Interessant wäre sicherlich, zu erfahren was man sich so allgemein darunter vorstellt.
Es tauchen im Allgemeinen auch nach tollen Predigten über dieses Thema immer wieder Fragen auf, die signalisieren: man kann es nicht umfassend lösen.
Dass man beten kann und darf und soll, ist unumstritten – nicht nur in der christlichen Liga. Die Frage(n) dazu gehen dabei in die Richtung: wozu nützt es? Wem nützt es? Wer kann es? Gibt es eine Gebrauchsanweisung? Gibt es eine Garantie? …. und ähnliche Fragen, je nach Situation des Fragenden tauchen auf.
Ich denke, jeder Gläubige hat schon sichtbare Gebetserhörungen erlebt (welche er als solche versteht) – und auch Gebete, die (scheinbar) nicht erhört wurden.
Damit verschiedene Gruppen von Gläubigen da nicht in Schwierigkeiten geraten, werden je nachdem, wie die Erfahrungen der „Anführer“ sind, Modelle vorgestellt, wie es „richtig“ geht.
Das geht vom „richtigen Glauben“ bis zum „richtigen Beten“, der Herzenshaltung und der Lebensführung bis hin zum Angriff des Gottesgegners, der scheinbar alles tun kann, was einen Gläubigen vom richtigen Weg abbringt.
Dumm ist nur, wenn dann jemand darunter ist, der diese ganzen Muster nicht brauchte. Der könnte den ganzen Plan durcheinanderbringen. Darum werden solche Leute gerne auch zum Schutz der Lernenden aussortiert.
Wenn es so funktioniert, wie es oft vorgestellt wird, dann wäre (nach meinem Verständnis) Gott beeinflussbar, fehlerhaft und launisch. Dann wäre Gott von den Ehrbezeugungen der Menschen abhängig und rachedurstig, wenn ihm diese nicht in rechter Weise gezollt wird.
Alle diese Facetten der Botschaften habe ich in meinem Leben schon gehört und mich bemüht, diese in mein Leben zu integrieren, damit mein Glaube „richtig“ ist. Ich bin dabei schon sehr gewieft, wenn es darum geht, die Botschaft dem allgemeinen Gottesbild anzupassen, damit man nicht aus dem Konzept kommt. Aber irgendwie haben die vielen Facetten der Botschaften und Erfahrungen der Anderen mich nicht befriedigt und immer mehr Fragen aufgeworfen.
Es gibt bei mir immer irgendwie Wünsche, die ich im Gebet vor Gott bringen möchte. Davon gibt es etliche, von denen ich manchmal denke, dass sie mir irgendwie zustehen. Bei anderen Dingen, bei denen ich Mangel empfinde, denke ich, dass ich selbst schuld bin daran. Wobei meine Frage dann lautet: darf ich darum eigentlich auch Gott bitten? Einige Bitten werden mir von Menschen als selbst erfüllbar bezeichnet – wobei ich den Weg dahin aber nicht „gut“ empfinde.
Heute habe ich um etwas gebetet, worum ich schon öfter gebetet habe und auch Erhörung erlebt habe – obwohl ich meinte, ich habe es nicht verdient. Es stellte sich mir dabei die Frage, ob ich damit das Recht habe, diese Bitte immer wieder bei Bedarf anzubringen. Mir fiel dazu die Geschichte ein, die Jesus (nach Lukas 11) über den bittenden Freund erzählt hat. Da fand die Erhörung einfach auf das unverschämte Bitten hin statt. Ich nahm also die Botschaft wahr, dass ich Gott auch unverschämte Bitten vortragen kann.
Habe ich dann die Garantie, dass Gott mich erhört?
Für mich habe ich diese Antwort schon länger gefunden: Ich kann durch Nichts Gott beeinflussen und habe grundsätzlich Nichts verdient, worauf ich mich vor Gott festlegen kann. Trotzdem kann ich vertrauen. Vertrauen auf den Geber – nicht auf die Gaben.
Das heißt ganz praktisch für mich, dass es sein kann, dass die Erhörung meiner Bitten so ausfällt, wie ich es mir wünsche. Es kann aber auch sein, dass ich nichts von der Erhörung sehen kann und mein Mangel sichtbar bestehen bleibt.
Trotzdem kann gerade auch durch scheinbar unerhörtes Gebet das Vertrauen wachsen. Nämlich da, wo „ich weiß, dass mein Erlöser lebt“.
Gott will mich von menschlichem Mangel erlösen. Nicht immer unbedingt so, dass er diesen Mangel auffüllt. Aber immer so, dass der Mangel keinen negativen Einfluss auf meine Beziehung zu Gott hat. Er nimmt dem Mangel somit die Macht, Mangel als negativ zu empfinden, indem er Ressourcen hineinlegt, die vordergründig nicht sichtbar sind. Es lenkt meinen Fokus auf den Geber – weg von dem Mangel. Und von der Warte aus kann ich den Mangel quasi mit Abstand ansehen. So, wie es der Prophet Habakuk (3,18+19)so treffend beschreibt:
Ich will mich freuen des HERRN und fröhlich sein in Gott, meinem Heil.
Denn der HERR ist meine Kraft, er wird meine Füße machen wie Hirschfüße und wird mich über die Höhen führen. (Luther1984)
Als ich diese Sicht „von den Höhen“ das erste Mal entdeckte, war es ein phantastisches Aha-Erlebnis für mich. Zu der Zeit wohnte ich gerade in der Schweiz auf etwa 1100 m Höhe mit Blick über ein weites Tal. Sehr gerne habe ich Abends allein auf einer Bank gesessen und die Sterne über mir und das menschliche Leben unter mir angesehen. Den Sternen schien ich dabei manchmal näher zu sein als dem Leben unten im Tal. Keine Hektik der unaufhaltsam sich fortbewegenden Autos oder der lichterdurchfluteten Wohngebieten konnte mich berühren. Es gab alles: Hektik, Sorge, Krankheit, Konsum und Wünsche. Aber sie hatten keinen Einfluss auf mein Empfinden: Gott ist so nahe, und ich bin geborgen bei ihm, was immer auch passiert.
Ich weiß, ich darf Gott bitten – um Alles. Auch wenn die Bitten unverschämt aussehen und ich sie absolut nicht verdient habe. Ich weiß, dass Gott mir manche Bitte erfüllt, die für einen Beobachter unverständlich wäre, der meint, diese könnte Gott doch anderen Menschen effektiver erfüllen, welche er scheinbar aus den Augen verloren hat.
Ich weiß auch, dass Gott mich manchmal einfach an die Hand nimmt und auf „die Höhen führt“. So dass ich merke, dass ich das, was ich meinte zu brauchen, nicht wirklich brauche. Wichtig und ein Leitfaden für mich selbst ist dabei nur, dass sich mein Blick auf den Geber richtet – weg von dem vermeindlichen Mangel. Denn da, wo ich zu sehr auf den Mangel fixiert bin, stelle ich fest, dass dieser in meinen Augen zu einem Berg heranwächst – selbst wenn es am Anfang nur ein Hügel war.
Aber selbst diese Berge vermag mein Gott zu stürzen. Nur ich selbst kann im Blick auf die Probleme und Mängel meines Lebens oft den Eindruck haben, vor unüberwindlichen Hindernissen zu stehen. Meine Erfahrung hat mich aber gelehrt, dass der Blick weg von den Bergen auf Gott selbst, mich auf die Höhen führt und die Berge schmelzen läßt. Selbst wenn sie für andere vordergründig noch als solche wahrgenommen werden.