Effekt von der „ganzen Wahrheit“, die in Gott ist, bin ich mir sicher, dass Gott mir begegnet ist.
Ich habe den enormen Druck, „richtig“ glauben zu müssen, fallen gelassen – und fühle mich unendlich befreit. Kein Teufel und kein anderer Feind kann mir diese Freiheit rauben. Denn mein Glaube ist auf den gerichtet, der die einzige Wahrheit ist – und das ist viel mehr, als ich jemals glauben kann.
Nun kann natürlich, wie schon so oft, bei dir wieder die Frage auftauchen, dass dies doch auch alles Einbildung sein kann … wie so manches im Leben.
Ich sage dazu: Na und? Jawohl, das kann es! Aber das ist nicht mehr wichtig. Ich bin frei und fühle mich nicht mehr unter Druck. Ich habe Lebensqualität entdeckt, die wirklich funktioniert und nicht erst so gebogen werden muss, dass sie in ein Glaubensmuster passt. Was will ich mehr?
Wenn Gott und der Glaube an ihn wirklich Einbildung wäre (ich bin mir FÜR MICH sicher, dass er es nicht ist) dann ist diese Art zu leben jedenfalls ein Leben mit Qualität und ohne der ständigen Angst, auf dem falschen Weg zu sein.
Wenn es aber Gott gibt und er der Ursprung unseres Lebens ist(davon gehe ICH persönlich aus), dann ist ER das beste und die sicherste Fundament, was man für einen Glauben haben kann. Es gibt keines, was diesem gleich ist. Mehr brauche ich nicht.