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Donnerstag, 29. August 2013

Momente - Puzzleteile des Lebens

Heute ist Donnerstag. Das bedeutet, dass ich das "Blättle" von der Stadtverwaltung  für die Kirche abhole und ins Pfarramt bringe. Das ist auch der Tag, an dem ich eine ehemalige Kollegin aus meinem vorigen Wohnort, im "Welt-Laden" treffen kann, weil sie an diesem Tag meistens vormittags ihren ehrenamtlichen Einsatz macht.

Diese Frau hat schon einige OP's hinter sich, wegen Brustkrebs. Und ich habe damals, schon gestaunt über ihren Gleichmut, mit dem sie immer wieder neue OP's und Chemo's ertragen hat. So als gehörte das einfach zu ihrem Leben. Und bis jetzt ist es doch auch immer wieder gut ausgegangen ... bis zum nächsten Mal.  Aber als sie mal mit dem Gedanken konfrontiert wurde, wie es gewesen wäre, wenn eines ihrer Kinder behindert zur Welt gekommen wäre, da fing sie an zu weinen und meinte, das hätte sie nicht ertragen können.

Ich dachte schon damals, dass wohl jeder Mensch sein eigenes Päckchen  hätte, das für ihn und sein Leben belastet würde. Das wofür man sozusagen "berufen" ist, dafür wird man auch ausgerüstet.  Denn für mich wäre der Gedanke, Krebs zu haben und immer wieder Rückfälle zu bekommen, ein Gedanke, der (im Moment) für mich eine Horror-Vorstellung wäre.

Heute nun besuchte ich diese Frau wieder in dem Laden. Ich wusste, dass sie gerade wieder in einer Phase mit Chemo's ist. Warum genau wusste ich allerdings nicht. Und ich bin auch nicht der Typ, der da viel fragen mag. Ich denke mir immer, das was sie mir erzählen möchte, das wird sie auch tun, wenn sie merkt, dass ich zuhöre.

Sie sagte zunächst auf meine Nachfrage, dass es ihr gut ginge. Dann aber schränkte sie ein, dass sie im Moment wieder einiges abklären muss wegen ihrer Krankheit. Denn die Metastasen in der Leber und wo sie sonstwo waren, sind weg. Aber im Kopf leider nicht. Und nun müsse sie mit einem anderen Arzt klären, was da zu machen wäre. Das würde sie im Moment beschäftigen.

Bei mir kam zunächst erst einmal die Erinnerung an eine junge Frau, vor etwa ein-zwei Jahren. Sie hatte auch erst "nur" eine Brust-OP. Und dann kam nach einer Weile, aus heiterem Himmel, ein Tumor im Kopf dazu. Der wurde dann zwar auch behandelt, aber es ging ab dem Zeitpunkt nur noch bergab - bis sie dann starb.

Aus meinen Versuch, mein Mitleid schonend kundzutun, sagte diese Frau einfach: nein, so schnell gibt sie noch nicht auf. Und es ginge ihr eigentlich doch auch gut. Sie  braucht nicht mehr arbeiten, ihr Mann arbeitet auch nur noch 30 Stunden die Woche und habe mehr Zeit für sie. Ihre Söhne hätten auch einen Job und Partnerinnen.. Sie habe es jetzt doch wirklich schön.

Ich erkannte, dass sie es wirklich gelernt hatte, die Momente des Lebens zu leben und das Schöne darin zu erkennen - ohne Sorge auf das, was mal kommen könnte.

Meine Gedanken waren danach noch eine lange Zeit damit beschäftigt. Mir wurde bewusst, wie oft ich jetzt schon manchmal stöhne, wenn mein Rheumatismus stärker wird, meine Gelenke anfangen zu "quietschen" und mehr wehtun als vorher, ich mehr vergesslich bin als vorher und langsamer vorwärts komme ... etc. Im Vergleich mit dem, was diese Frau durchmacht, ist das garnichts.

Aber ich merke auch, dass vieles an meiner Wahrnehmung immer noch daran liegt, dass ich oft mehr durch's Leben "stürme", anstatt bedächtigt zu gehen und meine Blicke links und rechts auf dem Weg richte, was mir dort vor die Füße gelegt wird.

Ich bin so erzogen worden und habe viele Jahre meines Lebens damit zugebracht, auf das "Ziel" zu schauen. Man sagte uns schon in der "Sonntagschule" (Kindergottesdienst), dass das jetzige Leben nicht wirklich relevant wäre, sonders es darum ginge, die "Schätze im Himmel" zu sammeln und das Leben hier mehr oder weniger zu ertragen, weil "Das Beste kommt noch". So lautete auch ein Buchtitel, der in der damaligen Zeit im christlichen Lager auf der Bestseller-Liste stand.

Erst viel später, so etwa vor 10 Jahren, oder auch schon ein bißchen länger - ich weiß nicht, habe ich entdeckt, dass dieses Leben sehr wohl wichtig ist. Und zwar so wichtig, dass jeder Tag, jeder Moment zählt. Erst da wurde mir bewusst, dass ich im Grunde immer irgendwie auf der Überholspur des Lebens zugebracht habe - und dabei oft die einzelnen Momente des Lebens kaum wahrgenommen habe. Und seitdem übe ich daran, im Hier und Jetzt zu leben und die Momente des Lebens zu erkennen und dort auch zu verweilen, solange sie bestehen. Das ist nach so vielen Jahren auf der Rennstrecke gar nicht so einfach. Und immer, wenn ich danach suche, was mir eigentlich wirklich fehlt, weil ich irgendwie spüre, dass mir etwas fehlt, dann muss ich mich selbst dazu ermahnen, stehen zu bleiben und umherzuschauen, was gerade auf meinem Weg, Hier und Jetzt, liegt.

Es gibt da so unendlich viele guten Erfahrungen, die mich so weit geführt haben, dass ich da bin, wo ich jetzt bin. Und das, was ich jetzt habe, das waren in meinen Träumen in der Vergangenheit - eben nur Träume.

Heute, als ich ganz geruhsam zu Mittag gegessen habe, da habe ich es wieder geübt. Ich habe das, was ich gegessen habe, bewusst gegessen. Wohl wissend, dass es gute Dinge sind, die nicht jedem Menschen vergönnt sind. Ich habe zwischendurch meinen wunderschönen Ausblick genossen, den ich seit zwei Monaten in meiner Wohnung genießen kann. Die Sonne kam gerade um die Ecke und beschien einen Teil des bewaldeten Berges mir gegenüber. Und es ist grün um mich herum. Vor meinem Haus spielt das Leben. Einen Moment, den ich rausschaute, waren gerade die Bahnschranken zu. Ich wohne gegenüber vom Bahnhof. Und die Strasse ist relativ belebt für einen solch kleinen Ort. Jetzt standen eine Reihe Autos ganz still davor. Der Fluss war für ein paar Momente stillgelegt. Die Motoren waren aus und es sah so aus, als wenn alle einen Moment meditieren wollten.

In dem Moment dachte ich: so ist es auch im Leben. Es gibt Momente, da wird man einfach zwangsläufig stillgelegt. Da kann es sein, dass für einen Moment die Zeit stillsteht. Oder sie rast und setzt uns unter den Druck, vorwärts zu kommen zum Ziel. Beide Male kommt man nicht schneller vorwärts als der Andere. Aber diejenigen, die den Moment der Stille nutzen, können darin vielleicht Dinge erkennen, die man in dem Strom des Flusses der Zeit manchmal nicht wahrnehmen kann, weil man sich mehr mit der Zukunft beschäftigt als mit dem, was gerade jetzt auf meinem Weg ist.

Stille und Innehalten, das muss noch nicht einmal Abwesenheit von Geräuschen bedeuten. Das kann manchmal mittendrin sein, im Fluss. Da wo man vielleicht einen Moment gestoppt wird. Das sind dann Momente, aus denen man Kraft schöpfen kann. Und so verstehe ich auch den Anspruch von Christen, dass man unbedingt "Stille Zeit" mit seinem Gott machen müsse. Nur dass eine solche Zeit, wenn sie nur "verordnet" wird, weil man innerlich noch im Fluss mitgerissen wird, auch nur ein Merkmal des Alltäglichen Allerlei's ist. Wertvoll dagegen sind Zeiten, wo man mittendrin einfach mal aussteigt aus dem Fluss, für ein paar Momente und im Hier und Jetzt angekommen ist.

Ich hatte dafür als Schauspiel schon öfter unseren Fluss, der jenseits der Bahnschienen parallel zu unserem Wohnhaus fließt. Wenn nicht gerade Hochwasser ist, dann gibt es darin "Inseln", die zumeist aus großen Steinen bestehen. Oft kann man auf einem Stein eine Ente sitzen sehen. Es ist für mich dann schon irgendwie entspannend, dieses Bild einen Moment lang anzuschauen. Der Fluss strömt unaufhaltsam weiter. Um den Stein herum bilden sich sogar Strudel. Aber oben drauf, mittendrin, da ist Ruhe. Für mich ein Bild des Friedens, der am echtesten dort zu erleben ist, wo der Strom weiterfließt und man trotzdem stille sein kann.





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