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Dienstag, 19. Juni 2018

Der Adler und die Sperlinge

Die letzten paar Wochen habe ich über eine Webcam ein Seeadler-Nest beobachtet. Am Anfang meinte ich zu erkennen, dass das Weibchen drei Mal ein Ei ins Nest legte. Letztendlich blieb aber nur noch eines, aus dem ein Jungadler schlüpfte. Zunächst ein flauschig helles Küken, aus dem im Laufe der Zeit nun ein fertiger Vogel heranwuchs. Nun scheint die Zeit gekommen zu sein, dass dieser Vogel flügge wird und lernt, sich selbst zu versorgen.

Ich versuche dabei immer mal, das Verhalten und die Verständigung zwischen den Eltern zu deuten. Und dabei sehe ich, dass der Jungadler ängstlich und tollpatschig zu sein scheint. Schon seit längerer Zeit lassen ihn die Eltern immer mal alleine. Manchmal legt einer der Eltern zunächst das Futter (einen Fisch oder eine Federvieh) einfach im Nest ab und setzt sich mit einem Pokerface auf einen Ast, der einen kleinen Abstand zu dem Nest bildet.  Der Kleine (eigentlich scheint er auf dem Monitor manchmal fast größer, als seine Eltern) schiebt das Futter hin und her, zerrt ein wenig daran, aber dann legt er es wieder hin und schaut auffordernd zu dem Elternteil. Irgendwann wird er dann tatsächlich gefüttert. Aber ich habe den Eindruck, nur sehr kärglich, damit er es lernt, wie man es selber macht.

Nun lassen ihn die Eltern immer längere Zeit alleine zurück, wo er manchmal seine Flügel prüft, aber sich bis jetzt nicht traut, abzuheben.

Schon beim Brüten hatte ich immer Mitleid, wenn dort das Wetter so extrem war, dass ich denke, das Tier leidet darunter. Am Anfang kam es ein paar Mal noch vor, dass es sogar schneite und das brütende Tier fast unter einer Decke verdeckte. Aber ich denke, der Adler kannte solche Wetterkapriolen schon und hat sich dann dementsprechend verhalten.

Heute nun sehe ich den Jungadler bei einem langen und heftigen Gewitter - alleine. Es ist dort oft windig, wo sich das Nest befindet, so dass von dem eigentlichen Kuschelnest nicht mehr viel übrig ist. Eher bleiben da nur noch kreuz und quer ein paar Äste und Zweige, wo der Jungadler sich gerne auch mal in die noch dichteste Kuhle setzt und dort chillt. Heute hat er sich so tief in die Kuhle geduckt, dass ich erst dachte, er wäre nun doch davon geflogen. Aber nachdem das Wetter immer wieder, wie eine Achterbahn,  mal auf mal ab, Donner, Hagel, Regen herunterschleuderte und der Baum, wo mal das Nest stand, hin und her schwankte, kam er zwischendurch heraus und rief nach seinen Eltern.

Mir tat der Kleine leid. Wahrscheinlich ist das seine erste Erfahrung mit solchem Unwetter. Und manchmal dachte ich schon, er rutscht ab, und fällt in die Tiefe. Vielleicht lernt er ja dadurch das Fliegen. Aber vielleicht kann er sich im Gestrüpp von Zweigen ja auch die Flügel brechen.

Ich hatte dabei (wieder einmal) den Reflex,  für den Kleinen zu Gott zu beten, dass er bewahrt bleibt. Mir fiel dazu die Aussage von Jesus ein: (frei mit meinen Worten zitiert aus Matthäus 10,29) Selbst ein Sperling fällt nicht auf die Erde ohne, dass der Vater im Himmel es weiß.

Habe nachgedacht darüber....
...heißt das, dass Gott das ganze Weltgeschehen bis ins Kleinste so lenkt, wie er es will? Wenn also ein Vogel aus dem Nest fällt, dann hat Gott das so gewollt? Das führt natürlich ganz schnell auch zu der Frage, ob er es genau so mit den Menschen macht. Sind wir alle nur Schachfiguren Gottes? Ich habe natürlich, ebenso, wie viele Andere, keine zweifelsfreie Antwort darauf. Aber ich vergleiche es dann damit, wie ich selbst Gott in meinem ganz persönlichen Leben erfahre.

Ich denke, Gott könnte es so machen, wenn er es genau so wollte. Nur hat er den Menschen diesen Auftrag gegeben, auf seine Schöpfung zu achten. Wenn also Menschen mit Gott verbunden sind - auf ganz individuelle Art und Weise, dann kommuniziert und lenkt Gott in dem Lebensbereich dieser Menschen auch viele Dinge, die im Zusammenhang mit dessen Leben stehen.  Die Freude und das Leid werden aber auch dann nicht "automatisch" dem angepasst, was Gott will, sondern Gott lässt die Menschen agieren und wenn sie es zulassen, dann lenkt er auch viele Kleinigkeiten in dem Zusammenhang mit dessen Leben in eine gute Richtung. Was aber, meiner Meinung nach,  ein Mensch, in der Verbindung zu Gott, immer erfahren kann ist, dass er spürt, nicht alleine zu sein mit seinem Leben und alles, was dieses gerade beeinflusst. Er schenkt sozusagen ein gewisses Urvertrauen dem Menschen, der sich auf ihn einlässt, dass der Weg zu einem guten Ziel führen kann.

Was natürlich nicht heißt, dass ein Mensch mit Gott kein Leid erlebt. Aber niemals würde Gott einen Menschen, der ihm vertraut, einfach in den Abgrund fallen lassen. Und manchmal kann man auch selbst im dunkelsten Tal einen Lichtstrahl sehen, wo eigentlich kein Licht vorhanden ist. Und im Rückblick kann man dann erkennen, dass Gott die ganze Zeit dabei war, den Menschen quasi getragen hat, wie es z.B. auch das berühmte Gedicht "Spuren im Sand" beschreibt.

Zurück zu dem jungen Adler ...
... ich glaube, dass die gesamte Schöpfung verbunden ist - untereinander und mit dem, der sie erschaffen hat. Und wenn ein Mensch mit einem dieser Geschöpfe verbunden ist und vielleicht auch um Bewahrung bittet, dann nimmt sich Gott auch eines kleinen Adlers an und lässt ihn im Gewitter und unruhigen Zeiten des Aufwachsens lernen, wie man fliegen kann und sich im Leben versorgen kann - welches alles Gaben von Gott sind.

So können Menschen, mit Gott verbunden, auch untereinander zum Segen sein, indem sie den Segen, den sie von Gott erhalten, mit anderen teilen - damit dieser sich vermehrt - jedem so, wie er es braucht und wie Gott es gibt.

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