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Donnerstag, 13. Februar 2014

Beziehungen

Manchmal bin ich etwas zwiespältig, in mir selbst. Wenn es um Beziehungen zu anderen Menschen geht. Einerseits möchte ich Beziehungen - aber nicht zu verbindlich. Und anderseits baue ich mir schon eine ganze Weile mein eigenes Zuhause, für mich ganz allein, das jetzt beinahe perfekt zu sein scheint - aber ich spüre, dass es nicht das ist, was ich brauche.

Als ich meinen Job hier im (kleinen) Ort anfing, war ich ganz neu hier. Das ist jetzt mehr als fünf Jahre her. Weil mein Job aber im öffentlichen Leben abläuft, dauerte es nicht lange, bis ich im Ort bekannt war. Das heißt, ich wurde von vielen unterwegs begrüßt und nach meinem Befinden mit der neuen Umgebung gefragt. Nicht lange danach schon wurde mir hier und da vermittelt, dass man sich freut, mich genau in diesem Job zu sehen. Das gab mir ein Gefühl des Angenommenseins und das reichte mir an Beziehungen aus.

Meine Söhne lebten die ersten vier Jahre hier auch noch mit mir in einer Wohnung und meine Tochter wohnt auch im gleichen Ort. Das gab mir natürlich auch ein gutes Gefühl, nicht alleine zu sein. Nun, vor gut anderthalb Jahren zogen meine Söhne gemeinsam wieder zurück in den Norden Deutschlands. Meine Tochter wohnt zwar immer noch hier. Aber natürlich hat sie auch ihr eigenes Leben, so dass wir uns nicht mehr so oft treffen. So versuchte ich bisher mit dem, was vorhanden war, das, was mein Zuhause sein soll, neu zu gestalten.

Die Menschen hier im Ort sind mir immer noch zugetan. Das hat sich sogar noch gesteigert. So dass ich schon ein paarmal gefragt wurde, ob ich im Rentenalter (in zweieinhalb Jahren) nicht noch ein wenig weiter meinen Job machen will. Ich fühle mich immer noch geliebt von vielen Menschen hier. Aber in mir habe ich das unbestimmte Gefühl, mir fehlt irgendetwas zum Glücklichsein und zum ankommen in meinem ganz persönlichen Zuhause.

Beim letzten Umzug (vor acht Monaten) , wobei ich in die perfekte Wohnung eingezogen bin, schon allein von der tollen Aussicht her, habe ich mir nun meine Gelenke arg strapaziert. Seitdem bin ich mal mehr und mal weniger eingeschränkt beim Laufen. Meine Arbeit wurde so in der Hauptsaison, zu Weihnachten, langsam zur Last. Weil ich mehr und mehr auch die Pausen dazwischen nötig brauche und kaum welche vorhanden waren.  So war auch meine Stimmung, alles eingeschlossen, eher auf dem Tiefpunkt.  Ich keuchte (in Gedanken) nur immer von Event zu Event und als dann mal die Termine sich so häuften, dass ich dachte, das geht nicht mehr, da habe ich dann endlich mal bei meinem Chef  verkündigt, dass ich auf diese Weise nicht mehr  weiter machen kann, weil ich es einfach nicht schaffe. Das war zu dem Zeitpunkt schon eine Granate für den Chef. Denn die ganzen besonderen Vorbereitungen ließen sich nicht einfach auf eine Vertretung verteilen.

Aber er war weise. Er hat eine Frau aus der Gemeinde, die Diakonisse ist und seit Kurzem im Ruhestand, gefragt, ob sie mir ein wenig helfen würde. Das ist eine Person, die nicht besonders sensibel ist und schon oft angeeckt ist, aber noch enorme Kraftreserven zu haben scheint. Was ich nur mit Ächzen und Stöhnen schleppe, macht sie scheinbar "mit links" und ohne große Kraftanstrengung. Ich kenne sie schon eine Weile und weiß inzwischen, wie sie zu nehmen ist. So haben wir auch immer mal zwischendrin einen kleinen Plausch gehalten, wo jerder von uns etwas von seinem eigenen Leben erzählt. Das hat schon ein Stückweit eine persönliche Beziehung hergestellt.  Und so kommen wir beide bis jetzt ganz gut miteinander klar. Das ist eine große Erleichterung für mich geworden. Seitdem fange ich an, wieder aufzuatmen und meine Arbeit auch zu lieben. Ich muss mich allerdings immer wieder selbst ermahnen, eines nach dem anderen zu tun. Die ganzen Lasten der Vergangenheit haben meinen Blick zu schnell auf die Masse der Arbeiten über längeren Zeitraum fixieren. Und dann den Druck zu verspüren, der überhaupt nicht nötig ist. - Außerdem hat mein Grenzziehung auch Kreise gezogen. So dass ich von dem Zeitpunkt an immer mal wieder (ehrlich) gefragt werde, wie es mir geht. Als ich nun, nachdem die größten Aktionen vorbei waren, darüber nachdachte, was sich geändert hatte, stellte ich auf einmal fest: Ich bin nicht mehr so ganz alleine! - Weil ich mich nicht nur als Mesnerin (woanders heißt das: Küsterin) angenommen fühle, sondern spüre, dass ich auch als Mensch wahrgenommen werde. Weil ich meine Grenzen aufgezeigt habe, bin ich menschlicher geworden. Selbst da, wo ich in meinem Job auch immer mal versage.

Trotzdem merke ich auch jetzt immer noch zwischen den Aktionszeiten, dass mir irgendetwas fehlt. Ich meine, dass es Menschen sind, die mich auch außerhalb des Jobs wahrnehmen - einfach nur als Mensch. Und ich spüre, das muss bei mir anfangen. Da, wo ich andere Menschen außerhalb des Jobs wahrnehme und annehme.

Gestern nun war in dieser Hinsicht ein ganz besonderer Tag, der mich wieder einen großen Schritt weitergebracht hat und mir das Gefühl schenkt, hier doch einmal wirklich "anzukommen". - Nachmittags war eine Beerdigung. Es war die Mutter einer Frau gestorben, die ich auch kannte und die schon an manchen Stellen mit mir zusammen gearbeitet hat und dabei auch schon über persönliche Dinge geredet hatte. Nichts weltbewegendes, aber doch persönlich. - Als diese Frau mit den übrigen Familienangehörigen in die Kirche kam, veranlasste sie die kurze Frage, wie es ihr geht, sie dazu, sich in meine Arme zu werfen und zu weinen. Irgendwie war ich in dem Moment scheinbar ein Kanal, wo sie ihre Trauer loswerden konnte. Mich überkam ein Gefühl des Mitleids und irgendwie auch eine Art mütterlicher Gefühle. So blieben wir eine Weile umarmt dort stehen und ich tat und sagte das, was mir mein Gefühl gerade eingab. Auch nichts weltbewegendes und ohne große Worte. Aber hinterher hatte sich plötzlich auch bei mir etwas geändert. Ich hatte einen Menschen so wahrgenommen und behandelt, wie ich es als Mensch in dem Moment empfunden habe. Und das fühlte sich einfach richtig an. Es schien mir danach, dass mein Herz berührt worden wäre.-
Am Abend war dann noch Taizé-Andacht. Ich hatte meinen Platz schon mit meiner Tasche markiert, genau am Ende des Stuhl-Halbkreises. Und weil gestern mehr als sonst kamen, blieb auch kein anderer Platz mehr übrig. Also setzte ich mich dorthin. Nach der Andacht kam ich mit meinem Nachbarn ins Gespräch. Das heißt, er ist auch ein Nachbar von dem Haus in dem ich wohne und er sprach mich an. Bisher hatten wir nur kurze Grußformeln ausgetauscht. Aber hier kamen wir ins Gespräch über uns selbst. Und stellten fest, dass wir gebürtig aus dem gleichen Bundesland kommen. Wir haben eine ganze Weile miteinander geplaudert, was sonst nicht so meine Art war bisher. Weil ich auch immer noch die ganze Deko aufräumen muss danach. Dieses mal hatte ich nun noch einmal an diesem Tag das Gefühl, wieder ein wenig mehr berührt worden zu sein von Menschen und einfach einen Schritt weiter gekommen zu sein beim "Nach-Hause-Kommen".   Weil ich selbst mich als Mensch geöffnet hatte, konnte ich Menschen wahrnehmen und mich ein Stückweit im Gespräch mit ihnen verbinden.

Ich merke immer mehr, dass ich Menschen brauche. Genauso, wie Menschen mich manchmal brauchen. Dass es ein Geben und Nehmen sein kann und dass genau in dieser Konstellation echte Beziehungen entstehen. Da wo ich mich öffne und teilweise auch verletzlich mache, öffnen sich auch andere und liefern sich quasi mir aus. Das ist Liebe, die da erst wächst, wo man sie verschenkt. Das hat in mir wieder ganz neue Hoffnungen auf Leben entfacht. So, dass mein Leben doch noch nicht so weit am Ende ist, dass ich nur noch vor mich hin leben kann. Sondern dass immer noch einiges wachsen kann an Beziehungen, wo ich geben kann, was ich habe und mehr zurück bekomme, als ich gegeben habe.

2 Kommentare:

  1. liebe Ehra,

    ich habe deinen eintrag mit grossen interesse gelesen und ich freue mich, dass die leute in deinem ort dich sehr moegen. das ist wunderschoen, das gefuehl zu haben man wird gemocht und akzeptiert und gehoert dazu.
    und jetzt bist du den anderen auch etwas naeher gekommen in dem du dich geoeffnet hast, in dem du einen schritt gewagt hast von dir zu erzaehlen. nun sieht man dich nicht nur als mesmerin, die ihre arbeit tut und die nett und hilfsbereit ist, sondern als mensch mit "herz." und das spueren die anderen und darum vertrauen sie sich dir an. ich finde es ist sehr schoen wenn man das erfahren darf. es ist ein persoenliches glueck und eine art wohlempfinden.

    ich wuensche dir weiterhin ganz liebe menschen um dich.

    und trete einfach mal ein bisschen auf die bremse wenn es dir beruflich zuviel wird. es geht nicht nur alles um den job im leben, sondern auch um freude, ein bisschen ausspannen, relaxen, spass haben, was anderes sehen und tun, die seele etwas baumeln lassen und freundschaften schliessen. ich wuensche es dir!

    liebe gruesse
    Sammy

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    1. Hallo Sammy, danke für deinen Besuch bei mir hier und die ganzen netten Kommentare. - Ja, ich lerne immer noch, eigentlich jeden Tag etwas dazu. Zu Beziehungen mit anderen und zu mir selbst.
      Aus dem Schwarzwald über den großen Teich sende ich dir auch liebe Grüße *wink* ☺

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